... Kindergeschichte über das freundliche kleine Gespenst Laban.
Foto: Julia Svensson, @lillaflattenlaban
Geldspürhund Larry findet Scheine, deren Verstecke ihre demenzkranken Besitzer vergessen haben.
Foto: Johanna Thurner
Federvieh, Dummy und für den Nachwuchs auch mal das Spielzeug: Die meisten Flat Coated Retriever lieben das Apportieren.
Foto: Katharina Willerscheidt/Trio Bildarchiv
Der Duft des Geldes – Larry ist ihm verfallen. Doch Larry ist kein gieriger Ganove, sondern ein Flat Coated Retriever. Und er liebt den Geruch von Geldscheinen, weil er beim Auffinden derselben von Ausbilderin und Frauchen Johanna Thurner frenetisch gefeiert wird. Der charmante dreijährige Rüde aus Salzburg ist ehrenamtlicher Geldspürhund und vor allem bei Demenzkranken im Einsatz: Sie bewahren Bargeld oft erfindungsreich auf – und erinnern sich nicht mehr an das Versteck.
Auf das Kommando „Money-Money-Go!“ schnüffelt Larry Wohnungen und Zimmer in Pflegeeinrichtungen strukturiert ab und entdeckt Scheine zwischen Büchern oder in Kommoden. Sogar in einem Salzfässchen wurde er schon fündig. Bei seinem Job kommen ihm viele rassetypische Eigenschaften zugute – wie die feine Nase und der unbedingte Wille, das Objekt der Begierde zu finden.
Jagdhund mit Stil
Gentleman’s Gundog wurde der Flat Coated Retriever in seiner Heimat Großbritannien genannt. Ein Gundog ist ein Apportierhund, der bei der Flintenjagd nach dem Schuss arbeitet. Seine Aufgabe erfüllt ein „Flattie“ nicht nur freudestrahlend – sondern auch gutaussehend. Das ist kein Zufall: Er war von Beginn an ein Dual-Purpose-Hund und wurde auf jagdliche Fähigkeiten sowie Aussehen selektiert.
Das sollte dem Auge des britischen Adels schmeicheln. Die Entenjagd war im 19. Jahrhundert ein beliebtes Hobby der vornehmen Gesellschaft. Unglücklicherweise hatte das im Flug erlegte Federgetier die Angewohnheit, in muffige Sumpfgewässer zu plumpsen. Jemand musste das spätere Abendessen bergen – und das möglichst stilvoll und so sanft, dass es noch einen halbwegs appetitlichen Anblick bot.
Optisches Upgrade
Als Stammvater der Retriever-Rassen gilt der heute ausgestorbene St. John’s Dog. Dieser schwarze Wasserhund mit weißen Abzeichen wurde in Neufundland bei der Fischerei eingesetzt. Seeleute brachten einige Exemplare mit auf die britischen Inseln. In den stämmigen, kurzhaarigen Arbeitshund kreuzte man Setter, Collie-ähnliche Hunde und Wasserspaniels ein, sodass er den eleganten Look des Flat Coated Retrievers erhielt.
Um 1850 begann die gezielte Zucht der schicken Apportierhunde, zu deren Haltern auch Queen Victoria und King George V zählten. Anfang des 20. Jahrhunderts erlebte die Rasse zwar eine Blütezeit – als die FCI sie 1954 anerkannte, hatten der Labrador und Golden Retriever sie aber schon weitgehend verdrängt. Seit vierzig Jahren wird der schöne Brite auch in Deutschland gezüchtet. Er bleibt aber ein vergleichsweise seltener Anblick: Auf jeden Flattie-Welpen, der 2018 beim VDH das Licht der Welt erblickte, kamen mehr als vier Golden Retriever.
Ohne Wasser kein Flattie-Leben!
Foto: Kerstin Benz/Trio Bildarchiv
Schussfest und sensible
Obwohl Rassekenner vom fröhlich-beschwingten Stil eines arbeitenden Flat Coated Retriever schwärmen, spielt er im Jagdwesen kaum noch eine Rolle. Als Spezialist für den behutsamen Apport von Wildvögeln kommt er zwar gelegentlich auch zum Stöbern oder bei der Nachsuche auf erlegtes Schwarzwild zum Einsatz. Um sich mit lebenden Keilern, Füchsen oder Dachsen anzulegen, ist er aber nicht der Richtige.
Heute ist der Flattie in erster Linie ein idealer Partner für Menschen, die einen aktiven und leichtführigen Vierbeiner suchen. Um die typischen Rasseeigenschaften zu erhalten, spielt die jagdliche Veranlagung aber weiterhin eine Rolle. Für die Zuchtzulassung beim Deutschen Retrieverclub (DRC) werden Apportierfähigkeiten, Gehorsam und die Arbeit im Wasser geprüft. Besonders auf die Schussfestigkeit wird Wert gelegt: Der Flattie zeichnet sich neben Sanftmut und Feingefühl eben auch durch starke Nerven aus.
Diese Merkmale können ihn zu einem exzellenten Familienhund machen und sind für den Job von Larry, dem Geldspürhund, ebenfalls wichtig. Er bewegt sich schließlich durch Räume mit persönlichen, oft antiken Gegenständen, die seinen Einsatz ohne größere Blessuren überstehen sollen. Auch die Senioren sollte er nicht vor lauter Enthusiasmus von den Füßen kegeln. Gleichzeitig ist – neben einer sorgfältigen Ausbildung – auch ein gesundes Selbstbewusstsein hilfreich, um mit den Besonderheiten im Umfeld demenzkranker Menschen souverän umzugehen.
