... Umsätze für Haargel sind in den letzten beiden Jahren nur marginal gesunken. Wir haben den großen Rundumschlag gemacht und sie alle eingekauft – vom Haargel für den unzerstörbaren 48-Stunden-Look bis zur Frisierpaste für den „undone style“.
Rund ein Drittel fällt durch
51 Tuben und Tiegel für alle Geschlechter haben wir auf ihre Inhaltsstoffe und die Verpackung hin getestet und kommen zu einem dreigeteilten Ergebnis: Die Tabelle ist rot, gelb und grün fast zu gleichen Teilen. Zehn Haarstyler können wir ohne Abstriche mit „sehr gut“ empfehlen, neun immerhin noch mit „gut“. Ein gutes Drittel fällt jedoch mit „mangelhaft“ oder „ungenügend“ durch. Die Bestnote schafften fast nur Naturkosmetik-Produkte.
In den Cremes, Gels und Pasten auf den hinteren Rängen summiert sich so einiges an problematischen Verbindungen. Zum Beispiel eine ganze Reihe von Konservierungsstoffen, die wir kritisch sehen. Allen voran Formaldehyd/-abspalter, die das Labor in drei Produkten nachwies. Beim Syoss Max Hold Gel High Shine und bei Wella Shockwaves Tuff Stuff Heat&Sweat Proof Gel, 5 passt das auch zur Deklaration: Dort steht mit DMDM Hydantoin ein Konservierungsmittel, das nach und nach Formaldehyd freisetzt. Formaldehyd kann Kontaktallergien auslösen und schon in geringen Mengen die Schleimhäute reizen. Die EU plant derzeit strengere Regeln für die Warnung vor Formaldehyd in Kosmetika. Da ist es stimmig, dass das Syoss-Gel laut Anbieter bald ohne DMDM Hydantoin auf den Markt kommen soll.
Die Konservierung hat es in sich
Die Liste kritikwürdiger Konservierer im Test ist aber noch länger: Die halogenorganische Verbindung Chlorphenesin, die die Haut irritieren kann, das hormonverdächtige Antioxidans Butylhydroxytoluol (BHT) oder Propylparaben, das die Frisiercremes der Marken Brisk und Fan haltbar macht. Die EU hat Propylparaben wegen des Verdachts auf eine hormonelle Wirkung streng reglementiert und sein Einsatz ist heute sehr viel seltener geworden. Nichts gegen traditionelle Haarstyling-Produkte, zumal die EU-Vorgaben eingehalten werden, – Frisiercremes gab es schließlich schon vor 100 Jahren –, aber bitte mit zeitgemäßer Rezeptur.
„Haarsträubend: Fast kein konventionelles Haarstyling-Produkt im Test kommt ohne flüssige Kunststoffe aus.“
Heike Baier ÖKO-TEST-Redakteurin
Flüssiges Plastik spielt zentrale Rolle
Da stehen einem buchstäblich die Haare zu Berge: Kaum ein konventionelles Haarstyling-Produkt kommt ohne synthetische Polymere aus. Die löslichen Kunststoffe bilden einen dünnen Film auf dem Haar und sorgen maßgeblich für Stand und Festigkeit. Mit der Haarwäsche gelangt das Flüssigplastik allerdings in die Umwelt, wo es sich zum Teil nur schwer wieder abbaut. Dass Haarstyling auch ohne aus Erdöl hergestellte Kunststoffe geht, zeigt die Naturkosmetik. Brettharte Looks sind dort aber eher nicht drin (siehe Seite 76).
Außen Kokosnuss, innen Mineralöl
Viele Styling-Produkte mit höherem Fettanteil im Test enthalten Paraffine. Die Erdöl-Fette können sich in Leber, Niere oder Lymphknoten sammeln und im ungünstigsten Fall mit aromatischen Mineralölkohlenwasserstoffen (MOAH) verunreinigt sein. Darunter können sich krebserregende Stoffe befinden. Das Labor fand MOAH in 14 Produkten – vorwiegend in Haarwachsen, -pasten und -cremes. Besonders unangenehm fällt dabei das Swiss-o-Par Kokos Haarwachs auf: Das Wachs mit der großen Kokosnuss auf dem Deckel besteht zu rund der Hälfte aus Paraffinöl und seine MOAH-Belastung ist um ein Vielfaches höher als die der anderen Produkte. Wenig natürlich ist auch der synthetische Moschusduft Galaxolid, den das Labor in diesem Haarwachs aufspürte. Galaxolid breitet sich überall in der Umwelt aus und gilt als gewässerschädigend.
