... bestehend aus einem einfachen Murmelspiel – ist heute Bestandteil eines professionellen Money-Managements. Der Autor dieses Beitrags hat es auf seinen Tradingseminaren mit den Teilnehmern durchgespielt. Die Resultate waren nahezu immer die gleichen: Kaum ein Teilnehmer war in der Lage, bei einem Spiel mit positivem Erwartungswert sein Startkapital zu vermehren.
Im weiteren Verlauf dieses Beitrags werden wir die Grundlagen dieses Spiels erläutern. Ebenso werden wir anhand von Beispielen – Ergebnisse bereits durchgeführter Spiele – die Resultate vergleichen und auf die wesentlichen Parameter des Spiels eingehen.
Grundlagen des Spiels
Das Spiel besteht darin, aus einem Behälter verschiedenfarbige Murmeln zu ziehen. Dabei wird vor dem Spiel genau festgelegt, wie viele Murmeln von jeder Farbe in den Behälter gelegt werden. Ebenso wird jeder Farbe eine bestimmte Gewinnhöhe zugeordnet. Die Spieler wetten somit auf das Ziehen einer bestimmten Farbe. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, eine bestimmte Farbe zu ziehen, im Voraus festgelegt und den Spielern bekannt. Dies steht im Gegensatz zum realen Trading mit Finanzinstrumenten, wo Gewinnwahrscheinlichkeit und Erwartungswert nicht vorher bekannt sind.
„Kaum ein Teilnehmer war in der Lage, bei einem Spiel mit positivem Erwartungswert sein Startkapital zu vermehren.“
Vor dem ersten Zug legt jeder Spieler seinen Einsatz fest. Wird anschließend die Murmel einer bestimmten Farbe aus dem Behälter gezogen, gewinnt beziehungsweise verliert der Spieler den dieser Farbe zugeordneten Betrag. Anschließend wird die gezogene Murmel wieder in den Behälter gelegt. Auch Karten können zur Durchführung dieses Spiels eingesetzt werden.
Spieler einen Betrag in der Höhe seines Einsatzes. Eine grüne Kugel bedeutet den fünffachen Gewinn, die weiße bringt den zehnfachen Gewinn des Einsatzes. Die Verliererkugeln sind demzufolge die roten mit einem Verlust in Höhe des eingesetzten Betrags und die gelben mit einer Verlustzuweisung in fünffacher Einsatzhöhe.
Es ist leicht zu erkennen, dass dieses Spiel nahezu symmetrische Gewinn- und Verlustcharakteristiken hat.
Erwartungswert
Der Erwartungswert gibt an, welcher Gewinn durchschnittlich pro riskierter Geldeinheit wahrscheinlich ist. Im vorliegenden Spiel steht der Erwartungswert vor Spielbeginn fest.
Im folgenden Beispiel wurden insgesamt fünf verschiedenfarbige Murmeln mit unterschiedlicher Auszahlungscharakteristik gewählt: zehn blaue, zwei grüne, zehn rote, zwei gelbe und eine weiße. Insgesamt gibt es somit 25 Kugeln. Wird eine blaue gezogen, gewinnt der Für eine Asymmetrie in Richtung eines positiven Erwartungswertes sorgt die weiße Kugel.
Mit den vorliegenden Daten sind wir in der Lage, den Erwartungswert des Spiels auszurechnen. Dazu werden die Gewinnwahrscheinlichkeiten mit den durchschnittlichen Gewinnen multipliziert und davon die mit den durchschnittlichen Verlusten multiplizierten Verlustwahrscheinlichkeiten abgezogen. Insgesamt ergibt sich für das vorliegende Spiel ein Erwartungswert von 0,40 (Tabelle 1). Das bedeutet, dass man im Durchschnitt pro riskierter Geldeinheit 0,40 Geldeinheiten als Gewinn erwarten kann. Bei dem vorliegenden Spiel ist es beachtenswert, dass der positive Erwartungswert lediglich durch das mit einer Wahrscheinlichkeit von vier Prozent auftretende Ereignis eines zehnfachen Gewinns erreicht wird. Das heißt im Umkehrschluss, dass man vor Transaktionskosten in 96 Prozent der Fälle ein ausgeglichenes Ergebnis erzielt und der Erfolg lediglich von vier Prozent der auftretenden Ereignisse abhängt.
