... flüstert Arved. »Ja, das wäre praktisch«, murmelt Jorik und linst vorsichtig durch das Schlüsselloch nach draußen. Dort sieht er nur ihr leeres Kinderzimmer. Doch sie hören Mamas Schritte durchs Haus stampfen.
»Was man alles machen könnte, wenn man unsichtbar wäre«, wispert Jorik. »Wenn ich unsichtbar wäre, würde ich nachts im Wald die Tiere beobachten. Dann kommen die ja alle aus ihren Verstecken und machen was. Dann sehen wir die. Aber die uns nicht«, flüstert Arved.
»Gute Idee«, munkelt Jorik. »Obwohl … auch ein bisschen gruselig. Dann ist ja alles dunkel im Wald.« »Genau! Und es knackt im Unterholz ...«, raunt Arved. Und schaut geheimnisvoll.
Doch dann hören sie Mama irgendwo im Haus rufen. »Aaaarveeed! Joooriiik! ! Kommt ihr bitte mal?
Aber ganz fix!«
Und sie sind wieder ganz still.
Jorik grinst. »Wenn wir unsichtbar wären, könnten wir nachts in den Freizeitpark gehen, wenn alle raus sind. Und hundertmal hintereinander mit der großen Loopingbahn fahren!«, zischelt er. »Nachts ist doch alles ausgeschaltet«, tuschelt Arved zurück.
Jorik überlegt. »Bestimmt gibt es irgendwo einen großen, roten Geheimknopf. Wenn wir den drücken, gehen alle Lichter an, die Musik dudelt, und alle Bahnen rattern los!«, brummt er.
»Wir dürfen nur nicht kreischen im Looping, wie sonst«, nuschelt Arved. »Wir sind ja nur unsichtbar, und nicht unhörbar!« »Ja, Kreischverbot!«, stimmt Jorik leise zu.
Mama kreischt jetzt auch richtig rum da draußen. Und sie ist auch ein Stück nähergekommen. »Ich glaube es nicht! Was habt ihr mit Herrn Schlönzke gemacht? Ich zähle jetzt bis drei: EINS!«
»Wenn ich unsichtbar wäre, würde ich im Zoo ins Eisbärgehege gehen. Und das kleine Eisbärbaby knuddeln, von dem das Foto in der Zeitung war«, murmelt Arved. »Es ist bestimmt so flauschig wie ein Bademantel!«
»Und wenn die Eisbärmama dich beißt?«, fispelt Jorik. »Ihre Zähne sind bestimmt so hart wie eine Badewanne!« »Die sieht mich doch nicht, du Eumel!«, zischt Arved. »Aber sie kann dich riechen«, piepst Jorik. »Du bist ja nur unsichtbar, nicht unriechbar!«
»Wonach rieche ich denn?«, will Arved wissen. »Nach Arved«, flüstert Jorik und giggelt. »Das finden Eisbären tierisch lecker.«
Mama ist jetzt fast im Kinderzimmer. »ZWEI!«, ruft sie laut.
Die beiden zucken kurz zusammen.
»Wenn wir unsichtbar wären, könnten wir auch bei einem echten Fußballspiel im Stadion auf den Platz laufen. Und uns den Ball schnappen!«, flüstert Jorik.
»Tolle Idee«, wispert Arved begeistert. »Und dann würden wir ein Tor schießen. Und alle jubeln, aber keiner weiß, wer es war!« Jorik überlegt. »Aber rempeln uns dann nicht alle an beim Jubeln? Wir sind ja nur unsichtbar, und nicht ... unrempelbar!«
Arved nickt nur. Er will nichts mehr sagen, weil Mama jetzt im Kinderzimmer direkt vor dem Kleiderschrank steht und sehr laut »DREI!« ruft.
Arved geht mit seinem Mund ganz nah an das Ohr von Jorik: »Ich glaube, wir müssen Herrn Schlönzke wieder sauber machen.«
»Ich glaube auch«, haucht Jorik zurück. »Und eigentlich will ich doch gar nicht unsichtbar sein. Einen richtigen Körper zu haben ist doch irgendwie … gefühliger. Und auch gemütlicher!«
Doch das war zu laut. Mama hat sie gehört. Schon geht die Schranktür auf. Da steht sie. Mit dem grünen Hund im Arm.
»Entschuldigung!«, sagt Jorik sofort.
Arved sagt lieber gar nichts.
Und beide gucken so, wie man gucken muss, wenn die Eltern schimpfen wollen.
Die grüne Farbe ging dann doch mit viel Wasser ganz gut raus aus dem Fell von Herrn Schlönzke. Sie war danach eigentlich gar nicht mehr zu sehen.
Fast unsichtbar.
Jan Kaiser ist von Hause aus Jurist. Aus Spaß an der Freude schreibt er Gedichte und Geschichten für Kinder, die in verschiedenen Verlagen erscheinen und im Radio zu hören sind. Er lebt mit seiner Familie im Breisgau. www.jan-kaiser.info
Antje Drescher wurde 1972 in Rostock geboren, studierte an der FH Hamburg Illustration und arbeitet seit 1999 für verschiedene Verlage im Kinder-und Jugendbuchbereich. www.antje-drescher.de