... Corona, sondern an einer traurigen Politik. Albedo hat als Lautsprecherhersteller noch die besten Karten. Die Firma liegt an der Ostküste, etliche Kilometer südlich von Venedig, aber mit Pesaro um die Ecke. Kennt man nicht? Sollte man kennen. In dieser Küstenstadt wurde der große, göttliche Gioachino Rossini geboren. Noch heute feiert die Stadt ihren Sohn mit einem eigenen Festival. Die Liebhaber der italienischen Oper pilgern hierhin. Zehn Minuten fahren wir mit dem Auto und stehen vor der Fertigung von Albedo.
Das hilft unserer Fantasie auf die Sprünge. Aus dem Fundus der Italiener haben wir die Amira ausgewählt. Sagen wir es einmal so: Das ist eine der kleinsten, schlanksten Standboxen, die wir je erlebt haben. Ein Windhauch könne sie erzittern lassen. Wir konnten das Paar einfach und leicht unter unsere Achseln klemmen und in den Hörraum bringen. Oder in einer harten Zahl: 19 Kilo wiegt der einzelne Lautsprecher. Da hebt sich keiner einen Bruch.
Das Design wird den heftigsten Kaufimpuls auslösen. Das ist ein Lautsprecher, der im Raum eine elegante Figur macht. Kein Gramm Fett zu viel, ein perfekter italienischer Liebhaber. Die Verarbeitung ist ebenso perfekt. Wunderbar das Finish, drei Farben sind möglich - Walnuss, Rosenholz, Eiche. Eine elegante Stahlebene legt sie leicht nach hinten. Der Lautsprecheranschluss liegt knapp darüber in der Tiefe, ein reines Single-Wiring- Terminal. Aber da ist doch noch etwas: ein Gitter. Das muss die Öffnung für den Bassreflexport sein. Falsch geraten. Denn die Amira folgt den Spielregeln einer Transmission- Line. Huh, das kann perfekt gelingen oder sich gruselig messen. Unser Labor war eher freudig gestimmt. Zwar war die Amira nicht der Ausbund an möglicher Energie, aber der Frequenzgang zeigte sich erstaunlich linear. So soll es sein.
Gerade in der Reduktion liegt die Schönheit der Amira.
Handarbeit mit Zugaben
Dabei gehen die Italiener bei den Chassis eher auf Magerstufe. Die Wandler werden natürlich für so eine kleine Manufaktur nicht selbst gebaut. Man kauft an. Oben bei Vifa, unten bei Lyeco in Taiwan. Konkret: einen fünfeinhalb Zöller für die Tiefe und die Mitten sowie einen Ein-Zoll-Gewebehochtöner. Das ist klassisch, das ist etabliert.
Schlauer Ankauf: Der Hochtöner stammt von Vifa, der Tiefmitteltöner von Lyeco. Die Übergabefrequenz liegt bei 2100 Hertz.
Kraftzufuhr plus: Das Single-Wiring-Terminal liegt an der Unterseite des Gehäuses, dahinter das Geflecht mit der Öffnung für die Transmission-Line.
Fetter Bass-Loop
Gehen wir auf den Gegenkurs und legen die Brutalo-Musik auf. Paul Kalkbrenner hat sich ganz frisch ausgetobt. Eine EP mit vier Tracks. Das ist Techno am Anschlag. Wenn man denkt, die Dynamik hat schon das Maximum erreicht, dann legt Paul Kalkbrenner noch einen fetteren Bass-Loop darunter. Da ist die Amira natürlich hoffnungslos verloren. Weil sie zwar einen netten Oberbass produzieren kann, aber darunter wird es sehr dünn. Subtext: Wer Paul Kalkbrenner an seinem Solar Plexus spüren will, der sollte einen Subwoofer zwischen die beiden feinen Italiener stellen. Aber um ehrlich zu sein: Nach drei Minuten geht einem diese Musik furchtbar auf den Senkel. Dafür sind wir nicht geschaffen, dafür ist die Amira nicht geschaffen.
Deshalb der schnelle Wechsel. Es geht sensibler. Minimal sogar. Wir streamen Minimal Music von Qobuz herbei, das neue Album von Bruce Brubaker. Auch hier muss man stark sein. Das fordert mehr unser Hirn als unser Gemüt, alles sehr komplex. Aber die Amira konnte es perfekt auflösen, vor allem den Flügel in der Mitte. Der Anschlag war hart, sollte hart sein - und die Amira gab es uns auch maximal hart. Fette Blechbläser darunter, wie ein altes Weltkriegsflugzeug - das hatte zwar nicht die ultimativ- böse Tiefe, aber das bedrohliche, mächtige Flirren. Whow - dieser Lautsprecher vereint ein paar unserer höchsten Werte. Tempo, Panorama, Ehrlichkeit. Nur der Bass will nicht in der höchsten Liga mitspielen. Damit kann man in kleinen Räumen aber leben.
Einfach zurücklehnen
Wechseln wir zur Klassik. Und zum neuen Album von Lisa Batiashvili. Sie hat sich unter den Schirm der Deutschen Grammophon begeben. Da darf man sich verwirklichen, aber manchmal fordert die DG auch eine Silberscheibe mit Konsumpotenzial ein. Nun geschehen und „City Lights“ genannt. Morricone trifft auf Piazolla und Bach. Seltsam, aber hörenswert. Ganz wundersam wird es bei Dvorak und einer Adaption des Largos aus der Neunten Symphonie. Da ruft alles: Jetzt zurücklehnen und schwelgen. Genau das trifft den Kern der Amira. Schöner kann High-End nicht die Gefühlslage treffen. Großartig das Panorama, toll die feinen Schwankungen in der Dynamik. Alles ehrlich, tendenziell analytisch, aber nie kalt.