... Steuerfalle hingewiesen hat, die mir gar nicht bekannt war“, sagt der 69-Jährige aus Stuttgart-Feuerbach, „ich war immer der Ansicht, dass ein normales Einfamilienhaus innerhalb der Familie vererbt werden kann,
ohne dass Steuern anfallen. Dass das nicht so ist, hätte ich nie für möglich gehalten“, erzählt Klaus-Peter Vollmer, der seit 2 Jahren verwitwet ist. „Ich habe immer auf die Politiker vertraut, die dieses Versprechen doch allen Häusles-Besitzern über Jahre immer wieder gegeben haben.“
Doch die Mär vom steuerfreien Übertragen von Omas Häuschen auf die nächste Generation stimmt schon lange nicht mehr. „Die Geschichte von Klaus-Peter Vollmer ist ganz typisch für Millionen Immobilienbesitzer“, sagt der Steuer-Fachanwalt Michael Kremer aus Kornwestheim, der auch Vollmer beraten hat, „die Werte für Immobilien sind in den letzten Jahren so rasant gestiegen, dass die Freibeträge der Erbschaftssteuer vielfach einfach nicht mehr ausreichen, wenn Häuser oder Wohnungen an den Ehepartner oder Kinder vererbt werden.“ Deshalb sei es so wichtig, so Kremer, dass sich jeder Immobilienbesitzer darüber Gedanken mache, wenn man nicht möchte, dass die Kinder oder der Ehepartner nach dem eigenen Tod Zehntausende Euro ans Finanzamt zahlen müssen.
Klaus-Peter Vollmer vereinbarte mit seiner Tochter Sabine Fromm ein ganz spezielles Modell: Die Immobilie wurde auf die Tochter übertragen; Klaus-Peter Vollmer behielt ein lebenslanges Wohnrecht; und auch die Einnahmen aus der inzwischen vermieteten Einlieger-Wohnung gehören ihm. Und, sollte der heute 69-Jährige einmal in ein Pfl egeheim müssen, stünden ihm auch die Miet-Einnahmen aus seiner bisherigen Wohnung bzw. dem ganzen Haus zu. „Auf diese Weise habe ich absolute Sicherheit, muss weder im Fall der Fälle mein Haus beleihen, noch notverkaufen, noch meine Tochter um Geld bitten“, so Klaus-Peter Vollmer erleichtert.
Nießbrauch heißt eine solche rechtliche Konstruktion, die eigentlich schon sehr alt ist, aber lange in Vergessenheit geraten war“, erläutert Vollmers Anwalt Michael Kremer. „Das Prinzip ist denkbar einfach:
Mehr Erbschaftssteuer
Aufkommen in Milliarden Euro
Rechte werden behalten
Zu Lebzeiten wird ein Vermögenswert, z._B. eine Immobilie, übertragen, Nutzung und Erträge aus dem Wert bleiben einem aber erhalten. Und weil der Wert der Immobilie für den Beschenkten durch Nutzung und Erträge des Alt-Eigentümers geschmälert wird, liegt der steuerrechtliche Wert entsprechend niedriger - und damit oft wieder innerhalb der Freibeträge.“ (Siehe auch die Beispielrechnung auf der nächsten Seite.)
Christoph Juhn, Steuerberater aus Köln, schätzt, dass durch Nießbrauch „die Bemessungsgrundlage für die Schenkungs- bzw. Erbschaftssteuer zwischen 50 und 80_% reduziert werden kann, sodass die Steuer- Ersparnis meist über 50_% liegt bzw. in den allermeisten Privatfällen gar keine Steuern mehr zu zahlen sind“, so der Steuer-Experte.
Warum Nießbrauch, gerade für Immobilien, in den letzten Jahren wieder zu einem so lukrativen Instrument wurde, zeigen diese Werte:
Die Preise für Immobilien stiegen deutschlandweit seit 2012 um 47_%. In Boom-Regionen wie Stuttgart, München, Berlin, Frankfurt oder Hamburg, in denen die Preise ohnehin schon immer viel höher waren, im Schnitt sogar um 62_%
Selbst einfache Doppel- oder normale Einfamilienhäuser sind in Stuttgart, München, Frankfurt, Köln oder Hamburg längst mehr wert als 1 Million Euro.
