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Rita Falk verändert das Gebäude, bis es ein Teil von ihr wird. Lässt das Bad erneuern, rückt ein enormes Sofa unter die Fenster im ehemaligen Klassenzimmer und stellt farbenfrohe Glasvasen auf, damit sie das Licht einfangen. Wo vor 100 Jahren Schüler beisammensaßen und paukten, wohnen heute Rita Falks Flohmarktschätze. „Ich gehe nie gezielt auf die Suche“, sagt sie. „Die Dinge finden mich.“ Und auch sie können erzählen. Vieles ist antik, alles ist gutes Handwerk, etwa die Figuren aus einem Kasperletheater, die Holzengel aus einer Kirchenauflösung oder die Tiffanyleuchte. Dennoch überfrachtet sie ihre Räume nicht: „Ein Zimmer selbst braucht ja auch noch Platz zum Atmen.“ Und sie braucht diese Ordnung auch, am allerliebsten schreibt sie im Garten.
„Ich habe eine Schaukel im Garten. Das weckt Erinnerungen, und man lernt loszulassen“
Das Ehepaar Falk hat sich gerade eingelebt, da erkrankt Robert unheilbar an Krebs. Über Monate rückt die Familie Anfang letzten Jahres zusammen, um Robert zu begleiten. Diese Zeit im Schulhaus ist intensiv und kostbar, aber auch voller Schmerz. Im Juni 2020 steht Rita Falk im Garten vor ihrem jungen Kastanienbaum, sie bewundert seine prächtigen roten Blüten. „Nächstes Jahr“, denkt sie, „wird ihn Robert nicht mehr blühen sehen.“ Ihr Mann stirbt wenige Wochen später. Die ersten Wochen und Monate kann sie nicht schreiben, nicht allein im Haus sein. Jeder Winkel erinnert an ihren Mann. Sie nimmt sich eine kleine Wohnung in München, aus dem Bedürfnis heraus, diesem gemeinsamen Idyll, das nun keines mehr ist, zu entkommen. Die Traurigkeit kommt mit.
Die Natur, vor allem die Gartenarbeit, hilft ihr, mit dem Verlust zu leben. „Allein der Wechsel der Jahreszeiten. Das ist alles wichtig, richtig und schön.“ Auch die Hunde geben ihr Halt und Trost. Oft leisten ihr die Söhne, ihre Mutter und ihr Bruder Gesellschaft. Und immer wieder auch gute Freunde. Man sitzt ums Lagerfeuer, führt gute Gespräche. „Ich kann das Haus nicht allein ausfüllen, es braucht Menschen.“ Ihre Leser sollen sich in ihren Büchern wohlfühlen, hat Rita Falk einmal in einem Interview gesagt. So hält sie es auch hier: Das Klassenzimmer empfängt liebend gern Besuch. Und der Garten ist ein grüner Salon, durch den man wandeln und in dem plaudern kann, vorbei an blühenden Rosen, dem Schwimmteich und alten Bäumen. Von einem dicken Ast baumelt eine Schaukel: „Schaukeln tut mir wahnsinnig gut“, sagt Falk. „Es weckt Kindheitserinnerungen, da lernt man gut loslassen und vertrauen.“
Das Münchner Apartment ist heute die ruhige Dependance in der quirligen Großstadt, ideal zum Schreiben oder für Stadttermine. Ihr Schulhaus ist lebendiger Mittelpunkt im ruhigen Landleben. Rita Falk pendelt, sie braucht beides. „Ich bin eine Macherin. Langeweile macht mich wahnsinnig.“ Im letzten Jahr hat sie eine Menge gelernt, ihr Leben angepackt. „Robert hat mir viel abgenommen. Und langsam merke ich, ich kann das alles auch selbst. Und es macht mir sogar Spaß.“ Auto fahren in der Innenstadt zum Beispiel. Fürs Land hat sie sich ein E-Bike gekauft und erkundet stundenlang die hügelige Umgebung. Bergauf, bergab. Sie liebt Oberbayern und seine Menschen, viele trifft man in ihren Büchern wieder. Rita Falk sagt: „Ich weiß, Robert ist sehr stolz auf mich.“
Die rote Kastanie hat dieses Jahr besonders schön geblüht.
„Einfach nur in der Erde wühlen, das macht mich glücklich“