... 3307“, ein in „Kemoragrau“ lackierter Audi RS 3 Sportback, 61 500 Euro, dazu RS-Dynamikpaket Plus mit Keramikbremse, tiefergelegtem Adaptivfahrwerk plus Sportreifen Pirelli Trofeo R, macht zusammen 70 400 Euro. Ein stolzes Sümmchen für einen Kompakten. Doch günstig war so ein aufgemotzter A3 nie, in der ersten Generation (2011) noch 49 900 und in der zweiten (2017) mindestens 54 600 Euro.
Viel Geld für viel Fahrspaß? Jein, wenn wir ehrlich sind. In Sachen Technik hat sich in den ersten beiden Modellen bis auf ein paar PS und Newtonmeter nichts getan. Weitestgehend immer die gleiche Hang-on-Version des quattro-Antriebs, dazu der aufgeladene 2,5-Liter-Reihenfünfzylinder und die „verkehrte“ Mischbereifung mit breiteren Vorderrädern. Performance? Nur längsdynamisch eine Eins. Auf der Rennstrecke immer viel Geschrei um nichts, meistens bettelten Reifen und Bremsen um Gnade. Egal ob mit oder ohne Facelift oder mit neuem Haldex-Allrad, der RS 3 lümmelte immer auf einer 1:40er Sachsenring-Rundenzeit herum. Mal 1:40,51, mal 1:40,96, bestenfalls 1:40,01 Minuten. Die Konkurrenz: über alle Berge. Die 2016er AMG A 45 und Focus RS sind sub-und objektiv deutlich schneller. Als dann 2019 der neue, 421 PS starke A 45 den Sachsenring in nur 1:35,74 Minuten umrundete, schien der Kompaktkönig der nächsten Jahre gefunden. Die Rundenzeit war zu gut, die Konkurrenz zu weit weg. Und da rede ich nicht einmal vom RS 3. Den hatte ich schon abgeschrieben, selbst als erste Infos zum neuen Modell mit Torque Splitter und Co durchdrangen. Und auch als Audis Renn-und Entwicklungsfahrer Frank Stippler mit dem RS 3 auf der Nordschleife eine 7:40,74 min und damit einen neuen Kompakt-Rekord einfuhr. Nichts gegen Stipplers Fahrkünste, aber man weiß nie, wie solche Rekordautos konditioniert sind. Und der alte Rekordhalter war der Mégane R.S. Trophy-R. 100 PS schwächer und ohne Allrad.
29,8 Meter Einfach brutal! Neuer Rekord in der Kompaktliga! Perfektes Zusammenspiel aus Reifen, Bremse und ABS! Bisheriger Bestbremser: der 2016er Golf GTI Clubsport S mit 3 0,7 Metern.
Womit wir bei der Theorie wären. Also den Daten und Fakten, mit denen Audi den Nordschleifen-Erfolg erklärt! Der Fünfzylinder: Sahnestück, Klangkörper, Charmebolzen, suchen Sie sich was aus. Das seit eh und je 2,5 Liter dicke Triebwerk sitzt im Motorraum immer noch sehr weit vorn, dennoch konnte man die Achslastverteilung geringfügig auf 59:41 verbessern. Unsere Waage bestätigt sogar 58:42. Softwareseitig ist alles neu, der Winkeltrieb wurde verstärkt, womit sich der Charakter des TFSI nicht wirklich ändert, aber durchzugstärker sein soll. 400 PS wie der Vorgänger, das Drehmoment stieg um 20 auf 500 Newtonmeter.
„Es scheint so, als hätten die Audi-Leute endlich erkannt, wie man so einen RS 3 schnell macht.“
Guido Naumann, Redakteur
Fahrwerk: Die Vorderachse soll von steiferen Querlenkern und einem neuen Schwenklager profitieren, das ein Grad mehr Negativ-Sturz ermöglicht. Dazu kommt eine versteifte Hinterachse mit einem halben Grad mehr Radsturz.
