... und lesbischer Frauen, die mich geprägt haben. Viele davon engagieren sich bei Adefra, dem Verein Schwarzer Frauen und weiblich gelesener Personen in Deutschland. Adefra ist Teil der Gründungsgeschichte der zweiten Schwarzen Bewegung in Deutschland, mit Namen wie dem von Katharina Oguntoye, Ika Hügel-Marschall, Ria Cheatom oder Jasmin Eding; das sind alles Menschen, von deren Wissen ich profitiert habe. In meinem Buch bezeichne ich sie als „Elders“, also Vertreter:innen der älteren Generation, die vor mir den Weg gegangen sind. Viele, die ich kenne, waren auch in der Initiative Schwarze Menschen (ISD) aktiv. Adefra wurde auch deshalb gegründet, weil Schwarze Erfahrungen im weißen Feminismus übergangen wurden und in vielen Schwarzen Kontexten die queere und patriarchatskritische Perspektive übergangen wurde. Das hat mit Sexismus und Queerfeindlichkeit zu tun, die auch vor Schwarzen Räumen nicht Halt machen.
Wie weit sind die Schwarze Geschichte und die lesbische oder feministische Bewegung in Deutschland verwoben?
Ich persönlich bin in meinem politischen Bewusstsein erst Schwarz geworden, bevor ich Feministin wurde. Das ist nur logisch, denn der breite Feminismus hat mir kein Angebot gemacht. Also musste ich erst in Schwarze Räume gelangen, um dort einen Feminismus für mich finden zu können. Feminismus war in Deutschland im Mainstream lange einseitig definiert. Der Blick zurück in die Frauenbewegung ist oft ein weißer Blick. Die Kämpfe von Schwarzen, migrantisierten, behinderten und queeren Frauen wurden lange Zeit unsichtbar gemacht. Für mein Buch habe ich etwa mit älteren Aktivist:innen aus der Behindertenrechtsbewegung gesprochen.
Sie haben gesagt: ,Wir haben damals schon gesprochen, aber wir haben keinen Raum gefunden.‘ Diese Geschichten zeigen, dass es einen inklusiven Feminismus braucht, weil die Geschichten sonst nicht vollständig erzählt werden. Heute sprechen wir viel von Intersektionalität. Dieser Denkraum stammt aus Schwarzen, queeren Zusammenhängen, weil betroffene Stimmen ihre Erfahrungen erforscht, verwissenschaftlicht und politisiert haben. Wir kennen viele davon aus dem Ausland, Kimberlé Crenshaw aus den USA etwa, die den Begriff Intersektionalität prominent geprägt hat. Doch gab es immer auch transnationale Verbindungen wie die Verbindung von Audre Lorde und den Gründer:innen von Adefra. Auch hierzulande wurde der Denkraum von Wissenschaftlerinnen wie Peggy Piesche schon vor Jahren in den wissenschaftlichen Kontext eingebracht.
Emilia Roig hat dieses Wissen mit ihrem Buch „Why we matter“ im vergangenen Jahr breiter zugänglich gemacht. Es gibt auch in Deutschland viele Namen, die schon lange zum Thema arbeiten; so viele Menschen, die verantwortlich dafür sind, dass die Debatten heute da stehen, wo sie stehen.
Antirassismus wird in Deutschland seit 2020 breiter medial diskutiert, vor allem nach der Ermordung des Schwarzen US-Amerikaners George Floyd und den Protesten weltweit.
Wie werden die Beiträge vorheriger Generationen sichtbar?
Ich fühle mich mit meinen 41 Jahren in einer Sandwich-Position. Also zwischen denen, die vor mir waren, und denen, die nach mir kommen. Von den jüngeren Menschen spüre ich einen mich empowernden Antrieb, der auf eine gewisse Art fordernder ist als früher, auch, weil das jetzt besser möglich ist, weil es Räume wie die sozialen Medien gibt, die dabei helfen, wahrnehmbar zu sein. Und gleichzeitig bereichert mich die Verbindung zu denen, die vorher den Weg für uns gegangen sind. Ich sehe, dass es eine Brücke braucht zwischen älteren und jüngeren Generationen. Nicht durch Name-Dropping, sondern durch echten Kontakt. Wenn diese Verbindungen Beachtung finden, zeigt sich, dass Antirassismus nicht erst seit der Ermordung von George Floyd im Jahr 2020 eine Rolle spielt, sondern dass die Geschichte der emanzipativen Bewegung jahrzehntealt ist.
