... und langweilig aus. Obendrein ist die Einstiegshürde niedrig. Anleger sind oft schon mit 50, 100 oder 250 Euro dabei. Ein gutes ökologisches Gewissen und bisweilen auch kleine Geschenke gibt es bei vielen Offerten gratis dazu.
Kein Wunder daher, dass den Crowdinvesting-Portalen, die solche Investmentchancen publik machen und vermitteln, die Offerten bisweilen geradezu aus den Händen gerissen werden. 100.000 Euro sammelte 2012 zum Beispiel Seeding Alliance, ein Spezialist für Native Advertising, einer besonderen Form der Onlinewerbung, innerhalb von kürzester Zeit bei 198 Kleinanlegern ein. Mit dem Geld starteten die zwei Unternehmensgründer damals ihr neuartiges Geschäftsmodell. Schon 2014 waren sie profitabel, 2017 stieg zusätzlich ein professioneller Investor ein. Mittlerweile hat das Kölner Unternehmen 31 Angestellte, zwei weitere Niederlassungen durch Übernahmen und expandiert sogar nach Schweden, Österreich und die Türkei. Für die Kleinanleger als Geldgeber der ersten Stunde hat sich das mehr als gelohnt. Ihre Verträge wurden Anfang des Jahres mit dem Sechzehnfachen des ursprünglichen Anlagebetrags abgefunden. Das ergibt eine Rendite von 1.600 Prozent innerhalb von sieben Jahren. Wirtschaftlich ist Seeding Alliance damit das bislang erfolgreichste Crowdinvesting-Projekt. Das wohl bekannteste dürfte dagegen „Stromberg – der Film“ sein. Mehr als 3.000 Kleinanleger haben 2011 binnen einer Woche eine Million Euro für den Kinofilm des bekannten TV-Fieslings locker gemacht – und damit immerhin 17 Prozent Gesamtrendite kassiert. Bei einer Laufzeit des Investments von drei Jahren entspricht das zwar nur einer Rendite von 5,1 Prozent pro Jahr. In Zeiten von Sparzinsen nahe null Prozent sind derartige Gewinnchancen aber immer noch mehr als Verlockend.
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Sogar die Gewinnchancen der Börse sehen daneben langweilig aus.
Kein Wunder daher, dass die Zahl der Internetportale, die Crowdfinanzierungen anbieten, seit dem Start der ersten Projekte im Jahr 2010 geradezu explodiert. Mehr als 37 Portale bieten mittlerweile allein in Deutschland ihre Dienste für Crowdinvestment an. Zehn davon haben sich ausschließlich auf nachhaltige und oder ökologische Projekte spezialisiert, bei weiteren sieben Portalen sind grüne Projekte zumindest ein Schwerpunkt. Zusammen haben sie in der Zeit von Oktober 2011 bis Mitte März 2019 sagenhafte 762,5 Millionen Euro an Finanzierungsmitteln bereitgestellt, so der Brancheninformationsdienst crowdfundig.de. Weitere 95 Millionen Euro kamen bis Ende Juni 2019 hinzu. Der Löwenanteil der Gelder (60,7 Prozent) floss in Immobilienfinanzierungen, weitere 14 Prozent entfallen auf Neugründungen und Start-ups, darunter auch viele nachhaltige junge Firmen. Grüne-Energie-Projekte machen dagegen lediglich 3,2 Prozent des Marktes aus.
Ob sich das gewaltige Wachstum des Marktes auch für die Anleger lohnt, wird allerdings erst die Zukunft zeigen. Zwar locken die Plattformen mit einer hohen Rendite. Die ist meist erfolgsabhängig und kann aus einer jährlichen Gewinnbeteiligung sowie bei neu gegründeten Unternehmen zusätzlich aus einer Exit-Beteiligung oder Beteiligung am Unternehmenswert bestehen. Denn wenn der Anleger später aussteigt, ist das Unternehmen üblicherweise sehr viel mehr wert als zu Beginn der Finanzierung. „Gleichzeitig ist das Risiko aber enorm“, weiß Markus Kienle von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SDK). Denn beim Crowdinvesting stecken Anleger ihr Geld oft in neu gegründete oder zumindest sehr junge Unternehmen. „Das ist nichts für klassische Anleger und definitv nichts für die Altersvorsorge. Das Risiko ist vergleichbar mit den Aktienemissionen am Neuen Markt zur Jahrtausendwende. Da hat sich mancher die Finger verbrannt“, warnt Kienle.