Leider ist das im Testwagen montierte Adaptivfahrwerk nur optional erhältlich. Härtegrade? Unzählige! Jeder Modus („Efficiency“, „Auto“, Comfort“ und „Dynamic“) hat schon eine eigene Dämpferkennlinie. Dann kommen noch „Performance“ und „Torque Rear“ dazu. Also für jeden Popo was dabei. Bisher ganz oben auf der Mecker-Liste: die Bremse. Dieses Mal meint man es bei Audi offenbar ernst und bringt serienmäßig eine Sechskolben-Stahlbremse mit 375er-Scheiben vorn und 310ern hinten. Dazu spezielle Luftleitelemente in der Schürze und am Unterboden zum Abkühlen. Optional und hier am Testwagen montiert: die zehn Kilo leichtere Keramik-Anlage mit 380er-Scheiben, entstammt dem Audi R8. Ich bin gespannt! Räder: traditionell vorn breiter als hinten, diesmal aber 9 statt bisher 8,5 x 19 Zoll und 265er anstatt 255er an der Vorderachse. Hinten 8x 19 und 245er statt bisher maximal 235er-Reifen.
DAS IST UNS AUFGEFALLEN!
Bei so viel Lobeshymnen – ein paar Punkte aus der Rubrik „Jammern auf hohem Niveau“ gibt es auch. Zum Beispiel bei der Bremse, die auf der Autobahn nach längerer Fahrt ohne Betätigung einen längeren Pedalweg hat. Grund: die Beläge ziehen sich nach einer Weile stets auseinander, hier hätte die Abstimmung besser sein können. Beim direkt darauffolgenden zweiten Tritt reagiert das Pedal dagegen fast schon zu spitz. Unver ständlich auch, warum der RS Monitor keine Bremsentemperatur anzeigt wie beim RS 6. Und die Schaltpaddles sind zwar größer als beim S3, dennoch zu klein. Der Golf R zeigt, wie lang solche Wippen sein sollten.
HITLISTE SACHSENRING
! RENNSTRECKEN-NOTIZEN
Motor/Getriebe Breites nutzbares Drehzahlband, schnelles Ansprechverhalten, souveräne Kraftentfaltung auch in Bergauf-Passagen. Die Getriebeübersetzung kommt dem Sachsenring entgegen. Zügige, verschliffene Gangwechsel, manchmal etwas träge Reaktionen auf Schaltbefehle.
Lenkung Spitzes, aber nicht zu extremes Ansprechverhalten, sehr direkte Übersetzung, ausreichend Rückmeldung (im Performance-und Dynamic-Mode)
Bremsen Konstant bleibender Druckpunkt bei gutem Pedalgefühl. ABS arbeitet feinfühlig, entschlossen und denkt mit. Ausdauer? Selbst in der zwölften Runde gleiche Performance wie in Runde eins. Aktuell beste Bremse in der Kompaktklasse!
Handling Langweilig neutral? Nein, der RS 3 begeistert mit stabiler Vorderachse und hilfreich mitarbeitendem Hinterteil. Schnellster Modus: Performance!
Reifen Sensationeller Grip an der Vorderachse, Hinterachse genügend Spielraum zum Übersteuern. Wichtig: Reifen brauchen mindestens 40-50 Grad Arbeitstemperatur.
Kommen wir zum neuen Wunder-Allrad namens „Torque Splitter“. Schon 2017 versprach man uns und den Fans einen deutlich agileren quattro-Antrieb mit übersteuernden Manieren. Doch am Ende war alles nur heiße Luft, der RS 3 wankte wieder nur untersteuernd und verloren ums Eck. Das neue Modell soll diese Manieren nun endlich abgelegt haben. Und wenn man Stipplers Rekordrunde trauen kann, dann scheint das gelungen.
! Zehn Jahre wurde der RS 3 nur wegen seines Motors gefeiert. Jetzt ist er auch am Ring ein King
Geht angeblich wie? Statt Hinterachsdifferenzial und Lamellenkupplungspaket kommt je eine elektronisch gesteuerte Lamellenkupplung an der jeweiligen hinteren Antriebswelle zum Einsatz, was die Kraftverteilung auch zwischen den Hinterrädern ermöglicht. Laut Audi wird bei sportlicher Fahrweise das Antriebsmoment auf dem jeweils kurvenäußeren Hinterrad erhöht, wodurch sich das Auto besser in die Kurve eindreht und weniger untersteuert. So weit die Theorie, mal sehen, ob es diesmal auch in der Praxis funktioniert.