„Der Blick zurück in die Frauenbewegung ist oft ein weißer Blick“
Was war dein Antrieb, das Buch „Schönheit der Differenz“ zu schreiben?
Ich habe das Buch aus einer Schwarzen Perspektive in Deutschland heraus geschrieben.
Davon haben wir noch nicht viele in deutschen Mainstream-Verlagen. Noch lassen sich Listen füllen mit Büchern Schwarzer Autor:innen – und solange das so ist, gibt es nicht genug. Darin sehe ich meinen Beitrag im Bereich Sachbuch. Schön ist, dass bei meinen bisherigen Lesungen ein sehr breites und diverses Publikum war, denn genau an das richtet sich das Buch. Ich habe nicht den Anspruch, alles in seiner vollen Komplexität abzubilden, sondern verstehe mich als übersetzende Journalistin. Deshalb habe ich Stimmen und Menschen wahrnehmbar gemacht, habe mit Anhängen (weiterführende Quellen, Anm. d. Red.) gearbeitet, damit Menschen sich eingeladen fühlen, sich tiefergehend mit bestimmten Fragen auseinanderzusetzen. Mein Wunsch war, die Vielzahl unserer Unterschiede nebeneinanderzulegen und die Gleichzeitigkeit verschiedener Erfahrungen darzustellen, die unser Miteinander bestimmen.
Zum Beispiel?
Ich weiß, dass ich in bestimmten Räumen als Schwarze Frau in der diskriminierten Position bin. In anderen Räumen bin ich mit bestimmten Merkmalen jedoch privilegiert.
Zum Beispiel dann, wenn es in Schwarzen Räumen um Transfeindlichkeiten geht und ich als cis-hetero Frau positioniert bin. Es kommt also auf die jeweilige Situation und Perspektive an. Diskurse werden von den Körpern bestimmt, die in den Räumen anwesend sind. Ich schaue durch meine eigene Brille und versuche, auch anderen Erfahrungen Raum zu geben. Ich verstehe mich dabei als Lernende. Das Schöne ist, es eröffnet sich dabei ein neuer Raum und die Möglichkeit für einen Schulterschluss. Das bedeutet für mich Verbündetsein.
Was bedeutet das für Personen aus verschiedenen diskriminierten Gruppen?
Es ist total relevant, selbstreflektiert zu sein.
Wenn ich nur in meiner eigenen Unterdrückungserfahrung bin, dann wird dieser Unterdrückungsmoment vielleicht alles in meinem Alltag und meinem Leben bestimmen. Aber was passiert in einem Raum, in dem die eigene Macht plötzlich präsent ist?
Dann kann es passieren, dass Personen, die selbst unterdrückt sind, andere Menschen durch ihr Handeln dominieren – bewusst oder unbewusst. Es sind ähnliche Mechanismen, die man in der Kritik an Mechanismen in der Dominanzgesellschaft kennt. Deshalb ist es relevant zu wissen, wer ich selbst bin und wo ich Privilegien habe. Auch deshalb habe ich das Buch so geschrieben, wie ich es geschrieben habe. Es war auch ein Wagnis, weil ich nicht alles selbst erfahre, aber ich wollte damit mögliche Wege des Denkens aufzeigen. Deshalb war im Prozess auch die Unterstützung von Menschen, die bestimmte Kapitel sensitiv gelesen haben und das politische Lektorat durch Yezenia León Mezu, Rose Amakye und Maria González Leal sehr wichtig. Was mich manchmal stört ist, dass es in manchen Gesprächen über das Buch nur um das Thema Rassismus geht. Darum geht es zwar auch, aber vor allem auch um die Gleichzeitigkeit von Perspektiven, das Intersektionale, sich in den Perspektiven der anderen zu spiegeln. Wenn das mehr Menschen begreifen würden, kämen wir endlich ins Gespräch.
// Muri Darida