... zusammengewohnt, nirgendwo sind sie viel länger als zwei Tage gestanden. Ihr Terrain: Europa, Eurasien, Teile von Afrika. Ihr Antrieb: die Lust auf Vanlife und Entdeckungen.
„Bei einem einjährigen Roadtrip durch Europa erlebst du gefühlt mehr als in fünf Jahren zu Hause“, sagt Max, der schon nach dem Abi zehn Monate mit dem Rucksack Asien bereiste und in Australien einen zwölfmonatigen Road-trip unternahm. Er kennt Abenteuer dieser Art seit seiner Kindheit. „Meine Familie hat nie auf großem Fuß gelebt, nie Wert auf Markenklamotten gelegt. Bei uns standen die gemeinsamen Reisen und Begegnungen mit fremden Kulturen im Vordergrund.“
Als Bub marschierte er in den Sommerferien mit seinen Eltern durch Costa Rica, erlebte Touren in der Karibik oder durch Neuseeland. Dabei paddelte er bei Tagesausflügen mit dem Kanu schon mal durch einen Fluss mit Krokodilen. Nach so exotischen Erlebnissen als Kind und Teenager wollte Max die Vielfalt Europas erforschen. „Ich war überrascht, wie viele verschiedene Eindrücke von Kulturen und Landschaften du hier in kürzester Zeit erleben kannst.“
Wer täglich nur ein kleines Stück fährt, manchmal nicht mehr als 40 Kilometer, stellt fest: Hier ändert sich ganz schnell alles. Gebäude, Straßen, Mentalität. „Von der Schweiz nach Italien – schon da siehst du einen enormen Unterschied.“
Ein mobiles Zuhause mit einem komfortablen Bett war Max und Alexandra dabei sehr wichtig. „Wer den ganzen Tag Abenteuer erleben möchte und sehr aktiv ist, der muss nachts gut schlafen.“ Deshalb tüftelte das Paar 15 Monate vor Reiseantritt am passenden Vehikel. „Wir haben den Ausbau von A bis Z selbst gestemmt.“ Den leeren Sprinter, ein Lieferwagen, mit Bett, Küche und Bad bestückt. Schubfächer und Auszüge installiert. Technik und Strom verlegt.
Raffinierte Details verwandelten den sieben Meter langen Transporter in einen Wohlfühlort: „Bei den Recherchen für den Ausbau hab ich beispielsweise bei Feuerwehrfahrzeugen Schwerlastschienen entdeckt und mich gefragt, was man damit wohl machen könnte“, erzählt Max von seiner Spezialbettkonstruktion.
Der sportliche Schwarzwälder ist kein Mechaniker, sondern hat ein Duales Studium Gesundheitsmanagement abgeschlossen und die Praxisjahre im Fitness-Studio gearbeitet. Für ihn gehört Gesundheit zur Lebensqualität – bei langen Reisen auf einer richtigen Matratze zu schlafen, ist dabei essenziell. „Und für die innere Zufriedenheit hab ich immer gern ein bisschen Heimat dabei.“
Job gekündigt und volle Kraft in den Van-Ausbau
Deshalb entschlossen sich die beiden, in ihrem Fahrzeug Schwarzwald-Feeling zu schaffen und vorwiegend heimisches Holz zu verbauen. Der komplette Innenraum wurde von Alexandra und Max mit Echtholz verkleidet, die Arbeitsplatten aus heimischem Zwetschgenholz geschreinert. Dazu kamen ein Backofen (für Ofengemüse und Kuchen), hübsche Vorratsgläser an den Hängeschränken (zum Aufdrehen), zwei Dachluken (für perfektes Klima), große, eckige Fenster (mit Baumrinde am Rahmen).
In der dreimonatigen Umbauphase kündigten die zwei ihre Jobs und konnten sich voll auf ihr Abenteuerprojekt konzentrieren. Vor allem für Alexandra ein großer Schritt: Sie arbeitete nach ihrem Abitur über ein Jahrzehnt mit großer Leidenschaft in einem sozialen Beruf. „Nach elf intensiven Jahren in einer geschlossenen Abteilung für Bewohner mit fortgeschrittener Demenz war Loslassen für mich nicht ganz einfach“, gesteht die gebürtige Chemnitzerin, die nach dem Roadtrip-Abenteuer jetzt wieder mit Max in einer Wohnung in Kandern im Südschwarzwald lebt.
