... liefert neue Einblicke in diesen Lebensraum. Für eine dreiteilige BBC-Doku (siehe TV-Tipp Seite 15) entstand in Tansanias Naturschutzreservat Mwiba, das am Südrand der Serengeti liegt, eine künstliche Wasserstelle. Damit sich die wilden Tiere auch von allen Seiten nähern können, gruben Reservatsmitarbeiter und Filmteam die beiden Becken mitten in der offenen Savanne. Dazu hoben sie tonnenweise Erde aus, verlegten acht Kilometer Glasfaserkabel und Leitungen, installierten 20 Spezialkameras, die das Geschehen rund um die Uhr dokumentierten. 60.000 Liter Grundwasser mussten aus der Tiefe gepumpt werden, um die durstigen Tiere zu versorgen. In 250 Metern Entfernung richtete das Team ein Camp ein, um die Aufnahmen live sichten und jede auftauchende Tierart registrieren zu können.
Viel Aufwand für eine Doku? Es geht um mehr als nur spektakuläre Bilder. „In unserer sich schnell verändernden Welt wird es immer schwieriger, ausreichenden Zugang zu Wasser zu erhalten“, erklärt Dr. Meredith S. Palmer, wissenschaftliche Beraterin des Projekts. „Die globale Erwärmung verändert die Ökosysteme der Savannen, beeinflusst den Zeitpunkt und die Intensität lebensspendender Regenfälle und macht die ohnehin schon harten Trockenzeiten noch brutaler. Unter diesen Umständen werden künstliche Wasserstellen zu einer gängigen, wenn auch kontroversen Strategie für das Wildtiermanagement.“ Das Mwiba-Projekt könnte wichtige Erkenntnisse für die Zukunft liefern.
Die Trockenzeit beginnt, kostbares Nass steht bereit, Kameras laufen. Jetzt wird es spannend. Wie viel Zeit wird vergehen, bis die ersten Tiere das Wasserloch entdecken? Genau 45 Minuten! Warzenschweine machen den Anfang. Doch sie kommen gar nicht zum Trinken – sondern wälzen sich im Schlamm. Weil ihnen Schweißdrüsen fehlen, regulieren sie so bei Hitze ihre Körpertemperatur. Wenig später müssen sie Neuankömmlingen weichen: Elefanten! Die Dickhäuter können Wasser noch aus 19 Kilometern Entfernung wittern. Deutlich nervöser nähern sich dann die Impalas. Diese Antilopen fürchten Raubtiere, die sonst an Wasserlöchern auf Beute lauern.
Die Stammgäste sind da
Am fünften Tag haben bereits 20 verschiedene Arten das Angebot des Filmteams entdeckt und kommen regelmäßig zum Trinken. Bei Abschluss der Dreharbeiten umfasst die Liste mehr als 105 – vom Leoparden bis zur Südlichen Grünmeerkatze, vom Mosambikhasen bis zum Marabu. Große Konflikte bleiben zunächst aus. Im Gegenteil: Das Filmteam stellt fest, dass sich die Wildtiere das Wasserloch nach einem „Stundenplan“ teilen. Ab 8 Uhr morgens kommen die Impalas, um 11 Uhr ist Zebrazeit, ab 13 Uhr nähern sich die Warzenschweine, anschließend machen sich meist Elefanten breit. Die Kaffernbüffel nutzen das Wasserloch in der Morgen- und Abenddämmerung. Eine wilde Lebensgemeinschaft teilt sich die Mwiba-Oase.
Die Situation eskaliert jedoch auf dem Höhepunkt der Trockenzeit. Die Temperatur steigt auf 40 Grad Celsius, die meisten Tiere besuchen das Wasserloch erst in der Kühle der Nacht. Infrarotkameras halten fest, dass im Dunkeln neue Räuber auftauchen: Tüpfelhyänen! Wenn sie herumstreifen, bleiben sogar Löwen und Leoparden der Wasserstelle fern. Die gefährlichen Raubtiere jagen im Rudel und machen unmissverständlich klar: Nachts sind wir die Chefs! Verblüfft dokumentiert das Filmteam, wie sehr die Hyänen das Leben am Wasserloch verändern. Tagsüber erobern dagegen Nilgänse das Revier. Harmlose Vögel? Von wegen! Diese Gänse sind vor allem in der Brutsaison extrem aggressiv und gehen sogar auf Giraffen los, die trinken wollen. Erbitterte Rivalenkämpfe lassen das Wasser aufspritzen. Für zahlreiche Pflanzenfresser wird die künstliche Oase von Mwiba jetzt immer gefährlicher.
Das Leben verändert sich
Kaffernbüffel, zuvor Stammgäste, kommen seltener. Dafür erscheinen mehr Elefanten, auch um sich mit Schlamm- und Staubbädern abzukühlen. Nach sechs Monaten Drehzeit wird deutlich, dass das Leben an den Wasserlöchern deutlich komplexer ist als gedacht. „Es überrascht, wie mächtig sie das Gesicht ganzer Ökosysteme verändern“, sagt Meredith S. Palmer. „Deshalb sind Planung und umfassendes Wissen über den Lebensraum, dem man neue Wasserquellen hinzufügt, der Schlüssel zum Erfolg.“ Das Mwiba-Wasserloch bleibt jedenfalls auch nach Abschluss der Dreharbeiten bestehen – als eine neue Oase für Afrikas Tierwelt.
KAI RIEDEMANN
Arbeiten am Wasserloch
1 Das Camp lag abseits, um die Tiere nicht zu stören. Dafür wurden acht Kilometer Kabel verlegt
2 Mehr als 100 Tonnen Erde mussten für die Becken ausgebaggert werden
3 Im Kontrollraum des Camps wurde jede Bewegung am Wasserloch erfasst
4 Aus dem Versteck heraus glückten Zusatzaufnahmen. In Augenhöhe mit den Tieren!