... sie finden, von vertrockneten Ästen, Schilf und Zwergsträuchern.“ Trotzdem entdecken sie im Winter kaum Nahrung. Sie zehren von ihren Fettreserven, die sie sich in den wärmeren Monaten angefressen haben.
Moschusochsen ertragen Temperaturen bis zu minus 50 Grad
Moschusochsen sind Überlebende der Eiszeit und bestens angepasst an extreme Kälte. Selbst die jüngsten Tiere halten Temperaturen von minus 50 Grad aus. Im Winter bewegen sie sich wenig, um Energie zu sparen. Nur zwei bis sechs Prozent der täglich aufgenommenen Energie geben sie an die Umgebung ab. Ihr Trick: Sie drängen sich aneinander, wärmen sich gegenseitig.
Erst im Frühjahr, wenn auch in Grönland die Sonne scheint, entspannt sich die Situation. Dann ziehen die Tiere Richtung Westen, wo sie keine natürlichen Feinde haben – und ideales, üppiges Weideland vorfinden. Moschusochsen fressen gern Blätter von Birken und Weiden, Kräuter und Gräser sowie Flechten und Moos.
Tödliche Duelle
Wenn im Juni die Paarungszeit beginnt, halten die Männchen Ausschau nach paarungsbereiten Kühen und geben mit ihrem Urin eine Substanz ab, die moschusartig riecht. Daher haben die Tiere ihren Namen. Bisweilen werden sie als Schafsochsen bezeichnet, was auf der falschen Annahme beruht, sie seien eine Mischung aus Schaf und Rind. Aber die Paarhufer sind verwandt mit Ziegen und Steinböcken.
„Moschusochsenkälber werden im Mai geboren“, sagt Volmer. Sie wiegen rund zwölf Kilo. Die Kühe sind vorher sieben bis neun Monate lang trächtig. Auf Grönland gebären manche von ihnen zwei Kälbchen pro Jahr – was eher ungewöhnlich ist. In anderen Verbreitungsgebieten wie Kanada, Alaska oder Sibirien (siehe Karte rechts) trägt eine Kuh meist nur ein Kalb aus.
Mit der Paarungszeit beginnt auch die Zeit der Rivalenkämpfe, die tödlich enden können. Die Duelle starten mit Drohgebärden: Die Bullen schnaufen und trampeln bedrohlich, präsentieren dem Kontrahenten ihre Breitseite, um ihre Größe zu zeigen, und wühlen mit den Hufen den Boden auf, um ihre Kraft zu demonstrieren. Manche Tiere lassen sich davon beeindrucken und räumen das Feld kampf los. Wenn nicht, wird es gefährlich. Mit rund 50 Stundenkilometern rasen die Bullen dann aufeinander zu und stoßen mit den behornten Köpfen zusammen. Bei 400 Kilo Körpergewicht ist das lebensgefährlich.
Die Männchen sind 2,50 Meter lang und 1,50 Meter hoch. Die Weibchen erreichen eine Länge von 2,30 Metern, eine Höhe von 1,30 Metern und wiegen 300 Kilo. Rund ein Drittel des Umfangs der stämmigen Tiere macht das dicke Fell aus. In der Sprache der kanadischen Inuit heißen sie Umimmaq, was „Tiere mit Fell wie ein Bart“ bedeutet. Der Körper ist mit fünf Zentimeter langem Unterfell aus feiner Wolle bedeckt, die viel wärmer als Schafswolle ist und so weich wie die von Kaschmirziegen. Die darüber wachsenden groben Schutzhaare sind 45 bis über 60 Zentimeter lang und reichen fast bis zu den Hufen hinunter. „Ihre langen dickzottigen Haare sind ihr wichtigster Wärmeschutz“, so Volmer.
Wegen ihres Fells und ihres Fleischs wurden Moschusochsen früher gejagt. Dabei sind sie für menschliche Jäger sehr leichte Beute. Werden sie von natürlichen Feinden wie Eisbären oder Polarwölfen attackiert, stellen sie sich kreisförmig mit dem Gesicht zum Angreifer auf. Die geschlossene Front, durch die Jungtiere in der Mitte geschützt sind, ist für natürliche Angreifer kaum zu durchbrechen. Bei menschlichen Jägern aber wird sie zum Verhängnis: Wenn Moschusochsen von Jagdhunden aufgescheucht werden und diese Formation bilden, sind sie für Schützen einfache Ziele.
Im 19. Jahrhundert waren die Tiere, die ursprünglich nur in Kanada und auf Grönland lebten, fast ausgerottet. Seit 1917 sind sie in Kanada geschützt. Zudem wurden Exemplare aus Grönland nach Alaska importiert. Vor Jahren sind kleine Bestände auch in Norwegen und Schweden angesiedelt worden. Weltweit wird der Bestand heute auf 120.000 bis zu 140.000 geschätzt.
Laut Weltnaturschutzunion (IUCN) sind Moschusochsen aktuell nicht bedroht. Werden die sanften Riesen von Menschen in Frieden gelassen, können die Männchen ein Alter von 15 Jahren erreichen, die Weibchen sogar 20 Jahre – trotz der extremen Winter in ihrer Heimat.
THOMAS KUNZE