Rückblickend hat sie für sich erkannt: „Ich brauche eine gewisse Struktur. Ich will am Abend wissen, was ich geschafft habe.“ Dazu kommt, dass die sportliche Frau sich in ihrem sozialen Beruf auch auslebt. „Ich helfe Menschen total gerne. Beim Reisen tust du, was dir gefällt. Das war für mich am Anfang ganz schön schwierig.“
In ihrer Kindheit war sie mit ihren Eltern eher klassisch unterwegs: im Ferienhaus in Dänemark oder im Hotel in Ungarn. Erfahrung mit dem Gefühl der endlosen Freiheit hatte sie trotzdem: „Ich hab nach dem Abi ein Jahr lang ‚Work and Travel‘ in Australien gemacht.“
Die Challenge: ein Jahr auf sieben Quadratmetern
Reicht das für ein Leben auf sieben Quadratmetern? Mehrere Monate? Immer zu zweit? „Ganz klar, das war ein herausforderndes Projekt“, sind sich die beiden einig. „Ich habe mich da einfach drauf eingelassen – so richtig wusste ich nicht, was auf mich zukommt“, sagt Alex.
Der Antrieb zum Reisen und Entdecken liegt bei Max in der Familie: „Mein Vater war Surfer durch und durch. Er hatte einen eigenen Surfladen, shapte Windsurf-Bretter und war gerne am Strand und auf dem Wasser.“ So kam auch seine Mutter zum Reisen, und gemeinsam erlebten sie einige verrückte Abenteuer in Mexiko oder anderen fernen Ländern. Manchmal benötigte es dafür eine extra Portion Überzeugungsarbeit.
„Max achtet oft darauf, wo die Topografie besondere Merkmale hat. Dort entdeckst du unglaubliche Aussichten und abgeschiedene Orte“
Alexandra Bauer
„So ähnlich war das bei uns auch“, sagt Alex und lächelt. „Beim Vanlife und einem Roadtrip in diesem Ausmaß hat uns dann besonders die Möglichkeit zur aktiven Bewegung in der Natur und an fremden Orten begeistert.“ Ihre Leidenschaft für den Sport bestimmte sogar den Ausbau ihres außen sieben Meter langen, zwei Meter breiten und drei Meter hohen Vans: Das Bett ist exakt so hoch, dass die Mountainbikes aufrecht darunter verstaut werden können. Platz für Kurzhanteln und Sportequipment wie TRX-Bänder wurde in der Heckgarage geschaffen.
Das Ziel: die Einsamkeit. „Bevorzugt haben wir immer Stellplätze, an denen wir allein in der Natur waren. Das ist in typischen Campingländern wie Portugal, Italien und Spanien gar nicht so einfach“, erzählt Max. Oft sind die beiden mit dem großen Fahrzeug tief in Schluchten, Täler und Wälder gefahren. „Du bist dann schon sehr überrascht, wenn selbst an den abgelegensten Orten manchmal noch zwei, drei andere Fahrzeuge stehen.“
Überfüllte Stellplätze mit unzähligen Fahrzeugen kamen für Alex nie in Frage. „Wir sind dann einfach weitergefahren.“ Womit die beiden bei einer der größten Herausforderungen sind, die die Reise zum Erfolg machte: „Es kommt echt drauf an, dass du gut Karten lesen kannst. Nicht nur, um am Ziel anzukommen, sondern auch um die attraktivsten geografischen Orte zu finden.“
Das sei auch beim Wandern und Radfahren wichtig. „Max achtet oft darauf, wo die Topografie besondere Merkmale hat. Dort entdeckst du unglaublich schöne Aussichten und besonders abgeschiedene Orte“, sagt Alex.