Vor der Kurverei geht’s auf das DEKRA-Testoval. Bisher galt der RS 3 als ultimativer Sprengsatz seiner Klasse. A 45, M2, alle schon immer langsamer auf der Geraden. Die Launch Control wird wie gehabt über das Fahrprogramm „Dynamic“ oder „RS Performance“, ESP off und Getriebe auf S gezündet. 3,4 Sekunden auf 100, 13,3 auf 200 km/h sowie höchst kurzweilige 25,3 bis Tempo 250. Bis 100 vier Zehntel schneller als die Werksangabe? Wie bringt er die Fabelzeiten zustande? Durch Technik. Oder besser: durch das perfekte Ineinandergreifen derselben. Der Allrad, der die Kraft verlustfrei durchspannt. Der Fünfender, der sich um 4000 Touren bereits aufs Ladedruckhoch bläht, ehe die Kupplung schnalzt und die Siebengang-S-tronic übernimmt, die ihre Zähne wiederum aneinanderwetzt, als wolle sie das Rückstoßprinzip neu erfinden. Glauben Sie mir, bei allen Porsche-Turbo-Launch-Starts: Der Antritt des RS 3 ist nicht weniger spektakulär. Der Fünfzylinder kann aber auch anders. Auf den Wegen zu den Teststrecken beeindruckt er mit einem gekonnten Mix aus Turboflair vom alten Schlag und Turboschule von heute. Bauschiges Ansprechen, wuchtiger Durchzug und mächtiges Ausdrehen bis in die 7000er auf der einen, flinke Gasannahme und gebügelter Dauerpunch auf der anderen Seite. Akustisch untermalt von bekanntem, herbtrockenem Crescendo und pulsierender Rhythmik. Das neu applizierte Getriebe spielt immer perfekt mit, schaltet schlüssig und aufmerksam. Der sechste Gang reicht bis zur angehobenen Höchstgeschwindigkeit von 290 km/h, der siebte dient nur der Verbrauchssenkung.
TEST-BEDINGUNGEN
Streckenlänge: 3671 Meter Wetter: 12 Grad Celsius, sonnig Asphalt: trocken
SEKTOR 2 Ganz andere Welt
Man glaubt gar nicht in einem RS 3 zu sitzen, so verfrühstückt der das Omega. Mit leichtem Übersteuern bei Tempo 118 hinunter ins magische Rund, in einem Zug auf der Ideallinie durch, fertig.
SEKTOR 3 So hat das noch keiner gemacht …
… bei den Kompakten! Wer sich traut, kann über die kleine Kuppe der Dreifach-Links leicht lupfen, dann geht es wie von Zauberhand mit zartem Übersteuern ums lange Eck. Indiz für die Mega-Vorderachse: über 150 km/h in der Kartbahn-Links.
SEKTOR 5 Nur zwei Zehntel …
… schneller als der Erzfeind AMG A 45. Aber wie der RS 3 die Queckenberg-Links-Bergauf verschlingt, lässt einen vom Glauben abfallen. Anbremsen, einlenken, Gas, die direkteste Linie, kein Untersteuern, das Heck drückt mit, genial.
Kommen wir zum Verzögern; was den RS 3 bisher zum Straucheln brachte. Doch schon im Alltag passen die Keramik-Stopper bis auf kleine Ausnahmen („Das ist uns aufgefallen“) deutlich besser. Und auch auf der Messgeraden fallen die A u fpreis-Bremsen positiv auf. Perfekter Druckpunkt, blitzsauberes ABS, Top-Balance, 29,8 Meter aus Tempo hundert, Bravo! Auch die 121,6 aus 200 sind aller Ehren Wert. Gute Vorsätze also für die „Runde der Wahrheit“ am Sachsenring.
