... wahrzunehmen, allenfalls das Bedauern darüber, dass man nicht noch mehr Workshops oder Konzerte besuchen konnte, dass man sich bei Parallelterminen entscheiden musste. Musikalisch war die ganze Bandbreite von Gregorianik bis Pop zu erleben. Flankierend fanden drei Masterclasses statt (Anne Kohler, Georg Grün und Simon Halsey) und eine Messe mit Verlagen und Verbänden lud zwischen den Workshops zum Netzwerken und Notenstöbern ein.
Intensives Arbeiten: Workshop Chordirigieren mit dem Jungen Vokalensemble Hannover (Foto: Rüdiger Schestak)
In den Workshops überwog die Praxis. Für jeden – ob Leiter eines Pop-, Kinder-, oder Kirchenchores, eines Vokalensembles oder für Menschen hinter den Kulissen – war etwas dabei. Von baltischer Chormusik für Kinderchor (Jochen Stankewitz) bis zu Chorarbeit mit Senioren (Jutta Michel-Becher), von einer Einführung in das „Zauberreich Renaissance“ (Bernhard Schrammek und Ludwig Böhme) bis zu Chor-Improvisation (beeindruckend kreativ Johannes Steiner). Breiten Raum nahmen Workshops zu Stimmbildung ein – musikalisch gut gemacht die „Patches“ (Einsingstücke von und mit Christoph Hiller), Horizonterweiterungen mit Stimm- und Reaktionsübungen (Douglas Coombes) und fundierte klassische Stimmbildung (Florian Lohmann). Neue Chormusik wurde in Reading Sessions zum Teil von den Komponisten selbst vorgestellt. Die Kirche war mit einem Workshop zu Chorsätzen zu den neuen Wochenliedern vertreten (KMD Brigitte Rauscher).
Auch Fragen jenseits der Noten fanden ihre Interessenten: Konzertmoderation, Freiwilligenkoordination, Chormanagement, Gründung eines Kinderchores, Websitegestaltung, Vorbeugung von Lampenfieber. Die Fülle und die meist hohe Qualität der Workshops führten dazu, dass eine Berühmtheit wie Frieder Bernius vor nur knapp zwanzig Teilnehmern (darunter zwei Frauen) im großen Leibnitz-Saal der Stadthalle in Beethovens Messen einführte.
„The Tyger“: Chormusik in szenischer Darstellung mit dem Ensemble Choreos (Foto: Rüdiger Schestak)
Viele Workshops korrespondierten mit den abendlichen Konzerten und ermöglichten somit ein tieferes Eintauchen in die Materie und den Austausch mit den Interpreten.
Auch in den Konzerten regierte Vielfalt. So traten am ersten Abend sechs Ensembles auf, darunter der meisterhaft singende NDR Chor (Klaas Stok) mit einem Bach-Brahms- Programm und der nicht minder perfekte Norddeutsche Figuralchor unter Jörg Straube mit abwechselnd gesungenen Madrigalen von Gesualdo und denCinq Rechants von Olivier Messiaen, eine geniale Idee, hörte man doch im Alten das Moderne und im Modernen das Alte. Das langeTe Deum von Felix Mendelssohn am Ende wirkte da etwas fehl am Platz. Außerdem hatten Maybebop, Pop-Up (Anne Kohler), der Deutsche Jugendkammerchor (Florian Benfer) und der Landesjugendchor Niedersachsen (Claudia Burghard) mit einem langen, enigmatischen Oratorium von Stefan Schultze ihre Auftritte.
In den 14 hochkarätigen Freitagskonzerten war neben Voces8 und dem Kammerchor Josquin de Préz auch der hervorragende Jugendkonzertchor der Chorakademie Dortmund (Felix Heitmann) mit seinem abwechslungsreichen Programm „I Himmelen“ zu hören. Hier wurde das eindrucksvolle WerkStillae von Mårten Jansson uraufgeführt, das der Komponist, der im Konzert anwesend war, den jungen Sängern auf den Leib geschrieben hatte. Im Konzert von AuditivVokal Dresden (Olaf Katzer) waren sieben Uraufführungen zu hören – beeindruckend, wie kreativ junge Komponisten für (dieses) Ensemble schreiben, auch wenn 70 Minuten neue Chormusik für die Zuhörer eine Herausforderung sind. Der Samstag wartete mit 13 Konzerten auf. Zauberhaft die JugendoperDes Esels Schatten von Richard Strauss (Jugendchor der Musikhochschule Hannover, Mädchenchor der Singakademie Berlin, Friederike Stahmer). Und herrlich ausgewogen mit sattem Klang der Kammerchor hamburgVokal (Matthias Mensching).
Am Sonntag wurde man mit einer tief bewegenden Kammerversion von Bachs Johannespassion beglückt. „Zur Kenntlichkeit entstellt“ musizierten der isländische Tenor Benedikt Kristjánsson, die Cembalistin Elina Albach, der Schlagzeuger Philipp Lamprecht und das Publikum (Choräle) eine intensive Passion. Der Sänger führte in verschiedenen Rollen (Rezitative, ausgewählte Arien) durch die Leidensgeschichte Jesu. Cembalo, Truhenorgel und großes Schlagwerk-Setup zeichneten mit klug arrangierten Effekten den Orchesterpart nach – mit Karfreitagsratsche, Marimbaphon und Trommeln.
Bach und Brahms auf hohem Niveau. Der NDR-Chor und Klaas Stok (Foto: Victor Hedwig)
Duke EllingtonsSacred Concerts mit dem Jungen Vokalensemble Hannover (Klaus-Jürgen Etzold) und dem Jazzorchester Fette Hupe (Marcussen-Wulff/Warnecke) bildeten am Sonntagabend den fulminanten Abschluss der chor.com, die in Hannover gut aufgehoben ist und dort vom 23. bis 26. September 2021 wieder stattfinden wird.