Zugegeben: „Das klappt nur in vier von fünf Fällen.“ Manchmal musste das Paar auch Umwege in Kauf nehmen. Oder sich eingestehen, dass sie von der Route abgekommen waren. „Da hatten wir dann schnell mehr als 100 Kilometer mit dem Fahrrad zusammen. Und das, nachdem wir nur Tage zuvor eine mehrtägige Wanderung mit 54 Kilometern unternommen hatten.“ Da ging Max tatsächlich manchmal die Puste aus. „Ich bin nicht unfit, aber Alex hat einfach eine unglaubliche Kondition.“ Trotzdem blieb das Aktivsein für die Reisenden die schönste Form der Entspannung: „Ich hab schon manchmal versucht, mein Handtuch an einem Strand auszubreiten. Aber sich einfach für mehrere Stunden in die Sonne zu legen, ging eigentlich nie. Es gab immer irgendwas zu entdecken.“ Wie wenn man Kinder auf einen Abenteuerspielplatz stellt. „Die können da auch nicht einfach ruhig sitzen.“
Erst mit dem Auto durch „Landschaften, die aussahen wie auf Postkarten“ fahren und dann Städte mit dem Fahrrad erkunden. Das Unbekannte war nicht nur bereichernd, sondern half auch beim Lösen von Konflikten. „Immer zu zweit und den ganzen Tag so viele Entscheidungen zu treffen – das war manchmal eine echte Herausforderung. Aber das nächste Ziel zieht dich weiter. Und dann geht’s auch wieder vorwärts“, sagt Alex.
Eine Plastiktüte und drei Welpen am Wegesrand
Hinein ins nächste Abenteuer – diesmal auf vier plus vier Pfoten: „In Marokko sind wir durch die Wüste gefahren. Plötzlich sagte Alex: ‚Da waren junge Hunde‘. Irritiert haben wir nach kurzer Diskussion, dass hier in der Wüste keine Hunde sein können, dann doch angehalten, Rückwärtsgang rein und tatsächlich: Da waren drei Welpen am Wegesrand, ausgesetzt in einer Plastiktüte“, erzählt Max.
Für die beiden Tierfreunde gab es keine Alternative: „Sie waren schon von Ameisen besiedelt, und viel Lebenskraft schien nicht mehr in den kleinen Wesen zu stecken. Ohne uns hätten sie vermutlich keine weitere Stunde überlebt. Die erschöpften Tiere am Straßenrand zurück zu lassen war für uns in diesem Fall unmöglich. Leider überlebte ein Welpe die erste Nacht nicht. Wir konnten nur zwei wieder zu Kräften und nach einigen Tagen auch zum 650 Kilometer entfernten Tierarzt bringen.“
Heute gehören die kerngesunden marokkanischen Mischlinge namens Peaky und Elon unzertrennlich zur Familie. „Wir hatten damals an jeder Grenze Herzklopfen. Die Hunde waren eigentlich zu jung, um sie auf üblichem Weg nach Deutschland zu bringen.“ Aber auch hier war es wie auf der ganzen Reise: „Jede gute Erfahrung, jede gute Entscheidung stärkt das Vertrauen in dich selbst und in die Situation. Wenn es um Tiere und das echte Leben geht, sind viele Leute bereit zu helfen, und so konnten auch wir auf Unterstützung zählen und die acht Pfoten sicher nach Hause bringen.“
Im Slide-out-Bett wollte jeder mal Probe liegen
Kontakte entstanden wie von selbst: Auf dem Land in kaum besiedelten Regionen oder in Ballungsgebieten, der Van-Umbau hat fast überall Aufsehen erregt. „Manchmal, wenn wir die Schiebetür offen hatten, blieben die Leute stehen und schauten interessiert ins Fahrzeug. Dann kam die Frage, ob man Bilder machen dürfte, und nicht selten endeten wir mit einer kompletten Roomtour unseres mobilen Zuhauses. Dabei hat das ausziehbare Bett dann immer für kollektive Begeisterung gesorgt. Keiner hat so richtig verstanden, wie das statisch überhaupt möglich ist, aber jeder wollte am liebsten direkt Probe liegen“, erzählt Max.