Ganz schön agil
Der Flat Coated Retriever ist ein ausgesprochen schöner Hund: Sein edler Kopf mit wenig Stop und das glänzende, möglichst glatte Langhaar sind charakteristisch. Er ist sportlich gebaut; Rüden haben eine Schulterhöhe von 59 bis 61,5 Zentimetern, Hündinnen von 56,5 bis 59 Zentimetern. Das Gewicht sollte bei Rüden 27 bis 36, bei Hündinnen 25 bis 32 Kilogramm betragen. Obwohl es vereinzelt blonde Vertreter gibt, erkennt der Rassestandard nur eine schwarze und eine leberbraune Farbvariante an.
Bemerkenswert: Beim Flattie kommen Hüftdysplasie und Beschwerden des Bewegungsapparates nur höchst selten vor. Hunde dieser Rasse behalten ihre welpenhafte Art und ihr spritziges Temperament bis ins hohe Alter. Doch es gibt einen Wermutstropfen: Zwar werden manche Tiere durchaus 13 Jahre oder älter, die durchschnittliche Lebenserwartung liegt aber bei nur 10 Jahren. Obwohl er insgesamt eine robuste Gesundheit hat, treten häufig Krebserkrankungen auf.
Glatt und lockig
Flat Coated Retriever bedeutet übersetzt so viel wie glatthaariger Retriever. Im Unterschied dazu hat der Curly Coated Retriever gekräuseltes Haar – ähnlich wie der Pudel, der zu seinen Vorfahren gehört. Der „Curly“ ist jedoch keine lockige Variante des Flat Coated Retrievers. Tatsächlich ist er die älteste und mit bis zu 69 Zentimetern Schulterhöhe auch die größte aller Retriever-Rassen. Im Wesen unterscheidet er sich von seinem glatthaarigen Verwandten ebenfalls: Er ist Fremden gegenüber zurückhaltend und hat einen ausgeprägten Wach- und Schutztrieb.
Arbeitseifer, Talent und Eleganz vereinen die „Dual-Purpose-Hunde“ mühelos.
Foto: M. Wegner/Tierfotoagentur
Britischer Querkopf
Spricht ein englischer Hundefreund über den Flattie, umspielt oft ein subtiles Lächeln seine Lippen – denn Vertreter dieser Rasse besitzen einen speziellen Sinn für Humor. Das wohlgeformte Köpfchen steckt voller Einfallsreichtum und noch mehr Unfug. Sein besonderes Unterhaltungstalent hat das Magazin GunDogs zur Spekulation verleitet, die Vorfahren des Flat Coated Retrievers müssten hündische Cousins von Stan Laurel und Oliver Hardy sein.
Fachlich lässt sich diese Annahme natürlich nicht halten: Schließlich wäre für den Briten das US-amerikanische Slapstick-Duo kaum eine adäquate Referenz – passender wäre Charlie Chaplin. Während der jedoch hinter der Kamera zur Schwermut neigte, ist der Flattie ein überzeugter Optimist und ein Quell überschäumender Lebensfreude. Seine Kreativität kann interessante Blüten treiben – etwa, wenn er beim Agility die Slalomstangen zur Abwechslung apportiert oder über den Tunnel läuft anstatt hindurch.
Auch Larrys Frauchen Johanna Thurner kennt diese Neigung zu originellen Ideen. Sie ist Trainerin beim Österreichischen Retrieverclub (ÖRC) und weiß: Um die Begeisterung des Vierbeiners zu erhalten, ist es wichtig, dass er seine Vorschläge einbringen kann. Hat Larry eine eigene Vermutung, wo sich Bares befinden könnte, darf er dieser durchaus nachgehen – nachdem er das ihm zugewiesene Suchfeld gründlich abgearbeitet hat. Und gar nicht so selten trifft der Rüde ins Schwarze.
Vom Flintenhund zum Herzensbrecher
Dass Larry die Herzen der Senioren mühelos erobert, liegt auch an seiner ebenso ehrlichen wie exzessiven Leidenschaft für Menschen. Flatties binden sich nicht nur außergewöhnlich eng an ihre Bezugsperson, sie überschütten auch alle anderen Zweibeiner mit ihrer schwanzwedelnden Zuneigung und genießen jede Streicheleinheit. Ihre Aufgeschlossenheit und euphorische Kontaktfreude machen sie zu auffallend liebenswürdigen Begleitern.
Doch der Flattie gibt nicht nur viel – er fordert auch eine Menge. Seine unerschöpfliche Energie unterschätzen viele. Der Britische Kennel Club empfiehlt pro Tag mehr als zwei Stunden Auslastung. Neben langen Spaziergängen gehören auch regelmäßiges Schwimmen und spielerisches Apportieren oder Nasenarbeit zu einem glücklichen Flattie-Leben. Ebenso wichtig sind aber Auszeiten. Larry zum Beispiel legt bei seiner Suche alle 15 Minuten eine Pause ein.
Im Unterschied zu anderen Retrievern nutzt der Flattie seine Stimme eifrig – die Collie-Vorfahren lassen grüßen. Frustrationstoleranz zu lernen, sollte schon früh auf dem Ausbildungsplan stehen. Mit Kreativität, Einfühlungsvermögen und Verständnis für seine rassespezifischen Eigenheiten wird aus dem Gundog ein waschechter Fundog. So wie Larry: Der Profi-Schnüffler hat in den letzten Jahren nicht nur einige Tausend Euro wiederbeschafft, jeder Besuch ist auch ein ausgesprochen vergnügtes Ereignis.