... manchen Tagen, insbesondere im Winter, scheinen die Hornfäden auf dem Kopf ein unheimliches Eigenleben zu entwickeln, wenn sie aus heiterem Himmel zu Berge stehen.
Shampoos können dem Haar dauerhaft keine Feuchtigkeit zurückgeben
Für diesen „Struwwelpeter-Effekt“ gibt es jedoch eine rein physikalische Erklärung. Mangelt es Haaren an Fett und können sie nur wenig Luftfeuchtigkeit aus der Umgebung binden, neigen sie dazu, sich statisch aufzuladen. Schon geringe Reibungen, etwa durchs Kämmen, Rubbeln mit einem Handtuch, Überstreifen eines Pullis oder Absetzen einer Mütze, können die Frisur gen Himmel treiben. Je feiner, glatter und länger die Strähnen sind und je synthetischer die Stoffe, mit denen sie in Kontakt kommen, desto wahrscheinlicher „fliegen“ die Haare.
Dass das ungewollte Phänomen vor allem in den kälteren Monaten zu beobachten ist, liegt einerseits an den Talgdrüsen in der Kopfhaut. Bei sinkenden Temperaturen fahren sie die Produktion herunter. Dementsprechend weniger körpereigenes Fett gelangt an die Haare, was die Geschmeidigkeit und Leitfähigkeit beeinträchtigt. Andererseits kann der extreme Wechsel zwischen kalter Freiluft und warmer Heizungsluft die Struktur im Inneren schädigen.
Die ständigen Temperaturschwankungen strapazieren die Hornfäden ungemein. Kommen weitere Stressfaktoren wie ausgiebiges Föhnen und Bürsten hinzu, steigt das Risiko, dass die äußere Schuppenschicht (Cuticula) aufbricht und die innere Faserschicht (Cortex) freilegt. Die ist maßgeblich für die Haareigenschaften, etwa für die Dicke, Lockigkeit und die Eigenfeuchte. Vor allem wenn Proteine durch Lücken in der Schuppenschicht aus der Faserschicht entweichen, wirke das Haar trocken, sagt Ansgar Bannert, stellvertretender Art Director des Modeteams des Zentralverbandes des Deutschen Friseurhandwerks (ZDFH).
Prinzipiell entspricht dieser Vorgang dem natürlichen Alterungsprozess. Denn die Stoffe, aus denen sich die Faserschicht zusammensetzt, werden bereits über die Haarwurzel eingespeist. Tritt das Haar aus der Kopfhaut hervor, ist es praktisch fertig. Mit zunehmender Länge verhornt es stärker und die Lipidund Wasseranteile nehmen ab. Daher ist es ein Irrglaube, dass Pfl egeprodukte der Struktur dauerhaft Fett und Feuchtigkeit zurückgeben können.
Häufi ges Föhnen und Haarglätter können das Haar ebenfalls austrocknen.
Foto: MilanMarkovic78/Shutterstock
„Haar ist von außen nicht mehr veränderbar, sondern nur noch reparierbar“, sagt Bannert. Vor diesem Hintergrund könnten Shampoos mit hohen Anteilen an natürlichen Fetten und Ölen nur unter Umständen dazu beitragen, dass Haare äußerlich geschmeidig bleiben und sich deswegen weniger statisch aufladen. Empfehlenswert seien etwa Produkte mit Panthenol, Lanolin, Honig und Aloe vera.
Wir haben 21 Produkte gegen trockenes und strapaziertes Haar eingekauft und auf Schadstoffe prüfen lassen.
Das Testergebnis
■ Zweiklassengesellschaft. Die sechs naturzertifi zierten Shampoos im Test schneiden allesamt mit „sehr gut“ ab – ebenso wie zwei nicht zertifizierte. Außerdem können wir vier weitere Produkte mit „gut“ empfehlen. Dahinter klafft eine Lücke: Vier Shampoos sind „ausreichend“ und fünf „ungenügend“.
