... minimalistisch produzierten Tracks entfalten sich meist ebenso minimalistische Videos, mal als knetgummianimierte Short-Storys, mal als synästhetisches Wechselspiel zwischen Schallwellen und Naturelementen, dann wieder als geloopte und von visuellen Störungen durchzogene Bildsequenzen. Im Fall von „Darkness“ zeichnet dafür der Fotograf und Filmemacher Christian Kantuzer verantwortlich. Zu sehen sind unter anderem farblich verfremdete und von pulsierenden Artefakten überlagerte Bilder des Hamburger Container-Hafens und von einer Fahrt durch den alten Elbtunnel. Die Sound-Video- Collagen haben Sogwirkung; insbesondere, und das ist eine weitere MASCHERA-Ebene, in der elektronischen Remix-Version des Hamburger Musikers und Produzenten Dirk Wagner alias Dirty Dirk.
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„In den Achtziger- und Neunzigerjahren habe ich in verschiedenen Bands gespielt, und als im Lockdown Aufträge wegbrachen und Veranstaltungen gestrichen wurden, habe ich mir gedacht: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um an diese Phase anzuknüpfen“, sagt Peschke.
Der 50-Jährige kaufte sich zunächst ein digitales Aufnahmegerät, fand sich nicht sofort zurecht und legte sich daraufhin ein altes Tascam-4-Spurgerät aus den Achtzigern zu, das die Aufnahmen auf Kassette aufzeichnet. „Das war einfach meiner Bequemlichkeit geschuldet und dem Drang, jetzt einfach mal loszulegen, ohne lange technische Einarbeitung. De facto entfaltet dieses analoge Aufnahmeverfahren aber natürlich eine eigene Soundästhetik, die mir gut gefällt und zu meinen Songs passt“, sagt Peschke, der alle Elemente einspielt und einsingt, mit dem Casiotone, Gitarre, Bass, ein paar Effektgeräten und einem Mikrofon. Ebenfalls passgenau ist der Name des analogen Wohnzimmer-Recording-Projekts: „MASCHERA“ ist auch der Name einer von Peschkes Fotoserien, die zwar digital entstanden ist, aber mit dem Nimbus des fotografischen Negativs spielt – und mit dem Enthüllen und Verstecken (maschera: ital. für Maske).
„Ich habe im Frühjahr letzten Jahres zunächst spielerisch angefangen, nur so für mich. Dann aber war ich so angetan vom Prozess und dem Ergebnis, dass ich nach ein paar Aufnahmen dachte: Damit könnte ich auch an die Öffentlichkeit gehen“, erinnert sich Peschke. Es sei in einen regelrechten Flow geraten, viele der Takes seien in Serie ent-standen, manche an einem einzigen Nachmittag. Musikalisch bewegt er sich dabei irgendwo „zwischen rumpeligem Uptempo-Lo-Fi-Experimenten mit Dub-Echos, Disco-Casiotone-Beats, New-Wave-Bass- Linien und elektronischen Krautrock-Minimalismen“, sagt Peschke, und tatsächlich erinnert uns manches an den Dunkel-Sound der 80er, anderes an innovative Krautrocker wie Neu!, Can oder an die vertrackten Klangschleifen der Postrock-Band The Notwist.
Fast forward
Bald schon sei ihm klar gewesen, dass seine Songs vor allem als Musikvideos funktionieren würden. „Also habe ich befreundete Videokünstler angesprochen, erstens weil ich mich selbst nicht besonders gut mit Videoproduktionen auskannte und zweitens weil ich bewusst offene, interaktive Kunstwerke schaffen wollte“, sagt Peschke, der den Videokünstlern thematisch wie stilistisch freie Hand ließ.
Die Ergebnisse: entsprechend vielgestaltig. Im Video zum MASCHERA-Stück „It’s My Treat“ etwa nutzt der Kameramann und Videograf Henrik Eichmann Found- Footage-Filmmaterial und lässt Atompilze, traurige Clowns, stürzende Skateboard-Fahrer und rollschuhfahrende Schimpansen aufeinandertreffen. Die Videografin Elisabeth Peukert wiederum lässt Sand, Wasser und Pflanzen auf meditative Weise im Beat der Musik schwingen. Und die Filmemacherin Sylvie Hohlbaum hat ein virtuoses Knet-Animationsvideo zu MASCHERAs kontemplativen „December Song“ geschaffen. Inzwischen haben Radio-DJs einige der Stücke gesendet, ein Video war in der 3sat-Kulturzeit zu sehen, weitere im Rahmen eines Festivals des Künstlerkollektivs „Monaden“ in Würzburg.
Autoreverse & fade out
Das MASCHERA-Projekt ist damit noch lange nicht zu Ende. Auf der Agenda stehen weitere Remixes von Dirty Dirk. Darüber hinaus suchen Peschke und seine Mitstreiter nach einem Label und damit nach einem handfesten Vertriebskanal, weitere Ausstellungen sind geplant. „Wir sind noch am Anfang“, sagt Peschke, „das kann sich auf verschiedensten Ebenen weiterentwickeln, das ist ja das Spannende an einem richtigen Gemeinschaftsprojekt.“
Zu Ende geht, wie jedes Mixtape irgendwann, dafür jetzt dieser Text, und zwar mit einem dadaesken Textschnipsel aus „After this darkness“, und der klingt wie folgt: „What is this song really about? Fade out, fade out, fade out …“
ÜBER DAS KUNSTPROJEKT
MASCHERA ist ein musikalisch-visuelles Kunstprojekt von Marc Peschke (MASCHERA), Henrik Eichmann (Wiesbaden), Elisabeth Peukert (Neumarkt), Sylvie Hohlbaum (Hamburg), Simon Fluck (Berlin), Silvia Philipp (Europa), Christian Kantuzer (Köln), Dirk Wagner (Hamburg) und weiteren Künstlern und Künstlerinnen.
Hier eine kleine Video-Auswahl: MASCHERA & DIRTY DIRK (Sound) & CHRISTIAN KANTUZER (Video): „AFTER THIS DARKNESS“
www.youtube.com/watch?v=ZhGHkC6hAQ0
MARC PESCHKE / MASCHERA (Sound), MELANIE PESCHKE (Lyrics) & SYLVIE HOHLBAUM (Video): „DECEMBER SONG“
www.youtube.com/watch?v=FF7sYwYgHBk
MARC PESCHKE / MASCHERA (Sound) & HENRIK EICHMANN (Video): „IT‘S MY TREAT“
www.youtube.com/watch?v=mnF9C-tYsDY
MARC PESCHKE / MASCHERA (Sound) & ELISABETH PEUKERT (Video): „BLUE BIRDS“
www.youtube.com/watch?v=XQ4HIUqu7hE