... Versorgung der Gäste sorgen. Die Buchungen laufen gerade wieder an, auch mehrere Hochzeiten sind geplant, das Theaterschiff ist offizieller Trauungsort des Standesamtes.
„Bis zum Herbst 2021 hatten wir geschlossen“, erzählt Cordula Polster; die Lage war einfach zu unsicher. „Wir brauchen mindestens drei Monate Vorlaufzeit, um Werbung zu machen, um den Kartenverkauf anzukurbeln.“ Als es dann wieder losging, währte die Freude über gute Buchungen nur kurz, „dann kam die Alarmstufe.“ Elf geplante Weihnachtsfeiern wurden abgesagt, „die Menschen hatten Angst“, zeigt Cordula Polster Verständnis. „Und die zusätzlichen Tests waren ein K.o.-Kriterium.“
Im Oktober 2021 konnte noch eine große Gala über die Bühne gehen. Eingeladen waren all die Spender – das Theaterschiff hat ein großes Stammpublikum – die das Theater mit über Wasser gehalten hatten. „Da gab es eine ganz tolle Resonanz!“ Für die Schauspieler, die 2020 in den Probenarbeiten von Corona überrascht wurden, war glücklicherweise, zumindest für einige Monate, gesorgt. „Ich stelle alle Schauspieler für das Engagement an und so konnten sie in Kurzarbeit gehen. Aber lustig war das für die Schauspieler wirklich nicht.“ Dankbar ist Cordula Polster für die Unterstützung seitens der Politik. „Die Regierung hat schon einiges getan. Ohne Überbrückungshilfen hätte ich es nicht überlebt. Ich hatte Glück, durch den Neustart der Kultur wurden 80 Prozent der Künstlergehälter bezahlt, das gab eine gewisse Sicherheit. Aber Kasse, Ton, Presse, Kostüme, die Kosten bleiben. Und wenn die Besucher ganz wegbleiben, dann lege ich drauf. Ich musste zuschießen, es ist aber nicht so, dass es mir das Genick gebrochen hat.“ Dass die Unterstützungen dieses Jahr verlängert wurden, war der Knackpunkt für Cordula Polster, im Mai wieder loszulegen. Cordula Polster ist guten Mutes, im April gehen die Proben los, am 7. Mai ist Premiere mit dem Stück „Die Tatortreiniger“.
„Wenn s klappt, freut man sich“ – das Dreigroschentheater
Weniger Besucher, Umsatzeinbußen, auch im Dreigroschentheater haben die letzten beiden Jahre Spuren hinterlassen. „Das ist natürlich schmerzlich“, sagt Helen Pavel, die Theaterleiterin und Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins, der das Dreigroschentheater trägt. „Wir konnten es aber verkraften, auch weil die Vermieterin während der Schließzeiten die Miete halbiert hat.“ Finanziert wird das offene Ensemble, in dem jeder talentierte Theaterliebhaber mitmachen kann, durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und die Stadt Stuttgart. Und: „Es wird sehr viel ehrenamtliche Arbeit geleistet, das hat uns in der Corona-Zeit mit gerettet“, so Helen Pavel. Außerdem gab es vom Land Soforthilfe, die Stadt erhöhte ihre institutionelle Unterstützung und Hilfe kam auch vom Landesverband der Amateurtheater. „Das lief alles sehr unbürokratisch. Es war zu spüren, dass da ein Wohlwollen da ist.“ Von diesem Wohlwollen sollten auch andere profitieren: Um freien Künstlern Auftrittsmöglichkeiten zu schaffen, nahm das Dreigroschentheater in den vergangenen zwei Jahren mehr Gastspiele ins Programm als normalerweise. Als Corona kam, liefen gerade die Endproben für „Die Zofen“ von Jean Genet. „Wir haben das Stück dann als Online-Produktion geplant, weil wir schon so viel Arbeit reingesteckt haben. Schließlich kam es aber doch vor Publikum auf die Bühne, als szenische Lesung. Im Herbst 2020 haben wir dann nach Stücken gesucht, die unter Coronabedingungen machbar sind, auf der Bühne und im Publikum.“ Normalerweise passen 50 Zuschauer ins Theater, in Corona gerade einmal 16. „Unser Faust“, ein Stück, das Jürgen von Bülow für das Dreigroschentheater geschrieben hat, war eine solche Corona-Produktion. Im Juni 2021 wurde es uraufgeführt, mit vier Personen und immer nur einem Schauspieler auf der Minibühne. „Die Proben liefen online und es war eine große Aufgabe, das Stück unter den gegebenen Auflagen physisch aufzuführen.