■ Teuer und gar nicht toll. Das Ogx Hydrating + Macadamia Oil Shampoo ist ein Produkt des amerikanischen Unternehmens Vogue International, wird aber von Ogx Beauty in Großbritannien hergestellt. Zum Preis von 7,95 Euro pro Flasche (385 ml) massieren sich Käufer fast die komplette Palette unserer Abwertungsparameter in die Haare: halogenorganische Verbindungen, Lilial, PEG/ PEG-Derivate und Formaldehyd/-abspalter. Vor allem Letzteres geht überhaupt nicht. Formaldeyd ist eine krebserregende Substanz, weshalb „ungenügend“ noch schmeichelhaft ist.
■ Künstlich animalisch. Vier nicht zertifizierte Testprodukte enthalten polyzyklische Moschus-Verbindungen und/ oder die ihnen ähnelnde Substanz Cashmeran. Diese künstlichen Duftstoffe reichern sich im menschlichen Fettgewebe an und können möglicherweise Leberschäden verursachen.
■ Schaumschläger. In 13 von 15 Shampoos ohne Naturkosmetiksiegel haben wir PEG/PEG-Derivate gefunden. Die Tenside werden häufig als Schaumbildner und Reinigungsstoffe eingesetzt und sollen dafür sorgen, dass sich das Shampoo gleichmäßig im Haar verteilt. Jedoch können sie die Haut auch durchlässiger für Fremdstoffe machen.
■ Weitere Kritikpunkte. In fünf Shampoos wies ein Labor umstrittene halogenorganische Verbindungen nach. Viermal handelt es sich um Chlormethylisothiazolinon (CIT), das Hersteller als Konservierungsmittel einsetzen und das ein hohes Allergiepotenzial besitzt. Der umstrittene Duftstoff Lilial, auch in vier Shampoos enthalten, hat sich in Tierversuchen als fortpflanzungsgefährdend erwiesen. Und im Nivea Haarmilch Pflegeshampoo, normale Haarstruktur steckt die Mikroplastikverbindung Styrene/ Acrylates Copolymer.
So reagierten die Hersteller
■ Vogue International weist darauf hin, dass der Hinweis „enthält Formaldehyd“ laut EU-Kosmetikverordnung erst ab einem Gehalt von 0,05 Prozent freiem Formaldehyd verbindlich ist. Das Ogx Hydrating + Macadamia Oil Shampoo liege unter dieser Marke, weshalb die Flasche den Zusatz nicht trage. Das mag rechtskonform sein. Wir finden aber, dass Formaldehyd in gebundener und in freier Form nichts in Kosmetika zu suchen hat.
Fett gedruckt sind Mängel.
Glossar: Erläuterungen zu den untersuchten Parametern finden Sie auf Seite 208.
Anmerkungen: 1) Citral deklariert, aber im Labor nicht nachgewiesen. 2) Citronellol deklariert, aber im Labor nicht nachgewiesen. 3) Der Lilialgehalt liegt bei diesem Produkt unterhalb der Deklarationsgrenze für deklarationspflichtige Duftstoffe von mehr als 100 mg/kg, wir werten aber schon bei Nachweis ab. 4) Das Produkt enthält außer polyzyklischen Moschus-Verbindungen auch Spuren der strukturähnlichen Substanz Cashmeran. 5) Im Produkt konnten keine polyzyklischen Moschus-Verbindungen nachgewiesen werden, aber die strukturähnliche Substanz Cashmeran.
Legende: Produkte mit dem gleichen Gesamturteil sind in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Zur Abwertung um vier Noten führt: mehr als 10 mg/kg Formaldehyd/-abspalter. Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) halogenorganische Verbindungen; b) Butylphenyl Methylpropional (in der Tabelle: Lilial); c) mehr als 10 mg/kg polyzyklische Moschus-Verbindungen: hier Galaxolid; d) mehr als 10 mg/kg Cashmeran; e) Mikroplastik (hier: Styrene/Acrylates Copolymer). Zur Abwertung um eine Note führt: PEG/PEG-Derivate. Das Gesamturteil beruht auf dem Test der Inhaltsstoffe. Aus rechtlichen Gründen weisen wir darauf hin, dass wir die (vom Hersteller versprochenen) Wirkungen der Produkte nicht überprüft haben.
Testmethoden und Anbieterverzeichnis finden Sie unter www.oekotest.de Suchen „N1705“ eingeben.
Bereits veröffentlicht: ÖKO-TEST-Magazin 11/2016. Aktualisierung der Testergebnisse/ Angaben, sofern sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder ÖKO-TEST neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt hat.
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