... ich nicht, ist doch Wochenende!“ Kommen Ihnen solche Aussagen bekannt vor? Als junger Verkäufer hätte ich mir lieber die Zunge abgebissen als meinem Vorgesetzten sowas zu entgegnen. Viele ticken da heute anders. Kommen mit Mitte Zwanzig von der Uni und glauben, dass ihnen die Welt gehört. Sind extrem von sich selbst und ihren Fähigkeiten überzeugt. Doch anstatt ihre wirklich tollen Voraussetzungen zu nutzen und in Leistung umzumünzen, wird erst mal die Hand aufgehalten und gefordert. Finanziertes Fahrrad oder Jobticket, Smartphone und Laptop, mindestens 30 Tage Urlaub, betriebliche Altersvorsorge, Soja Latte und weiß der Geier was noch. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe nichts dagegen, wenn Menschen sich gut verkaufen. Doch wer scheffeln will, muss vorher erst mal schaufeln!
Keine Frage, uns geht es heute so gut wie noch nie. Der Wohlstand ist immer weiter gewachsen in den letzten Jahrzehnten. Die jungen Leute, die heute bei mir oder meinen Bekannten im Unternehmen aufschlagen, sind allesamt in einem Luxus großgeworden, von dem frühere Könige und Fürsten nur träumen konnten. Da habe ich auch gar nichts gegen. Doch in nicht wenigen Fällen hat das anscheinend dazu geführt, dass diese jungen Menschen viel zu viel für selbstverständlich erachten. Ich habe schon Azubis gehabt, die sich geweigert haben, meiner Haushälterin mal kurz was tragen zu helfen. Oder sich erst mal verdrückt haben, wenn eine Palette Bücher geliefert wurde, die abgepackt und in den Keller gebracht werden mussten. Können ja die Kollegen machen.
Dafür sind wir als Eltern mitverantwortlich. Wer seinen Kindern ihre ganze Jugend lang jedes Hindernis aus dem Weg räumt und für jeden Pups in Begeisterungsstürme ausbricht, braucht sich über mangelnde soziale Kompetenzen und nicht vorhandenen Leistungswillen nicht wundern. Bei meinem Sohn bis ich selbst zwiegespalten und immer ein bisschen am Zweifeln gewesen. Klar will ich ihn immer unterstützen. Doch es ist echt nicht leicht, da das richtige Maß zu finden. Ich habe mich oft gefragt, ob ich es ihm nicht manchmal zu einfach gemacht habe. Heute ist er Mitte Zwanzig und ich sehe – ganz so verkehrt war das anscheinend doch nicht. Denn er macht sein Ding, übernimmt Verantwortung, nutzt seinen Kopf und ist inzwischen selbst Unternehmer. Das macht mir Hoffnung, denn es verdeutlicht, dass wir auch in unserem heutigen Überfluss Kinder großziehen können, ohne ihnen automatisch ein Dodo-Verhalten anzutrainieren.
„Die letzten Jahre krieg ich auch noch rum!“
Und bevor es wieder heißt, dass ich immer nur die jungen Menschen bashen würde, möchte ich eines klarstellen: Auch die ältere Generation ist vor dem Dodo-Verhalten nicht gefeit. Hier äußert es sich lediglich auf eine andere Weise. Damit meine ich die Menschen im Alter von Anfang Vierzig bis Mitte / Ende Fünfzig, die innerlich bereits Achtzig sind. Sie versuchen, so unauffällig wie möglich ihre Zeit bis zur Rente abzusitzen. Idealerweise auf einem bequemen Posten, der verlässlich Gehalt aufs Konto fließen lässt und wenig Arbeit auf den Schreibtisch spült.
