... mehrere Verleih-, Test- und Kursangebote für SUP gibt.
Auch für mich eine Gelegenheit, mal vor einer ganz anderen Kulisse als üblich paddeln zu gehen. Hier, an der Verleih-Station unweit der Gerber Mühle im Borussia Rudererdorf, kann ich direkt auf die Skyline Frankfurts schauen.
Vor dem schwarzen MAIN-SUP-Hänger, der auf dem großen Parkplatz direkt am Main steht, sind bunte Liegestühle aufgestellt. Daneben liegen zahlreiche SUP-Boards in den unterschiedlichsten Größen und Formen. Dahinter stehen mehrere Ständer mit Schwimmwesten und zwei Tonnen mit längenverstellbaren Paddeln. Aus den großen Lautsprechern erklingt schwungvolle Surfer-Musik. Es herrscht bereits ein reges Treiben. Nicht nur Robert, Gerd und ich wollen diesen herrlichen Tag für eine SUP-Tour mit Großstadtfeeling nutzen.
EIN BOARD FÜR DIE GROSSFAMILIE
Doch bevor wir so richtig loslegen können, brauchen Gerd und ich ein großes Board, auf dem wir gemeinsam mit unseren beiden Hunden Platz finden. Denn Gerd hat erstens starke Hüftprobleme, die das Balancieren auf einem schmalen Ein-Personen-Board schwierig machen. Zweitens sind wir mit voller Kamera-Ausrüstung ausgestattet. Gleichzeitig filmen, fotografieren, paddeln, steuern, die Hunde dirigieren und die Vorfahrtsregeln der Bundeswasserstraße beachten – das würde sich etwas schwierig gestalten. Da ist es vorteilhaft, zu zweit beziehungsweise in diesem Fall sogar zu viert auf einem Board unterwegs zu sein und sich mit den verschiedenen Aufgaben abzuwechseln. »Mal schauen, ob noch ein Vier-Mann-Board frei ist. Das wäre heute optimal für uns«, überlegt Gerd.
DICKSCHIFFE
Wer meint, SUP-Boards gebe es nur für eine Person oder maximal für zwei, und die ganzen Bretter seien alle zumindest halbwegs schlank und schnittig, der irrt. Neben den Sportwagen existieren nämlich auch Kleinbusse, sogenannte Big SUPs oder XXL SUP Boards. Auf diesen deutlich über fünf Meter langen und reichlich breiten »Dickschiffen« finden ganze Familien Platz, teilweise bis zu zehn Leute mit Sinn für Geselligkeit – wobei die Personenzahl durch das maximale Gewicht der auf dem Board versammelten Paddler begrenzt wird.
Beim Kauf eines solchen »Inflatable-Floßes« sollte man auf folgendes achten: voraussichtliche Personenzahl, maximale Traglast, Maße, Lieferumfang, Ausstattung, Packmaß und Qualität der Ventile (hier muss reichlich Luft rein und wieder raus). Aber, ganz ehrlich: Wer vorhat, den SUP-Sport einigermaßen ambitioniert zu betreiben, sollte den Kauf eines Einer-Boards nur für sich bevorzugen – und auch den anderen Familienmitgliedern oder Mitpaddlern macht es auf die Dauer sicher mehr Spaß, auf einem eigenen Brett zu stehen.
