... anderes wäre unfair in meinen Augen, denn damit würde ich nur einem anderen Fahrer den Teilnahme-Spot wegnehmen; davon gibt es schließlich nur eine Handvoll. Mit 36 Jahren bin ich dieses Jahr der älteste Rider. Verrückt, denn bei meiner ersten Rampage 2004 war ich erst 17 und einer der Jüngsten. Crazy, was wir damals versucht haben. Ich stand zum Beispiel kürzlich an der Klippe, wo ich 2004 den ersten
360er-Drop versucht hatte und crashte. Selbst heute würde ich das nicht mehr wagen. Es gab nicht mal eine Landung! Der Sport entwickelt sich rasant weiter, doch krasse Dinger werden niemals out sein, das ist immer cool. Das Alter hält mich jedenfalls nicht zurück, auch all die Stürze nicht, die ich hier hatte – und ich hatte viele. Denkt nur an das Canyon-Gap, wo ich über den Lenker flog und ins Flache geprallt bin. Was für ein Einschlag! Mich ermutigen solche Crashs sogar, denn wenn ich das wegstecken kann, kann ich auch eine Menge mehr wegstecken. Das ist keine falsche Selbstsicherheit. Wäre ich ums Risiko besorgt, würde ich überhaupt nicht mountainbiken. Denn es kann überall passieren. Mein Freund Jordie Lunn, der die krassesten Stunts wagte, starb auf einem ganz normalen Trailride! Sprich: Mountainbiken ist verdammt gefährlich. Punkt. Selbst wenn man nur gechillt durch die Bäume zirkelt. Denn: Lenkst du falsch und prallst gegen einen Baum, ist das wie ein Autounfall. Das kann tödlich enden. Beispiele dafür gibt es viele. Die Rampage ist dagegen fast sicher, weil wir alle sehr genau kalkulieren; jeder von uns. Wir sind 100 Prozent fokussiert, mental ready und bestens vorbereitet. Doch natürlich kann auch eine Menge schieflaufen. Dieses Mal stehe ich auf dem Startpodest und bin ziemlich gefasst. Ich drücke mir meine Speaker ins Ohr. Musik hilft mir in „die Zone“ zu kommen, wie ich es nenne. Musik hilft mir dabei runterzukommen und den Autopiloten anzuschalten. Nachdem ich den oberen Drop im Training gesprungen habe, gibt es eigentlich nichts mehr in meiner Line, das mich schreckt. Dieses Jahr bin ich deshalb relaxt. Ich weiß, dass ich mit dieser Line nicht gewinnen kann, doch eine Top-5-Platzierung ist drin, je nachdem, was die anderen Fahrer hinkriegen. Daher ist es diesmal anders. Sonst mache ich immer einen Stunt, der mich komplett herausfordert, ein furchterregendes Ding, einen sogenannten „Winning Move“. Warum also anders? Nun, Ihr habt es vielleicht mitbekommen, mein bester Buddy Kyle Strait ist im Training auf unserer gemeinsamen Line gestürzt. Der Sturz hat mich fies mitgenommen. Stell Dir das mal vor. Du siehst, wie Dein bester Freund stürzt, vielleicht tot ist oder ganz sicher sich den Rücken gebrochen hat? Gedankenkollaps! Dann hast Du nur noch ein paar Stunden, um Dir Deinen eigenen Run zurechtzulegen. Ich hatte also Kyle im Kopf und musste entscheiden, ob ich so weitermache, den gleichen Stunt versuche, oder den Run abändere. Das verspult einen komplett. Und die Zeit wurde knapp. Also musste ich improvisieren, die Line ändern, um irgendwie den Berg runterzukommen.