Ähnlich könnte es beim Crowdinvesting aussehen, fürchtet Dirk Ulbricht, Direktor des Instituts für Finanzdienstleistungen (IFF) in Hamburg. Er rät, die Erfolgsmeldungen, mit der sich die Branche gerne schmückt, durchaus mit Vorsicht zu genießen. Denn das Gros der Projekte läuft noch. Nur ein knappes Fünftel der Projekte wurde bislang erfolgreich abgeschlossen. In allen anderen Fällen ist dagegen noch offen, ob die Anleger ihr Geld je wiedersehen und die versprochenen Erträge erhalten. Mitte Juni registrierte das Branchenportal Crowdinvest bereits 18 Projekte mit einem Finanzierungsvolumen von 13,2 Millionen Euro, die sich im Zahlungsverzug befinden. Bei den Start-up-Finanzierungen häufen sich bereits die Pleiten. Knapp ein Viertel der schwarmfinanzierten Start-ups mit einem Finanzierungsvolumen von mehr als 22,6 Millionen Euro ist mittlerweile insolvent. Der wohl spektakulärste Fall betrifft das Berliner Kamera-Start-up Panono. Fast drei Millionen US-Dollar hatten die Erfinder für den Bau und die Vermarktung der gleichnamigen 360-Grad-Kamera eingesammelt. Mit der neuartigen ballförmigen Kamera sollten sich während eines Wurfs oder auf einem Stativ Kugelpanoramen aufnehmen lassen. Doch bei der Produktion gab es Probleme und Verzögerungen. Mittlerweile ist Panono insolvent. Eine neue Investorin hat die Vermögenswerte des Unternehmens zwar übernommen und produziert die Kamera weiter, Verpflichtungen gegenüber den Anlegern hat sie jedoch nicht. Ob die 1.799 Anleger, die sich über Companisto an dem Projekt beteiligt hatten, von ihren 1,6 Millionen Euro etwas wiedersehen, ist daher offen.
„Im Erfolgsfall winken bis zu 1.600 Prozent Rendite. Doch der gesamte Kapitaleinsatz kann auch leicht verloren gehen.“
Auch in der bislang als solide geltenden Immobiliensparte nehmen in den letzten Monaten die Reinfälle zu. Im Mai meldete das über die Bergfürst-Plattform vermittelte Projekt Z19 Stadthaus Plus in Sachsen-Anhalt Insolvenz an. Mehr als 500 Anleger, die sich mit rund 440.000 Euro an dem Bauprojekt in Bernburg beteiligt hatten, sind betroffen. Eigentlich hätten sie ihr Geld, mit dem barrierefreie Miet- und Eigentumswohnungen finanziert werden sollten, in Anfang Juli samt Zinsen zurückerhalten sollen. Doch weil sich das Bauprojekt nicht wie geplant realisieren ließ, stellte der Projektentwickler jetzt Insolvenzantrag. Ähnlich sieht es bei zwei hessischen Immobilienprojekten aus, der Steinbacher Terrasse und dem Nassauer Hof, die über die Plattform Zinsland liefen. Bei der Steinbacher Terrasse verlieren wohl 522 Anleger ihr Geld, die 966.000 Euro in den Neubau des Wohn- und Geschäftshauses investierten. Beim Wohn- und Geschäftshauses Nassauer Hofs sind 453 Anleger mit einem finanzierten Volumen von 897.000 Euro betroffen.
