... Brunnen zu vergiften. Willkommen in Unterleuten, einem fiktiven 200-Seelen-Dorf in Brandenburg, erdacht von Schriftstellerin Juli Zeh. Der gleichnamige Roman um das fiktive Nest, in dem nicht nur wegen eines geplanten Windparks zahlreiche Konflikte toben, war 2016 der Bestseller des Jahres. Es sind vor allem die raffinierten Perspektivwechsel, mit denen die Autorin die Leser fesselt. Jedes Mal, wenn man glaubt, die Handlungen einer Figur zu verstehen, werden deren Motive kurz darauf konterkariert, indem der Kampf gegen die „Windmühlen“ vor den Toren des Dorfs plötzlich aus der ebenso nachvollziehbaren Sicht einer rivalisierenden Figur fortgesponnen wird. „Für mich“, so Schriftstellerin Juli Zeh gegenüber HÖRZU, „ist der Übergang von einer Innensicht in die nächste das große Thema dieses Stoffs. Ebenfalls wichtig ist der Gegensatz von Stadt und Land.“
Kampf gegen Windräder
Doch diese Kontraste sind bei Weitem nicht der einzige Reiz der starbesetzten dreiteiligen Verfilmung fürs ZDF (s. TVTipp Seite 22). Charly Hübner, dessen Figur, der Schrotthändler Schaller, viele Dörfler gegen sich aufbringt, meint: „In diesem Film findet man als Zuschauer in jeder Figur jemanden wieder, den man aus seinem Umfeld kennt, vom schwächelnden Anführer über alte Stänkerer bis zur nachrückenden jungen Generation. Und natürlich gibt es auch Leute, die immer schon einen schlechten Ruf hatten, sowie Weltverbesserer, die mit ihren Aktionen eine Katastrophe heraufbeschwören.“
FEUERTEUFEL
Schrotthändler Schaller (Charly Hübner) macht den Nachbarn das Leben zur Hölle
INVESTOR
„Heuschrecke“ Meiler (Alexander Held) will seine Windradareale an Anne Pilz (Mina Tander) verkaufen
POWERFRAU
Kathrin (Bettina Lamprecht) bringt das Geld nach Hause, denn Wolfi (Bjarne Mädel) bekommt nichts auf die Reihe
KAPITALIST
Gombrowski (Thomas Thieme) beschäftigt viele Dörfler, auch Betty (Sarina Radomski)
Rosalie Thomass, die im Film für ihr Kind und gegen Windparks kämpft, ergänzt: „Ein weiterer Denkanstoß ist, sich zu fragen, wie wir nachhaltiger leben können, ohne dass sich Einzelne dabei benachteiligt fühlen.“ Denn natürlich, so Thomass, könne es nicht sein, dass frischen Hausbesitzern plötzlich ein Windrad direkt vors Fenster gestellt wird. „Ich habe viel Verständnis für meine Filmfigur Jule, die sich dabei fühlt, als würde man den Kölner Dom in ihrem Garten platzieren.“
Juli Zeh erzählt die Geschichte auf 640 Buchseiten – eine Herausforderung für den Regisseur, der solch ein Epos verfilmen will. Matti Geschonneck („Das Zeugenhaus“) gibt zu: „Eine Schwierigkeit bestand darin, die Spannung über drei Spielfilmlängen aufrechtzuerhalten. Für mich prallen in ‚Unterleuten‘ Welten aufeinander, die eigentlich zusammengehören sollten. Es ist eine Geschichte über unser Land, die den Zuschauer in einer Atmosphäre positiver Melancholie entlässt.“ Geschonneck wich für seine Version etliche Male vom Roman ab. Aus dem Windradlobbyisten Pilz wird im Film beispielsweise eine Frau. Selbst das dramatische Ende ist anders als im Buch. Warum? Der Regisseur verrät: „Es ging nicht darum, den Roman punktgenau nachzuerzählen. Als Regisseur muss ich mir Geschichte und Figuren zu eigen machen. Da entferne ich mich zwangsläufig von der Vorlage, um letztendlich wieder zu ihr zurückzukehren, mit allem Respekt vor der Arbeit der Autorin. Wir fanden es etwa spannend, eine Frau Pilz im schwarzen Kostüm in die Dorfversammlung zu schicken.“
ALTKOMMUNIST
Kron (Hermann Beyer) hat ein Geheimnis, von dem Tochter Kathrin (Bettina Lamprecht) lang nichts ahnt
Ein großes Schauspielfest
Charly Hübner ist überzeugt, dass der Dreiteiler selbst in 15 Jahren noch nachdenklich stimmen wird. „Dann“, so der Schauspieler, „wird ‚Unterleuten‘ ein Zeitdokument sein: der Blick durch ein großes Mikroskop auf die Gesellschaft, mit allen Verwerfungen, Annäherungen, Harmonien und Disruptionen. In ‚Unterleuten‘ ist man buchstäblich unter Leuten. Was dann die sogenannte Message, die Botschaft, sein wird, liegt beim Publikum.“
Dank der hochkarätigen Besetzung ist Matti Geschonnecks Film auch ein echtes Schauspielfest. Zu seinen Stärken zählt der gnadenlos analytische Blick auf menschliche Schwächen. Selbst wenn die kleinen Abweichungen vom Roman nicht immer plausibel erscheinen: Dieser Film ist ein großes Fernsehereignis, das man sich nicht entgehen lassen sollte.