Der Chef der SUP-Station ist gerade in einem Gespräch mit einer Kundengruppe. Eine Großfamilie, bestehend aus Oma und Opa, Kindern und Enkelkindern, möchte samt Picknick-Ausrüstung einen SUP-Ausflug machen. »Also, ich würde ja am liebsten einfach nur im Liegestuhl liegen und kutschiert werden«, erklärt die stilvoll gekleidete ältere Dame, die vermutlich die Großmutter der zwei kleinen fitten Jungs ist, die bereits stolz ihre Schwimmwesten überstreifen. »Kein Problem«, antwortet der Verleiher lächelnd, »wir haben für jeden Wunsch das passende Equipment parat. Ich empfehle Ihnen unser XXL-Board für zehn Personen. Das ist kippstabil und bietet genug Platz für einen Liegestuhl. Für die Kids ist das auch praktisch. Die können sich dann zwischendurch ausruhen und in der Mitte hinsetzen.« Erstaunt und begeistert blickt ihn die Gruppe an. »Das hört sich nach dem perfekten Board für uns an!«, stellt der braungebrannte Familienvater fest. Die anderen nicken zustimmend. Mit vereinten Kräften tragen sie das über fünf Meter lange und fast zwei Meter breite Board hinunter ans Wasser. Mittig vorne im Bugbereich wird ein komfortabler kleiner Klappliegestuhl aufgestellt. »Wunderbar! So habe ich mir das vorgestellt«, erklärt die ältere Dame nach dem ersten Probesitzen und will gar nicht mehr aufstehen. Der Rest der Clique verstaut die Picknick-Utensilien an Bord und bekommt eine kurze Paddel-Unterweisung. Es scheinen jedoch keine Paddel- beziehungsweise SUP-Anfänger zu sein, so dass sie schon bald nur noch von hinten zu sehen sind, vor der glitzernden Fassade der Europäischen Zentralbank. Die Kids liefern sich lachend eine Wasserschlacht, während die Erwachsenen gemütlich der Frankfurter City entgegenpaddeln.
FRITTIERTE SONNENSTRAHLEN
Eine Viertelstunde später sind auch wir endlich auf dem Wasser, unter unseren Füßen ein Vier-Mann-SUP-Board. »Jetzt haben wir aber ein echtes Dickschiff«, stelle ich lachend fest. Meine Hündin Luzy und ich sind unser verhältnismäßig schmales und kleines Trekking-SUP-Board gewohnt, auf dem wir in den vergangenen zwei Jahren über 1000 Kilometer mit vollem Zeltgepäck zurückgelegt haben. Im Gegensatz dazu ist das heute der reinste Spaziergang.
Mittlerweile hat es auch Robert in die aufrechte Standup-Haltung geschafft. Das Ganze sieht zwar noch etwas wackelig aus, aber sein Gesicht strahlt schon jetzt vor Stolz. In gemütlichem Tempo paddeln wir flussabwärts in Richtung auf das Museumsufer.
»Mmh, hier riecht es aber gut nach Essen«, meint Gerd, als wir unter dem Eisernen Steg hindurch paddeln. Auch mir knurrt der Magen. »Ich glaube, das kommt von dem Restaurant-Boot dort«, sage ich und zeige mit dem Finger auf ein flaches Schiff, das links von uns am Kai liegt. Auf der Terrasse stehen weiß eingedeckte Tische und Stühle. Noch sind keine Gäste an Bord, doch zwei Kellner wuseln bereits geschäftig hin und her. Als der eine von ihnen sieht, dass wir interessiert zu ihm herüberschauen, winkt er uns freundlich zu und ruft: »Wollt ihr ein Bier oder ‘ne Pommes haben?« Erstaunt schauen wir drei uns an und rufen dann wie aus einem Mund: »Na klar!« »Dann kommt mal ran, wir haben hier extra eine Anlegestelle für SUPs«, erklärt der braungebrannte Herr und dirigiert uns mit Handzeichen seitlich des großen Kahns an eine Art Holzsteg. Dort gibt es sogar Seile zum Befestigen der Boards, so dass sie nicht weg schwimmen können, während man sein kulinarisches Päuschen einlegt. Wir ziehen es jedoch vor, bei den Boards zu bleiben, statt uns an einen der Tische zu setzen. »Kein Problem, dann bringe ich euch die Sachen hierher«, meint der nette Herr und verschwindet. Wir nutzen die Zeit für ein kleines Foto-Shooting mit dem Eisernen Steg und der Skyline im Hintergrund. Doch es dauert nicht lange, da kommt der Kellner mit einem Tablett voll Pommes und kalten Getränken zurück. Wir bezahlen sogleich und widmen uns dann den Snacks. »Hach, was ist das fein, das erste Mal auf dem SUP-Board und dann auch noch frittierte Sonnenstrahlen zum Essen«, freut sich Robert über seine Pommes und die heutigen Erlebnisse.
INFO FRANKFURT/MAIN
Verkehrsregeln: Der Main ist eine Bundes-Wasser-Straße, auf der Vorfahrtsregeln zu beachten sind. SUP-Paddeln und Kanufahren sind mit Schwimmweste erlaubt, solange man der Großschifffahrt und den Sportboot-Fahrern nicht in die Quere kommt.