Dirk Ulbricht wundert das nicht. Erstens sei der Immobilienmarkt ohnehin überhitzt. Zweitens würden über die Portale oft Projekte angeboten, die von professionellen Investoren und Banken aufgrund ihrer Risiken gar nicht übernommen würden. Doch wo Profis schon zögern, sollten Kleinanleger erst recht die Finger davon lassen. „Die Anbieter locken zwar mit hohen Zinsen, doch die haben wie üblich einen Haken: die Anlage ist hochriskant, das Geld kann komplett verloren gehen, das ist nichts für normale Anleger“, so Ulbricht. Ganz so weit würde Wolf Brandes, Teamleiter Marktwächter Finanzen bei der Verbraucherzentrale Hessen, nicht gehen. „Für die Altersvorsorge sind solche Investments sicherlich ungeeignet. Aber wenn jemand Crowdinvesting unbedingt ausprobieren will und das nötige Spielgeld hat, werden wir ihm davon nicht abraten“, so Brandes. „Man sollte sich der Risiken eines Totalverlustes aber auf jeden Fall bewusst sein.“
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Um dieses Risiko zu minimieren, ist es unerlässlich, sich so detailliert wie möglich über das potenzielle Anlageprojekt zu informieren. Die Angaben auf der Plattform allein reichen dazu meist nicht aus. Wichtig sind detaillierte Informationen über das Projekt und den Anbieter. Sehr zum Bedauern der Verbraucherschützer gibt es bei Crowdinvestments zwar keine Prospektpflicht (Einzelheiten s. Kasten S. 81). Aber immerhin müssen die wichtigsten Chancen und Risiken in einem dreiseitigen Vermögensanlage-Informationsblatt kurz skizziert werden. Diese Informationen sollten Anleger auf jeden Fall gründlich lesen und Fragen ggf. direkt mit dem Anbieter klären. Besonders wichtig sind – neben der Verzinsung und der Laufzeit – die Angaben zu den Kosten und zur Verschuldungsquote des Emittenten. Steckt der zum Beispiel bereits tief in den roten Zahlen, sollten Anleger lieber die Finger davon lassen. Denn dann trägt der Anbieter selbst keinerlei Risiko – ein Warnzeichen. Auch auf die Verschuldungsquote sollten Anleger achten. Je höher sie ist, desto schneller können unvorhergesehene Risiken das Projekt gefährden.
Johannes Ranscht, Geschäftsführer von gleich drei Crowdinvesting-Plattformen, Seedmatch (Unternehmen), Mezzany (Immobilien) und Econeers (Erneuerbare Energie), rät zudem dringend zu Risikostreuung. „Wer 1.000 Euro investieren will, sollte das Geld unbedingt auf vier verschiedene Projekte verteilen.“ Ähnlich sieht es auch Peter Barkow, Geschäftsführer der gleichnamigen Consultingfirma, die Unternehmen bei Finanzierungsfragen berät. „Wir reden hier von Hochrisikobeteiligungen. Die zahlen sich nur aus, wenn es im Erfolgsfall ein Vielfaches des Kapitaleinsatzes zurückgibt“, fügt Barkow noch hinzu.
Finger weg, wenn der Anbieter selbst keinerlei Risiko trägt.
Professionelle Venture-Capital-Investoren oder Business-Angels, die wie in der Fernsehsendung „Höhle der Löwen“ Kapital für neue Firmen und Geschäftsideen locker machen, streben bereits nach zwei Jahren eine Verdoppelung des Kapitaleinsatzes und nach fünf Jahren eine Verfünffachung an. Wirklich zufrieden sind sie sogar erst, wenn es das Zehnfache zurückgibt. Das kling nach Gier, ist es aber nicht. Die hohen Ertragschancen sind vielmehr notwendig, damit ein Volltreffer unter möglichst vielen Beteiligungen die Verluste aus anderen ausgleicht. Denn nach den Erfahrungen der Profis enden 60 bis 70 Prozent aller Crowdgeschäfte mit Verlusten. Da müssen die restlichen 20 bis 30 Prozent an erfolgreichen Projekten schon entsprechend hohe Gewinne abwerfen. Sonst bleibt das Ganze unterm Strich nur ein Minusgeschäft.
Anmerkungen Crowdfunding-Portale: 1) Portal ist selbst gemeinnützige Organisation ohne Gewinnabsicht. Projektpartner müssen Verwendung der Gelder offenlegen. Sofern mehr Spendengelder zusammenkommen als benötigt, werden diese über die gemeinnützige AG „gut.org“ für weitere gemeinnützige Zwecke verwendet (entsprechend der Satzung des Portals). Keine Transaktionskosten bei Projekten, bei denen andere Spendenportale genutzt werden. 2) Betreiber der Plattform ist die GLS Treuhand. 3) Breit gefächertes Angebot von Projekten aus allen möglichen Bereichen, darunter Umwelt, Landwirtschaft, Social Business, Bildung. 4) Vermittelt werden nur Projekte von gemeinnützigen Vereinen und Institutionen aus dem Geschäftsbereich der Evangelischen Bank.