Die Trefferquote (Wahrscheinlichkeit eines Gewinns) liegt mit etwa 51 Prozent auch nur leicht über Pari. Ein hoher positiver Erwartungswert hängt also nicht unbedingt von der Anzahl gewinnbringender Entscheidungen ab.
Diese Erkenntnis deckt sich auch mit der Erfahrung aus dem Bereich des Tradings. Der Gesamtgewinn eines Portfolios wird in der Regel mit den überproportionalen Gewinnen eines kleinen Prozentsatzes von Trades generiert. Die vielen Trades, die per Saldo lediglich ein ausgeglichenes Ergebnis hervorbringen, werden also benötigt, um die paar großen Gewinner einzufangen.
Praktisches Beispiel
In Bild 1 ist der Verlauf eines Murmelspiels mit den beschriebenen Parametern dargestellt. Die Balken zeigen die Einzelergebnisse, die durchgezogene Linie stellt das kumulierte Ergebnis dar. Von den insgesamt 99 Einzelergebnissen weisen drei einen zehnfachen Gewinn, neun einen fünffachen und 36 einen einfachen Gewinn aus. Auf der Verlustseite ergeben sich 40-mal ein einfacher und elfmal ein fünffacher Verlust.
Aus diesen tatsächlich erspielten Werten resultiert mit 0,16 ein tatsächliches Ergebnis, das mehr als die Hälfte unter dem theoretischen Erwartungswert liegt. Das zeigt, dass es bei 99 Ziehungen immer noch zu deutlichen Abweichungen von der Theorie kommen kann. Aber immerhin: Das Ergebnis des Spiels war positiv. Die Ergebniskurve kann insgesamt in drei Abschnitte eingeteilt werden: Das erste Drittel ist geprägt durch eine Seitwärtsbewegung, die durch einen kurzen, aber heftigen Anstieg abgeschlossen wird. Das zweite Drittel besteht aus einem Abwärtstrend, das letzte aus einem Aufwärtstrend.
Betrachtet man die Folgen gleich gerichteter Ergebnisse – Verlust nach einem Verlust beziehungsweise Gewinn nach einem Gewinn –, so erkennt man zwei Serien mit sechs beziehungsweise sieben Verlusten in Folge. Das entspricht annähernd der theoretischen Wahrscheinlichkeit von zirka zwei Prozent.
Spielregeln und Ergebnisse
Die Spielregeln des Spiels sind sehr einfach und können durch unzählige Variationen den eigenen Zielen angepasst werden. Jeder Spieler erhielt im vorliegenden Fall ein Startkapital von 100.000 US-Dollar. Der Einsatz jeder Wette musste vor dem Ziehen einer Murmel festgelegt werden. Eine Ober-beziehungsweise Untergrenze gab es nicht.
Gewinner ist am Ende natürlich derjenige Spieler, der das meiste Kapital hat. Wir möchten an dieser Stelle darauf verzichten, die vielfältigen individuellen Einsatzfolgen der Spieler aufzuführen, die das Spiel mit Verlust abgeschlossen haben. Ihr häufigster Fehler bestand darin, dass sie während des langen Abwärtstrends im zweiten Drittel irgendwann anfingen, zu hohe Beträge zu setzen.