Gleichzeitig liegt der Erbschaftsoder Schenkungssteuerfreibetrag für ein Kind weiter bei 400.000 Euro (siehe rechte Seite).
Das heißt, erben zwei Geschwister ein normales Einfamilienhaus nach dem Tod des letzten Elternteils, werden schnell Zehntausende Euro Steuern fällig (siehe auch die Beispielrechnung rechts).
Ähnliches gilt, wenn zuerst ein Ehepaar den jeweils anderen als Alleinerben einsetzt. Dann würde Erbschaftssteuer fällig nach dem Tod des ersten Ehepartners und ein
Doppelt Steuern sparen
zweites Mal nach dem Tod des Überlebenden, wenn die Immobilie an die Kinder übertragen wird.
„Um solche Dinge zu verhindern, lohnt es, innerhalb der Familie frühzeitig und vor allem sehr off en darüber zu sprechen“, so Steuer-Experte Michael Kremer, „und Nießbrauch ist hier schon die Königslösung, um den Interessen aller gerecht zu werden.“
Wesentlich beim Nießbrauch ist, dass formal das Eigentum vorzeitig übertragen wird. Gleichzeitig behalten sich die Alt-Eigentümer aber fast alle Rechte vor, z._B. weil sie weiter im Haus wohnen bleiben und/oder sich auch die Miet-Einnahmen sichern. Die Nießbrauchs- Berechtigten treten nach außen weiter wie die tatsächlichen Eigentümer auf, z._B. wenn es um die Entscheidung über Mieter geht. Mehr noch: Anders als beim Wohnrecht können Nießbrauchs-Berechtigte auch ihr Recht behalten, wenn sie gar nicht mehr im Haus wohnen, z._B. weil sie in einem Altersheim leben.
Und diese Nießbrauchs- Rechte werden als Belastung ins Grundbuch eingetragen, was wieder dazu führt, dass der steuerrelevante Wert sehr viel geringer ist als der tatsächliche Wert. „Am interessantesten ist das Nießbrauchsrecht dann, wenn es weit über ein normales Wohnrecht hinausgeht, z._B. wenn eine Immobilie nicht nur weiter selbst bewohnt wird, sondern man auch Erträge, die aus einer Immobilie entstehen, z._B. wenn ein Teil vermietet oder verpachtet wird, selbst behält“, so Ralph Butenberg, Fachanwalt für Erb- und Steuerrecht aus Hamburg, der in der Kanzlei Rose & Partner arbeitet. „Dann wird das Nießbrauchsrecht für beide Generationen hochinteressant: Die Älteren behalten Wohnrecht und Erträge, die Jüngeren haben die Steuer-Vorteile und die Sicherheit des Eigentums.“ Interessant ist der Nießbrauch
aber vor allem, weil darüber sehr viele Dinge möglich seien:
Der Nießbrauchs-Berechtigte kann im Haus wohnen bleiben oder dieses vermieten - und zwar ohne die eigentlichen Eigentümer um Erlaubnis bitten bzw. sie informieren zu müssen. Das heißt, Eltern können weiter frei über „ihr“ Haus entscheiden, obwohl es schon den Kindern gehört.
Das Nießbrauchsrecht ist an die Person gekoppelt und im Grundbuch eingetragen. Das heißt, der neue Eigentümer kann z._B. das Haus weiter- verkaufen, der Nießbrauch selbst und die damit verbundenen Rechte bleiben aber bestehen.
Wie wird der Nießbrauchswert ermittelt?
Geregelt sind die Grundzüge im Bewertungsgesetz (BewG); im Einzelfall kann die Berechnung sehr komplex sein. Am einfachsten nachvollziehbar ist es an Immobilien.
1. Jahreswert
Berechnet wird, was die Immobilie bei einer Vermietung pro Jahr an Ertrag bringen würde.
2. Vervielfältiger
Dies ist ein Rechenwert, der sich aus dem Bewertungsgesetz ergibt. Letztlich spielt z. B. das Alter des Nießbrauchsnehmers die entscheidende Rolle, also: Wie lange würde der Nießbrauchsnehmer in den Genuss des Nießbrauchs kommen?
