... ausbissen.
Nun versuchen die Engländer um Tony Brady, die sich seit 1974 als Verstärkerspezialisten weltweit einen Namen mit ihren hervorragenden und sehr fair gepreisten Verstärkern gemacht haben, sich selbst mit dem Nachfolgemodell 3510 zu überbieten.
Der Zeitpunkt für den Modellwechsel hätte günstiger kaum gewählt werden können, denn nicht nur der Brexit sorgt für höhere Preise bei allem, was von der Insel kommt, auch die Bauteilebeschaffung ist aufwendiger und damit teurer geworden, zugleich sind die Transportkosten schlicht explodiert.
Kein Wunder also, dass der Preis nun auf ein Niveau jenseits der 2500 Euro geklettert ist, diese Preisentwicklung ist seit Ausbruch der Corona-Krise bei fast allen hochwertigen elektronischen Gütern eine bedauerliche Begleiterscheinung. Natürlich stellten wir uns, wie es jeder potenzielle Kunde auch tun würde, die Frage, ob die logistischen Herausforderungen allein für die rund 20-prozentige Preiserhöhung gesorgt haben, oder ob sich darüber hinaus auch Anreize bei Ausstattung und Klang zeigen, die ein Nachdenken über einen Erwerb des „Neuen“ intensivieren könnten.
Optik dezent modernisiert
Da sticht zunächst einmal das neue, behutsam modernisierte Design ins Auge. Saßen Eingangswahl und Lautstärkeregelung bisher nebeneinander auf der rechten Seite, so ist die Eingangswahl nun auf die linke Seite neben den harten Ein-/ Ausschalter gerückt. Die auf der mäßig übersichtlichen Fernbedienung suggerierte Stand-by- Lösung mittels roter Taste ist ohne Funktion.
Mittig ist ein Feld mit blauer LED-Anzeige für den jeweils gewählten Eingang und als technische Neuerung eine Klinkenbuchse mit sehr ordentlichem Verstärkerteil für Kopf hörer angebracht. An der massiv ausgelegten, in Silber oder Schwarz erhältlichen Frontplatte hat das neue Design glücklicherweise nichts geändert.
Die Rückseite mit den sehr soliden, vergoldeten Anschlussbuchsen zeigt sich gänzlich unverändert inklusive der zwei Paar Ausgangsbuchsen zum Anschluss zweier zusätzlicher Endstufen, womit dann sogar, wie bereits beim Vorgänger, Tri-Amping-Betrieb möglich ist. Es findet sich auch ein mit AV bezeichnetes Buchsenpaar, das den vollen, nicht regelbaren Pegel für die Integration in ein Heimkinosystem bietet.
Im Inneren sieht zunächst mal alles so aus, als sei es beim Alten geblieben – der überdimensionierte 400-VA-Ringkerntrafo, der Kühlkörper, der diesen vom Rest der Elektronik trennt, die darauf montierten Toshiba-Leistungstransistoren genauso wie der Viererpack Elkos mit einer Gesamtkapazität von 40.000 uF. Eine klassische, mehr als 100 Watt an acht Ohm pro Kanal leistende AB-Endstufe mit einem ebenso klassischen Netzteil also. Dennoch wurde die Schaltung an die separaten Endstufen von Exposure angeglichen, um so eine höhere Bandbreite und geringere Verzerrungen zu erreichen.
TEST-GERÄTE
Plattenspieler: Denon DP 59/Shure
Ultra 500, Roksan X10/Linn Ekos/
Benz LPS CD-Spieler/DAC
Sony SCD 555, Wadia 8/Aavik D-180
Vollverstärker
Aavik I-180, Exposure 3010 Vorverstärker:
T+A P3100HV, Audio Research Ref One, Funk Audiotechnik
MTX Monitor Endverstärker: Plinius SA 250/IV
Lautsprecher: Gauder DARC 100 BE, Apogee Stage
Kabel: Funk, Stockfisch,
Ortofon, XLO, Supra, Audioquest
Auch sei es gelungen, die Stromversorgung der Eingangsstufe noch weiter zu glätten. Ein Feinschliff, den wir nach den jahrelangen Erfahrungen mit den verschiedensten Exposure-Verstärkern an unterschiedlichsten Lautsprechern nur begrüßen können.
Nicht spektakulär, klanglich aber entscheidend verändert ist auch der Vorverstärkerteil, sagt man bei Exposure. Hier hat sich das britische Entwicklungsteam nach langen und intensiven Hörreihen dazu entschieden, in der Verstärkungsstufe ausschließlich auf eine Schaltung mit diskreten Transistoren zu setzen. Außerdem hat man die Eingangsumschaltung und das Platinen-Layout für die Lautstärkeregelung optimiert, um das Übersprechen zwischen den Kanälen weiter zu verringern. Geblieben sind das solide blaue Alps-Poti und der beleuchtete Kranz des Lautstärkereglers.
Ein Verstärker, mit dem man über fast ein Jahrzehnt gearbeitet, gehört und ihn schätzen gelernt hat, ist nach so langer Zeit auch im akustischen Gedächtnis eine feste Größe, sein Klangcharakter vertraut.