“ Auch wenn jetzt wieder mehr möglich ist, die Planungsunsicherheit beschäftigt das Team vom Dreigroschentheater weiterhin. „Bei den Proben muss man ständig damit rechnen, dass jemand in Quarantäne muss. Aber ich habe mich damit abgefunden, dass man keine Sicherheit mehr hat. Man hat immer im Hinterkopf, dass die Aufführung nicht klappt. Und wenn´s klappt freut man sich.“ Freuen soll sich auch das Publikum: „Wir wollen kein Programm machen, das runterzieht. Wir haben einen literarischen Anspruch, aber auf eine Weise, dass man auch lachen kann. Deshalb haben wir uns auch als nächstes Stück für eins von Dario Fo entschieden.“ „Gott ist schwarz“ das letzte Stück des italienischen Autors feiert im Juni Premiere.
Sich nicht unterkriegen lassen – die tri-bühne
Wieviele Stühle passen in die Konzertmuschel im Biergarten am Kursaal? Edith Koerber, die das Theater tri-bühne 1975 mit ihrem Mann gründete, probiert es gerade aus. Aber viel wichtiger ist die Frage: Welche Regeln gelten zur Premiere, wie sieht es mit den Abständen aus? Schon in den vergangenen beiden Jahren war man in den Biergarten umgezogen, da saßen die Zuschauer noch an den Biertischen im Garten und die Konzertmuschel wurde komplett bespielt. Weil das Wetter 2021 aber so schlecht war, entschied man sich in diesem Jahr, die Besucher im Trockenen sitzen zu lassen Bei unserem Besuch läuft eine Kostümprobe für das Stück „Lunchtime im Oklahoma Naturtheater“, die Darstellerinnen der Biergöttin und des Ausrufers haben sich in Schale geworfen.
Am 8. März 2020 hatte man noch im Theater in der Eberhardstraße Premiere mit dem Stück „Esperanza“ gefeiert, „drei Tage später wurde das Theater dicht gemacht“, so Edith Koerber. Not macht erfinderisch, und untätig herumsitzen ist nicht Edith Koerbers Sache. „Ich habe gedacht: Okay, ein Schauspieler braucht auf der Bühne 25 Quadratmeter. Wir haben 100, also können vier Schauspieler proben.“ Eigentlich war das Stück „Tag der Frauen“, frei nach Goethes „Stella“, zur Aufführung im Schlosshof gedacht. Nun wurde es als Stream inszeniert. Glücklicherweise mussten die Liebesszenen nicht wegfallen – die beiden Schauspieler sind auch im echten Leben ein Paar. Im Sommer dann wurde das Stück Open Air im Hospitalhof gegeben. Auch literarische Spaziergänge standen auf dem Programm. „Die Silvia ist durch den Park gelaufen und hat Gedichte rezitiert.“ Silvia Passera ist eine der 15 Festangestellten der tribühne, vor Corona zählte das Haus inklusive Aushilfen 50 Mitarbeitende. Lange waren die Festangestellten nicht in Kurzarbeit, zu groß die Energie von Intendantin Koerber und ihrem Team. Die tri-bühne gehörte auch zu den 15 Stuttgarter Theatern, die sich in der Coronazeit zusammenschlossen und per Zoom im regelmäßigen Austausch miteinander waren. „Im Gegensatz zu den freien Theatern sind wir ganz gut abgesichert“, schätzt sich Edith Koerber glücklich. „Wir werden von Stadt und Land gefördert und wir haben sehr viele Spenden bekommen. Eine Zahnärztin hat zum Beispiel 500 Euro gespendet, andere, so viel sie konnten. Ich fand das richtig Klasse!“
Rückblickend sagt Edith Koerber: „Wir haben jetzt ein riesiges Repertoire, weil wir in den vergangenen zwei Jahren so viel gemacht haben wie noch nie. Das Positive ist, wir haben uns nicht unterkriegen lassen, wir haben weitergemacht. Das Stück, das wir jetzt hier im Biergarten spielen, ist unsere Antwort auf die Corona-Zeit. Unsere Aufgabe ist, Geschichten zu erzählen, wir vom Theater müssen doch zeigen, dass die Welt verändert werden muss.“
