... Sein Erfolgsrezept basierte auf der Kombination von Class-A-Schaltungen und Ausgangsübertragern, die auf niedrige Spannungen optimiert waren. Dieser Trick ließ seine Transistor-Mischpulte in den 60ern so warm und musikalisch klingen wie Fabrikate mit Röhren. Diese Formel findet sich auch im Fidelice Precision Digital-To-Analog-Converter, kurz: Precision DAC, der unter dem Dach seiner 2005 in Texas gegründeten Firma Rupert Neve Designs entstand, wo er nach dem Verkauf seiner bisherigen Unternehmungen neben preisgekrönten Studiogeräten Kopfhörer- und Phono- Pre-Amps sowie unseren D/A-Wandler konstruierte. Was der „Einstein des Mischpults“ (Nirvana-Drummer Dave Grohl) hier geschaffen hat, wirft nicht nur beim trapezförmigen Design mit rotem Lautstärkeknopf aus eloxiertem Aluminium oder Holzapplikation auf der Oberseite Konventionen über Bord.
KÖNNTE FAST EINE RÖHRE SEIN
Auch beim technischen Konzept schlug Rupert Neve wieder eigene Wege ein. So handelt es sich bei dem Precision DAC genau genommen um eine Kombination aus D/A-Wandler, Vorstufe und Kopfhörerverstärker. Auch wenn das nostalgisch-eigenwillige Design den Anfangsverdacht auf Röhren im Inneren nährt, bedient sich Neve hier ausschließlich modernster Bauteile mit Halbleitertechnik – vulgo Transistoren.
Allerdings erspäht man unter dem geschlitzten Aluminumdeckel links auf der Audioplatine zwei kleine, nach Maß gefertigte Transformatoren. Spätestens auf den zweiten Blick wird auch jenen, die nicht mit den Schaltungskonzepten des genialen Entwicklers vetraut sind, klar: Die beiden stehen nicht mit der Spannungsversorgung in Verbindung. Stattdessen – man ahnt es nach dem anfänglichen Exkurs in Neves Konstruktionsphilosophie – fungieren sie als Übertrager für den symmetrischen XLR-Ausgang. So soll der Precision DAC smooth und musikalisch wie ein Röhrengerät klingen und die hohe Bandbreite moderner Halbleiter nutzen, die mit HiRes-Kost schnurgerade bis 100 Kilohertz reicht.
Auch beim Blick auf den in unserem Messlabor ermittelten Rauschabstand von 115 dB wird die Sonderstellung des Neve-Konzepts deutlich. Offensichtlich haben wir es hier eben nicht mit dem Spätwerk einer Legende zu tun, das nur vom einstigen Ruhm und dem großen Namen zehrt. Chapeau!
Zum Anschluss des Precision DAC an Endstufen oder Aktiv-Lautsprecher stehen ein Cinch- und ein symmetrischer XLR-Ausgang bereit. Dazu kommen drei dedizierte Kopfhörerausgänge: ein asymmetrischer Klinkenanschluss sowie je eine symmetrische 4-Pol-XLR- und Pentaconn-Buchse. Um auch leistungshungrige Kopfhörer zu betreiben, lässt sich die Verstärkung mit einem High-Gain- Schalter hochfahren.
Eine Elektronik von solchem Schlag verlangt nach einem leistungsfähigen Digital-Analog-Converter-Chip. Neve nutzt einen AKM AK4497. Dabei handelt es sich um das Flaggschiff von Asahi Kasei Microdevices mit 32-Bit-Architekur, die der verheißungsvolle Namen „Velvet Sound“ ziert. Laut Spezifikationen schafft der Zwei-Kanal-DAC über 130 dB Systemdynamik. Seine maximal möglichen 768 MHz Abtastrate für PCM- Ton nutzt der AK4497 im Neve-DAC zwar auch über USB nicht ganz aus – er begnügt sich mit 384 kHz –, aber bei DSD kommen dann die vollen 22,4 MHz, sprich DSD512, zur Geltung. Damit lässt sich der Precision DAC via USB-B am Rechner als externe Soundkarte der Superlative verwenden. Über einen Dip- Schalter auf der Rückseite lassen sich verschiedene Digitalfilter- Charakteristiken, Gruppenlaufzeiten und der High- Quality-Mode des AKM-DACs anwäh - len. Man kann den Fidelice sogar auch statt mit USB oder seinem koaxialen und optischen S/PDIF-Eingang über einen symmetrischen und asymmetrischen Analog-Eingang als puristischen Vorverstärker nutzen.
DEN WÜRDE DER KÜNSTLER KAUFEN
Im Hörtest erfreute der Fidelice Precision DAC mit einer mitreißend satten und stimmigen Performance. Alles, was man vor einem solchen Test über den Exoten aus Wimberley im US-Bundesstaat Texas aufgrund seiner langen Ahnenreihe ahnen konnte, sollte sich bewahrheiten. Er bot eine Neutralität, wie man sie von Studiogeräten kennt und schätzt, wirkte dabei aber niemals nüchtern oder blutleer. Sehr schön konnte man bei Live-Aufnahmen wie dem Album „Live At Pompeii“ des Pink- Floyd-Gitarristen David Gilmour die Tiefe der Konzertarena nachvollziehen, wenn das Publikum etwa bei „Wish You Were Here“ mitsang. Doch nicht nur die Tiefe ließ sich erleben, der DAC baute auch eine besonders hohe imaginäre Bühne vor dem Hörer auf.
Dabei gelang es dem Fidelice, jedes noch so subtile, teils selten in jener Güte gehörte Detail in einen musikalischen Spannungsbogen einzubinden, der das bewirkt, was einen echten Genießer einen mittleren vierstelligen Betrag allein für einen vielseitgen Kopfhörer-DAC mit Vorverstärker-Funktion ausgeben lässt: Er erzeugte Emotionen und vermittelte einen Eindruck von den Intentionen der Künstler, woran Impulswiedergabe, Bass punch und Timing-Präzision ebenfalls einen großen Anteil hatten.
MESSLABOR
Links: Einwandfreie Frequenzgänge. Analoge Signale lassen sich in der Lautstärke regeln, aber nicht verstärken (max. Gain 0 dB). Das Ausgangssignal ist rauscharm (RCA 113 dB, XLR 110 dB) und nahezu klirrfrei (THD+N 0,004% bei 2V). Der niederohmige Kopfhörerausgang (0,7 Ohm) liefert 1000 mW an 32 Ohm respektive 260 mW an 300 Ohm, womit er sich für verschiedenste Kopfhörertypen gut eignet.
FAZIT
Stefan Schickedanz AUDIO-Mitarbeiter
Mich erinnerte vieles in der Story von Rupert Neve an den Fliegeruhren-Guru Helmut Sinn, der im Rentenalter ebenfalls seine nach ihm benannte Firma verkaufte, um dann mit einer neuen Uhrenfirma durchzustarten. So entstehen Produkte, die aus dem Rahmen fallen und einen Spirit bieten, den man bei den großen Marken für kein Geld der Welt mehr bekommt.