+ MESSNOTIZEN +
Motor Der Fünfzylinder begeistert wie eh und je. Füllige Kraftentfaltung, gepaart mit hohen Drehzahlreserven und bauschigem Ansprechverhalten. Sound? Dank optionalem Sportauspuff und neuer voll variabler Klappensteuerung klingt das okay, mehr nicht.
Getriebe Vollwertiger Manuellmodus, reaktionsschneller, schlüssig schaltender Automatikmodus; sehr effektive, clevere Launch Control.
Bremse Die vom R8 adaptierte Keramikbremse überzeugt fast immer mit gutem Ansprechverhalten (siehe „Das ist uns aufgefallen“) und entschlossenem ABS. Auch nach mehreren Vollbremsungen aus 200 km/h kein Fading.
+ +
Der Testwagen trägt optionale Pirelli P Zero Trofeo R mit Audi-Kennung A0. Vorbei die Zeiten, als man so einen TT RS mit weichgespülten Corsa-Semis losschickte, um festzustellen, dass der normale P Zero schneller ist. Doch wir wollen nicht wieder zu früh loben. Und Stipplers Rekordrunde traue ich immer noch nicht. Genau das hätte ich ihm auch direkt ins Gesicht sagen können, Ende März in Hohenstein-Ernstthal. Der Profi ließ es sich nicht nehmen, unserem Test beizuwohnen und seine Erfahrungen zu teilen. Die auf 80 Grad vorgeheizten Trofeos steckte nicht er, sondern ein Mechaniker auf die Achsen. Wettbewerbsverzerrung? Nein, alle spielen mit denselben Karten, fast jeder Premium-Hersteller schickt ein Team zum Test der einschlägigen Fachmagazine. Meistens mit einem neuen Satz Reifen und, je nach Witterung, auch mit Heizdecken. Weil die Rennstrecke ein Linkskurs ist, gibt Stippler noch den Tipp, den Luftdruck rechts etwas niedriger zu wählen. Das Fahrwerk drehen wir in „RS Performance“ auf weich. Warum nicht „Dynamic“? Beim Einrollen war das Heck damit teilweise zu lose. Vor dem Start erinnern wir uns zurück, 2017, der RS 3 und seine 1:40,01. „Gefährlich, schlagartig ausbrechendes Heck, einknickende Keramikbremse, abbauende Reifen“, so unser Resümee damals. Das kann ja alles nur besser werden. Und glauben Sie mir: Dieser RS 3 ist ein völlig anderes, viel spielerisches Auto. Egal ob breite Vorderachse, Fahrwerk, Reifen oder Torque Splitter – alles zahlt spürbar in die Rundenzeit ein. Zum entschlosseneren Einlenkverhalten gesellen sich eine ausgewogene Balance im Kurvenverlauf und ein extrem engagiertes Herausbeschleunigen aus engen Ecken, das dank neuem Allrad kaum noch Untersteuern provoziert. Auf den gefühlvollen Keramikstoppern lässt sich ankern, bis der Arzt kommt, die Lenkung meldet eifrig rück, während das Heck auf gezielte Lastwechsel sanft mithebelt, ohne gleich auf Schlagseite zu gehen. Jammern lässt sich nur auf höchstem Niveau. Das Getriebe reagiert beim Anbremsen noch immer eine Spur zu träge. Geschenkt, 1:34,93, neuer schnellster Serien-Kompaktwagen!
72,9 km/h
Bestmarke auch beim Slalom? Der Wert klingt gut, aber nicht rekordverdächtig. Wahrscheinlich sind wir von den Supersportlern verwöhnt, aber die 72,9 km/h sind die neue Nummer eins dieser Disziplin bei den Kompakten (A 45: 70,9 km/h). Der RS 3 wedelt narrensicher, linientreu, am besten im Performance-Mode.
Fazit
Guido Naumann
Glückwunsch nach Ingolstadt! Der RS 3 fährt nun endlich so, wie wir es schon vor Jahren von ihm erwartet hätten. Wer hätte das gedacht, der Audi kurvt ab sofort den flottesten Stiefel in der Kompaktklasse!