Anmerkungen Crowdinvesting-Portale: (siehe ab Seite 82) 1) Plattform erhält bei dem Projektbeispiel neben 12 Prozent Provision plus jährlichen Kosten von 1,5% eine zusätzliche Erfolgsabhängige Verzinsung von 15%, sobald Anleger 10 % Mindestrendite erhalten. Das bedeutet: Die über 10 Prozent hinausgehende Rendite wird zu 85 Prozent auf die Anleger und zu 15% auf die Plattform verteilt. Achtung: Verschuldungsgrad kann nicht ermittelt werden, weil das Eigenkapital des Emittenten einen Fehlbetrag von 170.718,44 Euro aufweist. 2) Projektbeispiel endfällig mit 5 Jahren Laufzeit. Seit Anfang Juli betreibt AUDITcapital unter dem Namen „ecozins“ eine neue Plattform speziell für erneuerbare-Energien-Projekte. 3) Achtung: keine Angaben zur Verschuldungsquote des Projektanbieters, da negatives Eigenkapital vorliegt. 4) Im Projektbeispiel fallen 16,25 % der Fundingsumme an Provisionen +Verwaltungskosten von 1,5 % p.a für die Plattform an. Bei Abwicklung sind weitere 15 % Wertsteigerungszinsen zu zahlen, d.h. Anleger werden nur zu 85 % an der Unternehmenswertsteigerung beteiligt. 5) Im Projektbeispiel fallen 2,5 % der Fundingsumme an Provisionen +Verwaltungskosten von 1,3 % p.a für die Plattform an. 6) Anbieter errechnet die CO2-Einsparungen des Projekt nach der Methodologie der United Nations Framework Convention on Climate change (UNFCCC).Baseline ist der vermiedene Strombezug aus dem jeweiligen öffentlichen Stromnetz. Im Projektbeispiel erhält die Plattform 2,2% der Fundingsumme als Provision sowie 250 Euro Fixvergütung. 7) Im Projektbeispiel entfällt die Exitbeteiligung, falls das Unternehmen nicht verkauft wird. Dann gibt es nur das Darlehen zurück. 8) 5,5 % Zins nur in den letzten drei Jahren ab 2029, Investition in bereits bestehende Solarkraftwerke, die aus dem Portfolio des Anbieters übernommen werden. Keine Angaben zum Verschuldungsgrad, da noch kein Jahresabschluss des Anbieters vorliegt. Grundsätzlich werden auf dem Portal, einem Tochterunternehmen der GLS-Bank, nur Projekte angeboten, die zu den Werten und Zielen der nachhaltigen GLS-Bank passen. 9) 6 % Festzins für Frühzeichner, sonst 5 Prozent, für beide Varianten plus 1% Zinszuschlag für Anlagen ab 1.500 Euro, später 1 % Umsatzbonus ab 500.000 Euro Umsatz. Bei einer Exitbeteiligung tragen die Anleger die Kosten eines Wirtschaftsprüfers zur Feststellung des Unternehmenswertes. 10) Projektbeispiel: Kauf und Modernisierung eines bestehenden Blockkraftheizwerks, Bestandsanlage mit EEG-Vergütung von 2013 (Biomasse). Achtung Keine Angaben zum Verschuldungsgrad, da es sich beim Anbieter um ein neu gegründetes Unternehmen handelt und noch kein Jahresabschluss vorliegt. Plattform erhält 4,5 % der Fundingsumme als Provision, 4,5 % als Marketing Fee und 1 % als Performance Fee. 11) 5,5 % Zins nur in den letzten drei Jahren ab 2029, Investition in bereits bestehende Solarkraftwerke, die aus dem Portfolio des Anbieters übernommen werden. Keine Angaben zum Verschuldungsgrad, da noch kein Jahresabschluss des Anbieters vorliegt. Die Plattform erhält 8,96% des Gesamtbetrags der Vermögensanlage als Vermittlungsprovision und für Anlaufkosten. 12) Portal = 100%ige Tochter der Frankfurt Energy Holding GmbH, Im Projektbeispiel erhält die Plattform keine Provisionen, sondern nur eine Vergütung von 9.650 Euro. Achtung: Verschuldungsgrad des Anbieters liegt bei 170 %. 13) Genussschein mit qualifiziertem Rangrücktritt; Bonusverzinsung = 0,52 % des Zeichnungsbetrags je volle 1000 Reservierungen für das E-Auto. Achtung: Verschuldungsgrad des Anbieters beträgt 217 %. Portal erhält eine Vermittlungsprovision von 4 % des vermittelten Kapitals zzgl. 0,5 % p.a. für Verwaltung + 40.500 Euro für die Zahlstelle.
Stand: 01.Juli 2019. Aufgeführt sind Portale, die ausschließlich oder schwerpunktmäßig nachhaltige Projekte unterstützen.
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