In Griechenland ging eine Begegnung mit einem älteren Mann Max und Alexandra unter die Haut. Er erzählte voller Leidenschaft, dass so ein Fahrzeug und so eine Reise immer sein großer Traum gewesen sei, den er sich trotz harter Arbeit nie erfüllen konnte. „In solchen Momenten wird dir bewusst, wieviel Glück du im Leben hast, dass du nichts für selbstverständlich hinnehmen solltest und Dankbarkeit ein Gefühl ist, dem man nie genug Aufmerksamkeit schenken kann.“
Das Land beim Kochen schmecken und entdecken
Alex sorgte parallel zu diesen erfüllenden Begegnungen auch kulinarisch für abwechslungsreiche Momente. „Ich hab mir durch Kochen und Einkaufen eine Struktur geschaffen.“ Auf den Straßenmärkten besorgte sie, was typisch für das Land und die Region war. Und kam damit dem echten Lebensgefühl über den Geruch und den Geschmack der landestypischen Speisen mit allen Sinnen näher.
Auch aus dieser Sicht war Europa ein absoluter Glückstreffer: „Es gibt wenige Regionen auf der Welt, wo du auf geografisch engem Raum eine so große Abwechslung findest.“ Von den Wäldern in Skandinavien über Wüsten in Marokko bis zu Ländern wie Moldawien oder der Ukraine, die wie aus der Zeit gefallen schienen.
„Die Armut, etwa in Rumänien, war eine sehr intensive Erfahrung. Die Feldarbeit findet dort in den meisten Fällen noch mit dem Vieh statt. Gefühlt bist du in einer komplett anderen Welt, musst dich selbst daran erinnern, dass du immer noch auf europäischem Boden stehst“, sagt Max.
Das Fazit: „Meist sind es nicht die Regionen mit schicken Häusern und teuren Autos vor der Türe, wo man auf einer solchen Reise die herzlichsten Menschen antrifft. Es sind jene Menschen, die am wenigsten haben und dies mit dir teilen möchten. Egal ob es in Osteuropa zerbombte Häuser sind oder Lehmhütten in Marokko, dort wirst du mit offenen Armen willkommen
„Jede gute Erfahrung, jede gute Entscheidung stärkt das Vertrauen in dich selbst und in die Situation.“
RIO-EBRO-DELTA, SPANIEN: MIT VAN MITTEN IM MEER
geheißen, als Mensch wahrgenommen und nicht selten zum Essen mit der Familie eingeladen.“
Vom Traumstrand zu einer Nacht in Bombenruinen
Küsten, Wüsten, Wälder – so abwechslungsreich wie die Route waren auch die Emotionen auf der langen Reise vom Schwarzwald in die Welt. „Spektakulär übernachteten wir mal südlich von Dubrovnik auf dem Gelände einer verlassenen 30 Hektar großen Hotelanlage, die in den 1960-er Jahren von der jugoslawischen Volksarmee gebaut und im Krieg zerbombt wurde. Heute ist sie verlassen.“
Ihren persönlichen Tiefpunkt erlebte Alex nach sieben Wochen an einem wunderschönen türkischen Strand. „Da fehlte mir die tägliche Routine.“ Max hatte derweil keine Zweifel an der Weiterfahrt. „Die Basis stimmt bei uns. Wir verstehen uns super, arbeiten gemeinsam an Konfliktlösungen. Und trotzdem muss einem bewusst sein, dass es keine Fluchten gibt.“
Kein Fernsehprogramm und keine andere Gesellschaft. Stattdessen jeden Tag eine ganze Reihe Entscheidungen. „Du übernimmst Verantwortung für die Route und musst zwangsläufig auch mit den eigenen Irrtümern zurechtkommen, es ist ein Lernprozess.“
Deshalb lautet auch der wichtigste Tipp der beiden: einfach machen. Jede gute Idee einfach ausprobieren. „Mal nachts um vier aufstehen, die Wanderstiefel schnüren und loslaufen – dem Sonnenaufgang entgegen.“ Und dabei am besten nichts erwarten. „Dann kannst du nicht enttäuscht werden, und die schönen Überraschungen fühlen sich am allergrößten an.“
„Die Basis stimmt bei uns. Wir verstehen uns super und arbeiten gemeinsam an Konfliktlösungen.“
Alexandra und Max