„NIEMAND SAGT DIR, WAS DU ZU TUN HAST, DU K ANNST FAHREN, WIE DU WILLST – DAFÜR LIEBE ICH DIE R AMPAGE UND WERDE IMMER WIEDER-
KOMMEN!“ -CAM ZINK
Jaxson Riddle scheint recht relaxt am Start. Das liegt daran, dass er nicht auf Sieg aus ist, nein, ihm geht es um die Show. Ich finde das klasse, dass jeder Fahrer bei der Rampage seinen ganz individuellen Ansatz hat. Da gibt es die richtigen Freeride-Lines, und es gibt die verspielteren Abfahrten. Dylan Stark zum Beispiel. Er schmuggelte sogar ein Stahlgeländer ins Rampage-Gelände, um einen Railslide in seinen Run einzubauen. Ziem- lich witzig. Du kannst dir bauen, was du willst. Ist das nicht großartig? Niemand gibt dir vor, was du zu tun hast. Was die Jury daraus macht, ist allerdings eine andere Story. Ich hasse das Judging. Diesmal war es fast tragikomisch, denn Ex-Rampage-Fahrer Darren Berrecloth saß in der Jury. Er war in der Vergangenheit derjenige, der sich am meisten über die Wettkampfurteile beschwerte. Würde die Jury immer gleich urteilen – okay. Doch mal krasse Linien bevorzugen und das nächste Mal wieder Tricks – nicht okay! Klar, faire Urteile zu treffen, ist immer schwierig, doch diesmal war es besonders übel. Ich fand Semenuks Run im oberen Teil so viel krasser als den von Brett Rheeder. In meinen Augen muss der obere, steile Teil viel höher bewertet werden als der Rest des Runs. Kurt Sorge zum Beispiel nahm bei der Rampage 2017 den leichtesten Weg nach unten, ich den schwersten, und dennoch schlug er mich. Das ist verrückt, oder? Warum soll ich mich eine fast senkrechte Wand runterstürzen, wenn ich dafür keine Punkte kriege? Was soll das? Auch bei meinem Run dieses Jahr schreckt mich der erste, steile Teil am meisten. Es geht im Sturzflug nach unten, dass die Reifen ihre Traktion verlieren. Erst danach schalte ich auf Autopilot. Selbst beim hohen 360er-Drop. Versteht mich nicht falsch, auch ich liebe Tricks. 2017 wollte ich sogar eine Bigbike-Cashroll in meinen Run einbauen. Den Trick finde ich besonders sexy. Hat leider nicht geklappt, erst für mein X-Games-Edit gelang mir die Cashroll. Ein anderer seltsamer Faktor ist, dass die Wettkampfrichter zu Beginn der Runs eher verhalten Punkte verteilen. Das ist doch Quatsch. Auch der Erste, der sich die Klippen runterstürzt, sollte gewinnen können. Da spricht nichts dagegen. Im Gegenteil, er sollte einen Bonus kriegen, denn er ist der Erste. Thomas Genon ist ein gutes Beispiel für einen Rider, der von den Wettkampfrichtern zu wenig Punkte bekommt. Warum? Weil er alles leicht und smooth aussehen lässt? Andreu war ebenfalls enttäuscht von seiner Bewertung. So enttäuscht, dass er danach verkündete, es sei seine letzte Rampage gewesen. Doch auf den Kommentar darf man nix geben. Andreu ist ein sehr emotionaler Typ. Und er hatte eine Menge
„DER 360ER-DROP VOR DEM CANYON-GAP WAR HA ARIG. EINE BLITZENT-SCHEIDUNG! DER FLIP ÜBER DEN CANYON GEL ANG DANN FAST EASY!“
SZYMON GODZIEK
„ICH LIEBE OL DSCHOOL-BIG-MOUN TAIN-RIDING. ICH MUSS MACHEN, WAS DIE LEUTE VON MIR ERWARTEN!“
CARSON STORCH
Spaß bei der Rampage. Daran wird er sich erinnern. Daher kann es gut sein, dass er wiederkommt. Oder auch nicht – beides würde mich nicht überraschen. Ich liebe Wettkämpfe, deswegen komme ich immer wieder zur Rampage, komische Jury-Urteile hin oder her. Mit Freunden in der Wüste zu sein, was Tolles auf die Beine zu stellen – ich finde das großartig. Viele Gefühle, viel harte Arbeit, das ist, was mir gefällt! Von den Runs der anderen Fahrer kriege ich im Wettkampf was mit, doch nicht alles. Das zeigt mir dann erst das Replay des Events. Der Caveman-Drop von Semenuk war irre. Auch sein Barspin über den weiten Step-Down. Ich bin kein großer Fan von Barspins, doch den zu machen auf einem Bigbike mit Downhill-Reifen, ist eine harte Nummer. Selbst für jemanden, der Barspins im Schlaf kann. In meinen Augen hätte Semenuk gewinnen müssen, hätten die Wettkampfrichter den krassesten Big-Mountain-Style bewertet. Hätte dagegen der Akzent mehr auf Slopestyle gelegen, hätte der Sieger Szymon Godziek heißen müssen. Unmittelbar vor dem Canyon-Gap einen 360er-Drop zu machen, war einfach nur verrückt. Mit meinem 10. Platz dieses Jahr kann ich leben. Erfolge wirken erst, wenn es auch Niederlagen gibt.