... gehen. Wir alle tragen die Sehnsucht in uns, leben sie aber aufgrund von Regeln und Konventionen nicht aus. Für eine funktionierende Gesellschaft ist das eine Voraussetzung, aber die Lust, uns in der Fiktion darüber hinwegzusetzen, teilen wir alle. Mit Kai Korthals können wir dem nachgehen.
Korthals leckt an Gegenständen seiner späteren Opfer. Warum?
Bei oraler Fixierung geht es um Autonomie, Trotz und Selbstverwirklichung. Korthals fühlt sich zurückgesetzt und ungeliebt, das kompensiert er durch übergriffiges Verhalten. Er schafft damit eine Intimität, die ihm sonst verwehrt bleibt. Es ist wie ein Fetisch für ihn. Wie jemand, der einem Fremden einen Schuh abkauft, um daran zu lecken.
Finden Sie so etwas nachvollziehbar? Ich habe mal in einem Hotelzimmer mit einer Zwischentür gewohnt und aus Neugier ausprobiert, ob sie offen ist. Sie war es, woraufhin ich kurz in ein fremdes, belegtes Zimmer gegangen bin, wo mehrere benutzte Sachen herumlagen. Die Vorstellung, etwas zu berühren, fand ich sehr reizvoll, habe es aber nicht gewagt. Doch der Thrill war eindeutig spürbar.
TV TIPP
Tatort
KRIMI In „Borowski und der gute Mensch“ mordet Korthals zum dritten Mal SO 3.10. 20.15 DAS ERSTE
On Demand
„Es war lustvoll, etwas derart Pervertiertes zu spielen.“
LARS EIDINGER
Was denken Sie über Frauen, die sich in inhaftierte Mörder verlieben?
Ich glaube, hinter einem solchen Verhalten steckt etwas wie Fantum. Wenn man Justin Bieber Liebesbriefe schreibt, kann man sicher sein, dass er nie vor der Tür steht. Dasselbe gilt für inhaftierte Gewaltverbrecher. Im Unerfüllten liegt der eigentliche Reiz.
Wie viel Spaß hat es gemacht, sich für die Rolle als Frau zu verkleiden?
Natürlich ist so etwas sehr lustvoll. Auch weil es ja mit dem Schrecken spielt, dass er sich mit dem abgetrennten Skalp seines Opfers tarnt. Als Schauspieler genieße ich es natürlich, Zuschauer mit den Abgründen der menschlichen Seele zu konfrontieren.
Niemand spielt extreme Charaktere so gut wie Sie. War das schon immer so?
Interessanterweise wurde mir auf der Schauspielschule attestiert, dass ich nie böse Charaktere spielen werde, weil ich eine zu liebenswürdige Ausstrahlung hätte. Das hat mich extrem gewurmt, weil böse Charaktere die Figuren sind, die mich schon damals am meisten gereizt haben.
Lust, „Tatort“-Ermittler zu werden?
Ich möchte weiterhin frei in meiner Rollenwahl sein. Kein „Kommissar“, der auch den „Hamlet“ spielt – lieber der „Hamlet“, der auch „Kai Korthals“ spielt.
MIKE POWELZ