Ein-/Ausstieg: Eine gute Ein- und Ausstiegsstelle für SUP-Touren durch die Frankfurter City ist das Borussia Rudererdorf am Mainwasenweg, direkt am Main mit großem Parkplatz.
Von hier aus kann man auch an geführten SUP-Touren oder Kursen teilnehmen. Allerdings ist der Parkplatz in den Sommermonaten oft relativ voll, so dass ein zeitiger Start zu empfehlen ist.
Anreise mit ÖPNV: Verzichtet man auf eigenes Material, kann man mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen und sich vor Ort die Ausrüstung leihen. Man erreicht die genannte Einsatzstelle, indem man mit der Buslinie 46 bis zur Haltestelle »Rudererdorf«, mit der U6 zum Ostbahnhof (Fußweg etwa 15 Minuten über die Honsellbrücke) oder mit der Buslinie 31 bis zur Haltestelle »Staustufe Ost« (Fußweg etwa zehn Minuten über die Schleusenbrücke) fährt.
Kurse, Touren, Verleih: www.main-sup.de
Dass das noch nicht alles war, ahnt er im Moment nicht.
VOLLBAD IN DEN WELLEN
Gut gestärkt ziehen wir noch ein Stück weiter mainabwärts und saugen das Großstadtfeeling in uns auf. Doch bald darauf mahnt Gerd zur Rückkehr. »Jetzt schon? Wo ich doch gerade erst so richtig in Fahrt komme?«, wendet Robert halb enttäuscht, halb euphorisch ein. »Jetzt werd’ mal nicht übermütig, du wirst garantiert ordentlich Muskelkater bekommen«, prophezeit ihm Gerd.
Schulterzuckend wendet Robert sein Board.
Kurze Zeit später vernehme ich ein lauter werdendes Brummen hinter uns. Ein Blick über die Schulter zeigt, dass sich ein großes Passagierschiff von hinten nähert. Gleichzeitig kommt von vorne ein kleines Sportmotorboot. »Lasst uns mal mehr Richtung Ufer paddeln, damit wir keinem im Weg sind«, sage ich zu den anderen und füge zu Robert gewandt hinzu: »Knie dich lieber hin, Wellen von vorne und von hinten, das kann etwas wackelig werden.« Doch Robert will die Wellen unbedingt im Stehen nehmen. Also sieht er den herannahenden Wellen des Sportboots mit Entschlossenheit entgegen. Als die ersten Wellen die Spitze seines Boards anheben, geht er in die Knie und federt die Stöße gekonnt ab. Doch dann zieht das Ausflugsschiff an uns vorüber, und von hinten nähern sich die nächsten, deutlich größeren Wogen. Robert ist noch so damit beschäftigt, die richtige Haltung beizubehalten, dass er das Ausflugsschiff scheinbar vergessen hat. Kaum erfasst die erste große Welle sein Board, rudert er wild mit den Armen und verliert sein Gleichgewicht. Der Länge nach fällt er ins Wasser.
Prustend taucht er wieder auf und fängt an zu lachen. »Man muss eben alles mal erlebt haben«, nimmt Robert seine Schwimmeinlage gelassen hin. Klitschnass klettert er wieder aufs Board, zieht sein T-Shirt zurecht und steht auf.
Die verbleibende Strecke bis zur Ausstiegsstelle am Rudererdorf legen wir ohne Pannen zurück. Mit vereinten Kräften heben wir die Boards aus dem Wasser und bedanken uns beim Verleiher. Es kommt nicht oft vor, dass wir mit geliehenem Material paddeln, doch heute kam uns die Gelegenheit gerade recht. Es ist jedoch auch kein Problem, die gleiche Tour mit eigenen Boards zu machen. »Sag‘ mal, hast du eigentlich noch was Trockenes zum Anziehen?«, frage ich Robert, der mit dem Zug aus Gießen hergekommen ist und auf diesem Weg auch die Heimfahrt plant. »Öh, nee, nur einen Pulli«, brummelt er, und Gerd bietet ihm ein trockenes Handtuch aus seinem Kofferraum an. »Perfekt«, freut sich Robert, klatscht in die Hände und läuft mit leuchtend buntem Lendenschurz Richtung Bahnhof. Ein Bild für die Götter.
SAMIRA KASSEL