„Martin, du hast doch deine Schäfchen im Trockenen. Warum reicht dir das nicht?“ Sowas bin ich schon öfter von Menschen in meinem Alter gefragt worden. Darauf kann ich nur mit einer Gegenfrage antworten: Warum denn nicht? Ich bin 55 Jahre alt, top-fit – und habe einfach Spaß daran, immer wieder neue Dinge auszuprobieren. Sei es die Gründung einer Company, weil ein Kumpel und ich eine tolle Idee haben. Oder die Integration neuer Techniken und Strategien in mein bestehendes Business. Weil ich immer up-to-date sein möchte. Für meine Kunden – und für mich selbst. Was meinen Sie, mit wie vielen Vertriebsleitern oder auch Managern und Unternehmern ich in den letzten zwei Jahren diskutiert habe über Remote Sales? Da waren nicht wenige dabei, die sich mit verschränkten Armen hingestellt und gesagt haben, dass sie sowas jetzt nicht mehr einführen. Sie hätten nur noch fünf Jahre bis zum vorzeitigen Ruhestand, da solle sich dann der Nachfolger mit rumschlagen. Da kann ich mir nur an den Kopf fassen. Die Engstirnigkeit eines einzelnen Menschen mit Entscheidungsgewalt kostet hier das Unternehmen schlimmstenfalls die Existenz!
Das Leben hat mehr zu bieten als Feierabend, Urlaub und Rente
Ist Ihnen eigentlich mal aufgefallen, welche Bildsprache in den Medien verwendet wird, sobald es um das Thema Rente geht? Egal ob in der Tagesschau oder der BILD-Zeitung: Alle verwenden Fotos von einem Ehepaar, das händchenhaltend auf einer Bank sitzt. Gerne von hinten fotografiert. Ich frage mich ernsthaft, wer sich seine Rente so vorstellt – und sich dann noch darauf freut? Wenn Rente bedeutet, dass ich nur noch auf einer Parkbank rumsitze und Enten füttere, will ich bitte niemals aufhören zu arbeiten!
Ähnlich funktioniert das „Brainwashing“ im Radio. Achten Sie mal drauf ! Morgens heißt es: „Mit diesen Songs bringen wir euch gut durch den Arbeitstag!“, am Abend dann: „Jetzt kommt unser Mix, damit ihr euren Feierabend so richtig entspannt genießen könnt!“ Und freitags wird schon morgens das nahende Wochenende eingeläutet. Als würde es nichts im Leben geben außer Feierabend, Wochenende und Urlaub. Und das Schlimmste: Die Menschen, die sich das anhören, glauben den Quatsch auch noch. Zumindest die große Mehrheit. Das finde ich extrem traurig. Spätestens jetzt sollte klar sein, vor welcher Kernherausforderung wir in unserer Gesellschaft stehen: Endlich wieder ein positives Bild von Arbeit und Leistung vermitteln, an Menschen jeder Altersklasse. Und dafür brauchen wir Vorbilder.
Vorbilder statt Neidobjekte
Damit meine ich nicht irgendwelche Tik-Tok-Sternchen, sondern echte Leistungsträger, die ihre Tugenden weitergeben. Unternehmer, Gründer, die ihre Geschichte teilen und vorleben, was es heißt, sich selbst etwas aufzubauen. Diese Menschen gibt es in unserem Land. Doch die große Mehrheit von ihnen lebt sehr zurückgezogen, um ja nicht aufzufallen. Denn Dodos reagieren auf sie mit Neid und Ablehnung: „Angeber! Angeber!“ So wie früher in der Schule. Das muss aufhören! Ich bin davon überzeugt, dass es ein Anfang wäre, wenn erfolgreiche Menschen wieder zeigen dürfen, welche Früchte ihre Leistung trägt. Dann wären wir schon halb auf dem Weg zu einer neuen Leistungskultur. Weil unsere Kinder dann auch Vorbilder aus den eigenen Reihen hätten, deren Werdegang sie viel besser auf sich selbst beziehen können als es bei einem Elon Musk, Mark Zuckerberg oder Jeff Bezos möglich ist. In diesem Sinne: Lassen wir uns endlich Flügel wachsen, bevor es zu spät ist!
Martin Limbeck
Martin Limbeck ist Gründer der Limbeck® Group, Serienunternehmer, Investor, Wirtschaftssenator (EWS), Mitglied des BVMW Bundeswirtschaftssenats und einer der führenden Experten für Sales und Sales Leadership in Europa. https:// martinlimbeck.de