Das ist der elementarste Fehler, der auch im realen Trading immer wieder gemacht wird: Nach Verlusten wird das Risiko überproportional erhöht, um sie wieder auszugleichen. Das widerspricht dem Erfolgsprinzip, in Verlustphasen das Risiko sukzessive zurückzufahren, bis wieder Gewinne erwirtschaftet werden. Unabhängig davon, nach welcher Methode die Höhe des Einsatzes bestimmt wird, gibt es bestimmte Grenzen, die eingehalten werden müssen, um auf Dauer erfolgreich zu sein.
In Bild 2 sind verschiedene Risikostufen des Wetteinsatzes in Bild 1 dargestellt. Die verschiedenfarbigen durchgezogenen Linien stellen Einsätze pro Durchgang in Höhe von einem, zwei, vier und acht Prozent dar. Als Balkenchart ist das kumulierte Spielergebnis in Punkten (rechte Skala) dargestellt.
„Man braucht nicht unbedingt eine hohe Trefferquote bei seinen Trades, um hohe Gewinne zu erwirtschaften.“
Es ist deutlich zu erkennen, dass bei höheren Einsätzen pro Durchgang in Drawdown-Phasen konsequenterweise auch höhere Verluste eingefahren werden. Dafür sind die Gewinne in den entsprechenden Aufwärtsphasen auch deutlich höher.
Das Dilemma der ganzen Geschichte ist nun allerdings, dass im Voraus nicht bekannt ist, wann eine Drawdownund wann eine Gewinnphase beginnt. Offensichtlich wird aber in den Drawdown-Phasen bei zu hohem Risiko pro Trade der Verlust so hoch, dass die Chance, sein Startkapital wieder zu erreichen, sehr klein ist.
Das ist bei einem Risiko von acht Prozent pro Trade mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit der Fall (siehe auch die unterste Kurve in Bild 2). Auch bei einem Risiko von nur vier Prozent ist der Drawdown mit rund 67 Prozent noch unvertretbar hoch. Ein guter Kompromiss scheint offensichtlich der Bereich um zwei Prozent Risikopro Trade zu sein. Hier kann man auch bei ungünstigen Kursverläufen den Drawdown in einem Rahmen halten (im vorliegenden Fall bei zirka 35 Prozent), der in der nächsten Aufwärtsphase wieder gute Gewinne ermöglicht.
Zusammenfassung und Ausblick
Im vorliegenden Beitrag wurde eine Möglichkeit vorgestellt, mit der der Leser in spielerischer Form den Einsatz von Money-Management üben kann. Es wurde gezeigt, dass es bestimmte Einsatzgrenzen gibt, die nicht überschritten werden sollten. Das vorgestellte Spiel eignetsich sehr gut zu Übungs- und Demonstrationszwecken in Gruppen. Es bietet die Möglichkeit, hinter die Geheimnisse des Tradings zu kommen, ohne reales Geld einsetzen zu müssen.
Ein weiterer Vorteil dieses Spiels besteht darin, dass nahezu jeder Erwartungswert vorher definiert und durch die entsprechende Murmelauswahl realisiert werden kann. So kann zum Beispiel ein hoher Erwartungswert durch eine niedrige Gewinnwahrscheinlichkeit und ein entsprechend positives Auszahlungsprofil dargestellt werden.
Exemplarisch zeigt Tabelle 2 ein Beispiel für eine solche Kombination. Darin ist die Konstellation von Gewinnwahrscheinlichkeit und Auszahlungsprofil so angesetzt, dass trotz einer geringen Gewinnwahrscheinlichkeit von 36 Prozent der Erwartungswert bei 0,78 liegt.Im Klartext: Obwohl nur einer von drei Trades Gewinn bringt, lassen sich mit diesem System pro riskierter Geldeinheit 0,78 Geldeinheiten verdienen. Das entspräche der alten Börsenweisheit „Verluste begrenzen und Gewinne laufen lassen“. Man braucht also nicht unbedingt eine hohe Trefferquote bei seinen Trades, um hohe Gewinne zu erwirtschaften. Wer es nicht glaubt, der sollte unverzüglich mit dem Spiel beginnen. Viel Erfolg!