Erfolgreiche Detailpflege
Mit dem Thema Gegenkopplung wurde so umgegangen, dass nahezu jeder Lautsprecher sauber kontrolliert wird, aber Rauigkeiten und eine gewisse Hüftsteifigkeit, ein Mangel an Spielfreude, vermieden werden. In Verbindung mit den rund 200 Watt pro Kanal an vier Ohm ist auch der Bereich Leistungsreserven erledigt.
Doch Leistung ist nicht viel wert, wenn sie ohne Feingefühl und Kontrolle über das musikalische Geschehen auskommen muss. Schon der Vorgänger 3010 war in dieser Disziplin kein Kind von schlechten Eltern und distanzierte selbst um einiges teurere Wettbewerber teils recht deutlich. Der Neue hat diese Fähigkeit nochmals gesteigert.
Wir hörten uns diverse Musikstücke mit gut strukturiertem Bassbereich aus Jazz und Rock an, darunter das legendäre Album „Missouri Sky“ von Charlie Haden und Pat Metheny. Hier besticht der 3510 durch ein gehöriges Mehr an Präzision, die Basslinien Hadens lassen sich besonders schön bei „Two For The Road“ und „The Moon’s A Harsh Mistress“ verfolgen. Der saubere Bass ist dabei keinesfalls Selbstzweck, profitiert doch die Präzision der Wiedergabe in allen Belangen davon. Man kann nicht nur einige Fertigkeiten der Künstler leichter nachverfolgen, es drängt sich auch das Gefühl auf, dass manches jetzt vom Status „erahnbar“ in die Kategorie „eindeutig nachvollziehbar“ wechselt. Und das passiert beileibe nicht nur im Bassbereich, der übrigens auch noch an tänzerischem Gespür, an Leichtigkeit und Rhythmusgefühl zugelegt hat, sondern über das gesamte Frequenzband bis in die Höhen hinein; gewisse, vorher gar nicht aufgefallene Verdeckungseffekte sind nun verschwunden.
Auch bei „Ride On“ oder „Rock 'n' Roll Ain’t Noise Pollution“ der australischen Rocker von AC/DC war das unzweideutig nachvollziehbar.
Kraftvoll und feinfühlig
Luciano Pavarotti intonierte Puccinis „Eiskaltes Händchen“ – „Che gelida manina“ – so kraftvoll wie feinfühlig. Das war eine wahrlich packende Erfahrung, wie das Händchen das Herz der Zuhörer am Leid Pavarottis teilhaben und die Emotionen des Sängers nachvollziehbar werden ließ.
Itzhak Perlman, Dirigent und Meister an der Violine, hat Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ noch neue Farbtupfer abgerungen, und dazu auch den Klang der Streicher dynamisch und sehr groß und offen eingefangen.
Hier zeigte sich selbst an Lautsprechern wie einer betagten Apogee Stage – einem Vollbereichsbändchen – oder der Gauder DARC 100 kaum eine Spur von Überlastung. Der englische Verstärker stieg auch hier selbst bei hohen Pegeln nicht aus, klang schlimmstenfalls etwas angestrengt, aber strich niemals die Segel und behielt seine sehr ausgewogene Tonalität bei. Und bereits mit wenigen Dezibel weniger Schalldruck war dann auch der Anflug von Anstrengung verflogen, und der 3510 atmete wieder gleichmäßig und kontrolliert durch.
Sollten Sie sich also mit dem Gedanken an eine Neuinvestition für einen Verstärker befassen, auf den man auch noch mit Sinn für Realität hinsparen kann, sollten Sie den Exposure ganz weit oben auf Ihrer Liste der anzuhörenden Geräte platzieren. Ihn erlebt zu haben, könnte Ihrer Leidenschaft für HiFi und Musik neuen Schwung verleihen. ■
Exposure 3510 Integrated Amp
Preis: ab 2650 € (in Silber oder Schwarz erhältlich; Phono-MM o. -MC-Platine 299 €; DAC-Platine 399 €)
Maße: 44 x12 x33 cm (BxHxT)
Garantie: 3 Jahre Kontakt: High Fidelity-Studio Tel.: +49 821 37250 www.high-fidelity-studio.de
Optisch ähnlich schlicht wie der Vorgänger, legt der 3510 an Musikalität und Sauberkeit im Klang nochmals zu. Seine Verarbeitungsqualität ist hochwertig, bei der Ausstattung ist ein Kopfhörerausgang hinzugekommen.
Messergebnisse
Labor-Kommentar
Netzphase am Testgerät
Gute bis unauffällige Messergebnisse.
Leistungsstark und auch an kritischen Lautsprechern souverän. Verzerrungen niedrig, Rauschen und Brummen vernachlässigbar; Dämpfungsfaktor und Kanaltrennung hoch; Frequenzgang bis knapp 40 kHz.
Ausstattung
Fünf Cinch-Eingänge, 2x Pre out, Kopfhörerausgang; Bi-Wiring-Anschlüsse nur für Bananenstecker; Home-Theater-Funktion; Phono-MM/-MC und DAC-Modul optional; Fernbedienung
REMOTE
Zumindest die Laut/Leise-Tasten hätten wir uns größer gewünscht.