Apropos unangenehm auffallen: Unter den zahlreichen „ungenügenden“ Haarstylern ist die Goldwell Stylesign Creative Texture Matte Rebel, 3 die mit den meisten Abzügen. Die Liste ihrer Problemstoffe ist ebenso rekordverdächtig wie ihr Preis: Mit 27,50 Euro pro 150 Gramm ist sie das teuerste Produkt im Test.
So haben wir getestet
Wir haben 51 Hairstyling-Produkte in Drogerien, (Bio-)Supermärkten, Discountern, Reformhäusern und Friseursalons eingekauft. Darunter neunmal zertifizierte Naturkosmetik. 32 Styling-und Haargele mit stärkeren Halte-Versprechen und 19 Haarpasten, -wachse, Frisiercremes und Pomaden landeten in unseren Einkaufskorb. Bei der Auswahl der Marken haben wir uns an Daten aus der Marktforschung orientiert.
Die von uns beauftragten Labore haben nach Formaldehyd/-abspaltern, halogenorganischen Verbindungen, problematischen Konservierungsmitteln und Duftstoffen gefahndet. Sie haben Verpackungen auf chlorierte Verbindungen überprüft und die Liste der Inhaltsstoffe auf umstrittene PEG-Verbindungen, bedenkliche UV-Filter und synthetische Polymere gecheckt. Produkte mit Paraffinen haben wir auf Mineralölbestandteile mit eventuellem Krebspotenzial analysieren lassen. Zudem wollten wir von den Anbietern wissen, ob die Plastiktuben und -tiegel recyceltes Plastik enthalten und haben die Nachweise bis zur vorliegenden Charge zurück verfolgt.
Für das Stylen und Modellieren der Haare braucht es aus unserer Sicht keine bedenklichen oder problematischen Stoffe – deshalb werten wir solche Substanzen ab. Ein Umkarton, synthetische Polymere in der Rezeptur sowie kein oder zu wenig recyceltes Plastik in Plastikverpackungen – oder fehlende Nachweise hierzu – verschlechtern das Gesamturteil.
Fett gedruckt sind Mängel. Abkürzungen: MOAH = aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe Glossar: Erläuterungen zu den untersuchten Parametern finden Sie auf Seite 142. Anmerkungen: 1) Weiterer Mangel: Umkarton, der kein Glas schützt. 2) Weiterer Mangel: PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung. 3) Citral deklariert, im Labor aber nicht nachgewiesen. 4) Citronellol deklariert, im Labor aber nicht nachgewiesen. 5) Eugenol deklariert, im Labor aber nicht nachgewiesen. 6) Citral und Evernia Prunastri Extract (Eichenmoos) deklariert, im Labor aber nicht nachgewiesen. Eugenol nicht deklariert, aber im Labor nachgewiesen. 7) Anbieter des Produktes ist mittlerweile Wella und nicht mehr Coty, wie noch auf der Verpackung angegeben. 8) Anbieter des Produktes ist mittlerweile PDC Brands und nicht mehr Obelis, wie noch auf der Verpackung angegeben. 9) Laut Anbieter soll die Formulierung des Produktes noch im Jahr 2022 angepasst werden, dabei werde es künftig frei von Mica und allergenen Duftstoffen sein. 10) Produkt trägt den Hinweis „Tube aus 50 % Recycling PE“. Laut Anbieter enthält die Tube Post Industrial-Rezyklat (PIR), aber kein Post Consumer-Rezyklat (PCR) wie ÖKO-TEST es fordert. 11) Laut Anbieter wird das Produkt ab dem 2. Quartal 2022 mit einer Rezeptur ohne PEG/PEG-Derivate, einer Rezyklat-Tube mit 55 % rHDPE-Anteil und dem neuen EAN-Code 4056489442127 angeboten. 12) Laut Anbieter wird das Produkt voraussichtlich ab Sommer 2022 mit anderem Duft und Design angeboten. 13) Laut Anbieter wird das Produkt voraussichtlich ab Mai 2022 in einer veränderten Version angeboten. Das neue Produkt sei an dem neuen EAN-Code 4058172737893 erkennbar, enthalte kein BHT mehr und habe einen höheren Anteil an Recyclingmaterial von 60 % in der Tube ohne Verschluss. 14) Laut Anbieter wird das Produkt voraussichtlich ab Herbst 2022 mit einer neuen Formulierung, die keine PEG-Verbindungen, keine Rohstoffe auf Mineralölbasis, keine Silikone und keine synthetischen Polymere mehr enthalte, angeboten. 15) Laut Anbieter wird das Konservierungsmittelsystem des Produktes zum nächsten Relaunch überarbeitet, sodass kein Formaldehydabspalter mehr enthalten sein werde. 16) Laut Anbieter wurden Verpackung und Rezeptur des Produktes Anfang 2022 angepasst. 17) Laut Anbieter wird das Produkt voraussichtlich im 3. Quartal 2022 mit einer Titandioxid-freien Rezeptur angeboten. 18) Laut Anbieter wird das Produkt in der Tube derzeit abverkauft und künftig bei gleichbleibender Rezeptur in einer Spenderflasche angeboten.
