... gut in Form, oder ist Marc der einzige LICHTe-BLICK?
Zunächst klären wir eine wichtige Frage: Warum haben wir den A6 erst bei Kilometerstand 117 893 zerlegt? Ist ganz einfach: Im März, nach genau 100 000 Kilometern, wollte Audi den Wagen noch gar nicht zurückhaben, Werkstatt wegen Corona im Notbetrieb, außerdem: „Läuft doch, fahrt weiter!“ So was kann nur anordnen, wer überzeugt ist von seiner Qualität.
Wir wollen Sie gar nicht länger auf die Folter spannen, die Überschrift sagt schon alles. Ab sofort gilt: Solide Kombis heißen Avant, Note 1 mit zwei Strafpunkten bedeutet Platz zwei hinterm Audi A3 mit ’ner 1+. Aber bevor sich die Audianer jetzt ein Weißbier einschenken, müssen wir reden.
! Dieser Avant war so haltbar, den wollte Audi nach 100 000 km gar nicht zurückhaben
DIESER A6 IST AUCH TECHNISCH EIN GENUSS
1. DIE SITZE sind wie gemacht für die Langstrecke. Auch nach über 100 000 Kilometern sind sie optisch und technisch noch bestens in Schuss, ohne Komforteinbußen.
2. DIE MEHRLENKERACHSEN sind technisch aufwendig. Vorn und hinten zeigen sich keine Auffälligkeiten. Gummis, Lager und Gelenke sind in Ordnung.
3. DAS GETRIEBE nervte bisweilen mit einer Anfahrschwäche, doch technisch gibt es nichts zu kritisieren – auch nach sehr genauer Inspektion nicht.
4. DER MOTOR zeigt sich von seiner besten Seite. Die Vermessung durch den DEKRA-Sachverständigen ergibt: maßhaltig, ohne messbaren Verschleiß.
5. DIE ANSAUGBRÜCKE mit integriertem Ladeluftkühler zeigt für einen modernen Diesel mit Abgasrückführung ungewöhnlich wenig Ölkohle- Ablagerungen.
6. DIE ABGASANLAGE ist aufwendig konstruiert und zeigt keine Undichtigkeiten oder gar Ansätze von Korrosion. Filter, Katalysatoren und Schalldämpfer sind noch in bestem Zustand.
DAS FIEL UNS AUF
Zuerst über den Preis. Basis Ja, Audi, lasst uns weiterreden. 54 600 Euro; mit Navi und Headup-Display, Alcantarasitzen, Anten. Da müsst ihr noch mal Auch über den Spurhalteassisten- ran, hängerkupplung, Akustikverglasung vorn und an den Seiten, mit 19-Zoll-Alus und 245er-Reifen und ein bisschen mehr Chichi standen 76 915 Euro auf der Rechnung. Und Redakteur Malte Büttner schrieb nach 3000 Kilometern ins Fahrtenbuch: „Bei so viel Geld hätte ich mir eine elektrische Sitzverstellung mit Memory-Funktion gewünscht, die Rückenlehne lässt sich nur schwer verstellen.“
Ja, Audi, lasst uns weiterreden. Auch über den Spurhalteassistenten. Da müsst ihr noch mal ran, das Ding meldete sich bei jeder Gelegenheit mit nervigen Lenkimpulsen, manchmal sehr gefährlich. Kann man im Fahrtenbuch nachlesen. Redakteur Jan Horn: „Der schlechteste Spurhalte-Assi der Welt!“ Reifentester Henning Klipp: „Schalte ich vor jeder Fahrt aus.“ Klassik-Autor Martin Puthz: „Der Spurhalte-Assi nervt, was aber weniger an ihm selbst liegt als an der üppigen Fahrzeugbreite, die das Schiff quasi in Dauerkontakt mit irgendwelchen Fahrbahnmarkierungen bringt.“
Ja, Audi, lasst uns auch über einen dritten Punkt reden: die Anfahrschwäche des Zweiliter-TDI, der seine Kraft über ein Doppelkupplungsgetriebe an die Vorderräder verteilt. „Bis die Kurbel welle in Wallung gerät, vergeht einfach zu viel Zeit. Ob uns Audi da wohl noch ein Update bescheren wird?“, notierte Redakteur Stefan Novitski ins Fahrtenbuch. Und noch mal Kollege Klipp: „Der Vierzylinder hat bärig viel Kraft, spricht aber verzögert an und hat wenig Drehfreude.“ Sieht auch Kollege Puthz so: „Eine S tronic ist immer noch keine Wandlerautomatik, vor allem, wenn es darum geht, die Anfahrschwäche zu überspielen.“
TECHNISCHE DATEN
Motor Vierzylinder, Turbo, vorn längs Hubraum 1968 cm 3 • Leistung 150 kW (204 PS) bei 3750/min • max. Drehmoment 400 Nm bei 1750/min Antrieb Vorderradantrieb/Siebengang-DCT Leergewicht 1785 kg Zuladung 545 kg • Kofferraum 656–1680 l • Höchstgeschwindigkeit 241 km/h • Verbrauch* 5,9 l D/ 100 km • Abgas* CO 2 157 g/km
* Kombiniert nach WLTP
KOSTEN
MESSWERTE
Haben Sie was gemerkt? Das war zwar Kritik, aber das war Meckern auf höchstem Niveau. Oder anders: Suchen Sie in der Dauertest-Tabelle ganz rechts doch mal nach den beiden Konkurrenten Mercedes E-Klasse und BMW 5er, dann wissen Sie Bescheid.
Lassen Sie uns lieber noch ein bisschen Bilanz ziehen. Wir haben über die gesamte Teststrecke 8540 Liter Diesel getankt, macht einen Verbrauch von 7,4 Litern, wobei das meiste davon Autobahntempo war. Auf unserer letzten Verbrauchsrunde haben wir 6,9 Liter benötigt, jeweils ein Drittel Stadt, Land und Autobahn; ein Liter weniger als bei der Eingangsmessung. Alle 900 Kilometer schlabberte der A6 einen Liter AdBlue für die Abgasreinigung weg, vier Liter Öl aus dem Reservekanister sind für die Mammutdistanz akzeptabel.
Jetzt, da sich die Audianer ob der Plätze eins und zwei im Dauertest vielleicht doch schon mal ein Weißbier eingeschenkt haben, müssen wir ein Loblied auf den A6 Avant anstimmen. Mit seiner Zerlegung verlieren wir eines der besten Reiseautos. Warum? Weil er dich von der Außenwelt abkoppelt. Akustikglas vorn und seitlich macht sich eben doch bemerkbar, die Sitze sind, erst mal richtig und händisch eingestellt, eine Wohltat für den Rücken, die Inneneinrichtung ist geschmackvoll, weil sie sich jedes Neureichen-Bling-Bling verkneift. Und so segelst du dank Verstellfahrwerk g eschmeidig über die Piste, und du merkst erst, dass schon wieder 1000 Kilometer rum sind, wenn sich die Reichweitenwarnung meldet.
Ach, und übrigens: So ein dreijähriger A6 Avant mit 120 000 Kilometern kostet aus erster Vertreterhand etwas mehr als 30 000 Euro. Vielleicht suchen Sie nach einem ohne Spurhalte-Assi.