Dagmar Kötting
Zwei Jahre Ausnahmezustand – Theater Tredeschin
Für Michael Kunze vom Theater Tredeschin und sein Team waren die vergangenen beiden Corona-Jahre eine Herausforderung, wie er sie noch nie erlebt hat. Für 2020 war der Terminkalender voll gewesen: eine Tournee mit Jim Knopfs Abenteuern durch Stadtbüchereien war geplant gewesen, ein Märchenfestival in Böblingen und natürlich ein großes Jubiläumsprogramm zum 25-jährigen Bestehen des Tredeschin. „Und plötzlich Stillstand, alle Vorbereitungen für die Katz.“ Das Theater konnte von jetzt auf gleich seine freien Mitarbeiter nicht mehr bezahlen, jeder musste sich um sein eigenes finanzielles Überleben kümmern.
Auch ein anderes Tredeschin-Standbein brach weg: „Theaterkurse mit Kindern, mit Senioren und Laien, die sonst das Theaterleben bereichert haben, sind seit zwei Jahren nicht mehr möglich oder total eingeschränkt“, berichtet der Theatergründer. „Mit Maske ist eben keine Mimik möglich, Singen und Schreien, das manchmal nötig ist, geht auch nicht.“
Kunze ist dankbar dafür, das dann doch relativ schnell für die meisten Corona-Hilfen kamen, dass die treuen Tredeschin-Zuschauer das Theater durch Soli-Tickets unterstützten und dass das Kulturamt half, die Einbußen durch die weggefallenen Eintrittsgelder auszugleichen. Kunze: „Das war in manch anderen Städten nicht möglich.“
Die Kulturszene ist in den vergangenen beiden Jahren aber auch enger zusammengerückt. „In Stuttgart entstand nicht nur der Kultursommer auf dem Lukasplatz, auch die Solidargemeinschaft der Stuttgarter Theater hat sich gebildet und einiges bewirkt.“ Beim Kultursommer arbeitet das Tredeschin mit dem Theater La Lune und Dein Theater I Wortkino zusammen und zeigt Theaterstücke unter freiem Himmel vor der schönen Kulisse der Lukaskirche. Die organisatorischen Anforderungen durch die Pandemie-Regeln hätten das Tredeschin-Team oft an die Grenze des Leistbaren gebracht. „Ständige Umbesetzungen im Ensemble, Wegfall von Vorstellungen und der Aufwand für Abrechnungen verlangen alle Kraft und gehen oft auf Kosten der künstlerischen Arbeit und auf Dauer auch der Gesundheit,“ so Michael Kunze.
Für dieses Jahr 2022 ist Michael Kunze zuversichtlich, dass das Tredeschin ohne zusätzliche Finanzhilfen überstehen kann. Die Vorstellungen für Schulen und Kindergärten seien zwar nach wie vor unberechenbar, aber sonst sei das Theater fast immer – so weit eben nach den geltenden Regelungen möglich – voll ausgelastet. Der nächste Kultursommer auf dem Lukasplatz ist geplant, andere Termine gibt es im Blühenden Barock in Ludwigsburg, bei der Landesgartenschau in Eppingen, in Böblingen und im Zirkuszelt im Waldheim Wangen (www.tredeschin.de).
Hoffen auf die Schulen – Wilde Bühne e.V.
Die Wilde Bühne ist als „Soziokulturelles Forum für ehemalige Drogenabhängige“ nicht mit „normalen“ Theatern zu vergleichen. In dem bundesweit einmaligen Projekt werden ehemals abhängige Menschen künstlerisch und sozialpädagogisch gefördert, gemeinsam werden zum Beispiel durch Theateraufführungen Präventionsmaßnahmen gerade auch an Schulen durchgeführt. Beheimatet ist die Wilde Bühne im Kulturwerk im Kübler-Areal in Stuttgart-Ost. Die städtische Personalstellen-Förderung sei die Rettung des Projekts gewesen, sagt Meike Jauernig.