Legende: Produkte mit gleichem Gesamturteil sind in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt. Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um vier Noten: Formaldehyd/-abspalter. Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) PEG/PEG-Derivate; b) halogenorganische Verbindungen (hier: Chlorphenesin); c) MOAH; d) ein gemessener Gehalt von mehr als 10 mg/kg polyzyklische Moschusverbindungen (hier: Galaxolid/HHBC; in der Tabelle „künstlicher Moschusduft") und/oder Cashmeran; e) Überschreitung des vom BVL festgelegten Orientierungswertes (2,0 mg/kg) für die technische Vermeidbarkeit von Blei in kosmetischen Produkten; f) bedenkliche UV-Filter (hier: Ethylhexylmethoxycinnamat).
Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) mehr als 1 Prozent Silikone/Paraffine/ künstliche paraffinartige Stoffe; b) deklarationspflichtige Duftstoffe, die Allergien auslösen können (hier: Hydroxycitronellal); c) ein gemessener Gehalt von mehr als 10 bis 1.000 mg/kg Diethylphthalat; d) BHT; e) Propylparaben.
Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um zwei Noten: Silikone, wenn sie nicht schon unter den Inhaltsstoffen abgewertet wurden, und/oder weitere synthetische Polymere als weiterer Kunststoffverbindungen (hier: Acrylate/ Ceteth-20 Itaconate Copolymer, Acrylates/C10-30 Alkyl Acrylate Crosspolymer, Acrylates/C10-30 Alkyl Methacrylate Copolymer, Acrylates/Hydroxyester Acrylates Copolymer, Acrylates/Steareth-20 Itaconate Copolymer, Acrylates/Steareth-20 Methacrylate Crosspolymer, Acrylates/Steareth-20 Methylacrylate Copolymer, Acrylates/Stearyl Acrylate/Ethylamine Oxide Methacrylate Copolymer, Ammoium Polyacryldimethyl Taurate, AMPAcrylates/Allyl Methacrylate Copolymer, Carbomer, Dimethicone, Octylacrylamide/Acrylates/Butylaminoethyl Methacrylate Copolymer, PEG-12 Dimethicone, PEG-14 Dimethicone, Polyquaterinium-10, Polyquaternium-46, Polyquaternium-7, Polysilicone-28, PVP, Triacontanyl PVP, VA/Crotonates Copolymer, Vinyl Caprolactam/VP/Dimethylaminoethyl Methacrylate Copolymer, VP/Acrylates/ Lauryl Methacrylate Copolymer, VP/Dimethylaminomethylmethacrylate Copolymer, VP/DMAPA Acrylates Copolymer, VP/Methacrylamide/Vinyl Imidazole Copolymer, VP/VA Copolymer).
Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) Umkarton, der kein Glas schützt; b) PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung; c) ein Anteil von Rezyklaten (Post-Consumer-Rezyklat, PCR) von weniger als 30 Prozent in Relation zum Gesamtgewicht der Kunststoffverpackung oder keine Angabe hierzu oder kein ausreichender Nachweis auf unsere Anfrage hierzu.
Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das „mangelhaft“ ist, verschlechtert das Gesamturteil um zwei Noten. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das „befriedigend“ oder „ausreichend“ ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das „gut“ ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht.
Aus rechtlichen Gründen weisen wir darauf hin, dass wir keinen Praxistest durchgeführt und die (vom Hersteller versprochenen) Wirkungen der Produkte nicht überprüft haben.
Testmethoden und Anbieterverzeichnis finden Sie unter oekotest.de/M2204.
Einkauf der Testprodukte: November – Dezember 2021.
Dieser Test löst den Test Haarstylingprodukte aus dem ÖKO-TEST Magazin 4/2020 ab. Tests und deren Ergebnisse sind urheberrechtlich geschützt. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags dürfen keine Nachdrucke, Kopien, Mikrofilme oder Einspielungen in elektronische Medien angefertigt und/oder verbreitet werden.