3. Kapitalwert
Beide Werte werden nun multipliziert. Dies ergibt den Kapitalwert des Nießbrauchs. Dieser wird vom tatsächlichen Schenkungswert abgezogen, bevor die Steuer ermittelt wird.
Zehntausende Euro gespart
Wie mit Nießbrauch sehr viel Geld gespart werden kann, zeigt dieses Beispiel aus Hamburg, bei dem die Kanzlei Rose & Partner die Verträge ausarbeitete.
DER FALL Eine Frau (70) ist alleinige Eigentümerin eines Dreifamilienhauses, nachdem ihr Mann vor zwei Jahren plötzlich verstarb. Das Haus hat einen Wert von 1.493.936 Euro, so ein Gutachten. Der schenkungssteuerliche Nießbrauchswert beträgt 773.710 Euro. Sie überträgt das Haus an ihre beiden Söhne, behält sich selbst aber den Nießbrauch, die Miet-Einnahmen und ein Wohnrecht vor.
„Ein Nießbrauchsrecht geht weit über ein Wohnrecht hinaus, weil eine Immobilie weiter bewohnt oder auf eigene Rechnung weiter vermietet werden kann”
Ralph Butenberg, Fachanwalt für Erb- und Steuerrecht, Kanzlei Rose & Partner Hamburg
Das Nießbrauchsrecht bedeutet aber gleichzeitig, dass der Eigentümer für den Erhalt zuständig ist. Verständlich ist, dass deshalb
auch viele Banken und Finanz- Dienstleister Nießbrauch-Angebote machen in Form einer Immobilien- Rente (Rente_&_Co wird darüber in der nächsten Ausgabe berichten).
Steuerlich attraktiv wird Nießbrauch innerhalb der Familie, weil das Nießbrauchsrecht einen beziff erbaren Wert darstellt (siehe auch unten links). Und je nach Gestaltung und Alter des Nießbrauchs-Berechtigten schmälert dies den Wert der Schenkung erheblich. „Ideal ist, wenn die Nießbrauchs-Verträge so gestaltet werden“, so Steueranwalt Kremer, „dass damit der tatsächliche Schenkungswert unter die Freibetragsgrenze sinkt. Und das ist in den allermeisten privaten Fällen auch relativ leicht möglich.“
Und: Nießbrauch ist beim Steuernsparen mit Blick auf eine Erbschaft nicht nur bei Immobilien möglich, sondern auch bei sonstigen Vermögenswerten. So können Eltern beispielsweise Aktien oder auch
angelegte Spar-Guthaben bereits zu Lebzeiten an ihre Kinder übertragen, behalten sich aber den Nießbrauch vor. Das heißt: Zins-Erträge oder Dividenden aus einer Geldanlage fl ießen weiter den Eltern zu.
Berechnungen des Deutschen Instituts für Altersvorsorge zeigen, dass dann zum Beispiel ein 65-Jähriger Geldvermögen von über 1 Million
Auch für Sparverträge
Euro an ein Kind übertragen kann, ohne dass Schenkungs-Steuern anfallen; ohne den Nießbrauch wären etwa 90.000 Euro Steuern fällig.
Klaus-Peter Vollmer ist froh, dass er mit seiner Tochter den Nießbrauch- Weg gegangen ist. „Ich bin einerseits froh, weiter in meinem Haus wohnen zu können, die kleine Miet-Einnahme zu haben und weiter frei über alles entscheiden zu können. Andererseits freue ich mich für meine Tochter und ihre Familie, dass sie viele Steuern spart, wenn ich eines Tages einmal nicht mehr da sein werde.“
Eltern sollten früh planen, um Vermögen steuerfrei auf ihre Kinder zu übertragen.
Steuern auf Erbe und Schenkung
Ermittelt werden die Steuern in einer dreistufigen Rechnung.
1. Welche Steuerklasse gilt?
2. So hoch ist der Freibetrag
3. So hoch ist der Steuersatz
Fotos: Getty Images/Westend61 (2), privat