„Wir haben trotz allem versucht, Prävention zu machen, weil das unsere Aufgabe ist“, sagt die Sozialund Theaterpädagogin. Online seien dem allerdings Grenzen gesetzt. Die Darstellerinnen und Darsteller hätten Schulklassen zwar online ihre Biografien erzählen, aber eben nicht gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern Szenen spielen können. Das sei aber wesentlicher Teil dieser Arbeit. Mit Maske spielen sei auch schwierig, da fehle die ganze Mimik. Und einen richtigen Kontakt zu einem Maske tragenden Publikum – egal ob in Schulklassen oder im Kulturwerk – aufzubauen, sei auch kaum möglich. Am härtesten habe die Pandemie die Spielerinnen und Spieler getroffen, die sich selbstständig gemacht hätten und auf freiberuflicher Basis für die Wilde Bühne tätig seien. Einige davon hätten Hartz IV anmelden müssen. „Für die war es finanziell und emotional eine sehr sehr schwierige Zeit, wir hatten auch einzelne Rückfälle.“
Das Jahr 2022 lasse sich zwar schleppend an, sagt Meike Jauernig. Aber sie hofft darauf, dass sie bald wieder wie früher in die Schulen können, „dann finden etwa 70 Prozent der Dinge, die wir normalerweise machen, auch wieder statt". Das laufe gerade wieder an. Und jetzt sieht die Pädagogin eine der wichtigsten Aufgaben darin, die Menschen, die sich in den vergangenen beiden Jahren das Sich-Begegnen abgewöhnt haben, wieder dazu zu bringen, sich über direkte Begegnungen zu freuen (www.wilde-buehne.de).
Die Rückkehr der Begeisterung – Theater Atelier
Auch das Theater Atelier an der Stöckachstraße mit seinen 50 Zuschauerplätzen hat zwei harte Jahre hinter sich. Die Lockerungen im vergangenen Sommer fielen in die Jahreszeit, in der die Menschen nicht unbedingt ins Theater gehen. Und als auch im Theater Atelier mit reduzierter Zuschauerzahl wieder gespielt werden konnte, musste Vladislav Grakovski erleben, dass die Zuschauer nur sehr zögerlich zurückkehrten. Inzwischen sei das Theater wieder zu ungefähr 60 Prozent ausgelastet, erzählt der Regisseur und Theaterchef, der gebürtig aus Usbekistan ist und sich in den vergangenen Jahren mit seinem Theater Atelier in der Stuttgarter Kleintheaterszene etabliert hat.
„Wenn wir keine Förderung von der Stadt Stuttgart bekommen hätten, hätten wir Insolvenz anmelden müssen“, sagt Grakovski. „Wir konnten unsere Miete und unsere Nebenkosten zahlen, verdient haben wir nichts.“ Das Theater hat kein festes Ensemble, sondern arbeitet mit freiberuflichen Darstellerinnen und Darstellern. Die meisten davon hätten sich mit den Corona-Hilfen oder beispielsweise auch Tanz-oder Schauspiel-Unterricht über Wasser gehalten.
Außerdem unterstützten die Stammbesucher das Atelier-Team mit zahlreichen Spenden, vor allem im ersten Corona-Jahr. „Manchmal habe ich sogar in unserem Briefkasten einfach einen Umschlag mit Geldscheinen gefunden, keine Ahnung von wem“, erzählt der Theatermann. „Da lag dann ein Zettel dabei, auf dem stand: Bitte gebt nicht auf.“
Seit Anfang des Jahres geht es im Theater Atelier Stück für Stück aufwärts. „Am Anfang, im Januar, haben die Zuschauer aber noch ganz anders reagiert als früher“, hat Grakovski festgestellt. „Sie waren viel zurückhaltender. Erst seit zwei oder drei Wochen ist wieder ein bisschen mehr von der Atmosphäre der Vor-Corona-Zeit in den Saal zurückgekehrt, es ist wieder fröhlicher, begeisterter.“
Jürgen Brand