Warum hilft der Staat jetzt nicht?
BAUHAUSSTIL
In Gernrode (Harz) verfällt das FDGB-Ferienheim Fritz Heckert
SKI-HOTEL
Das ehemalige Luxushotel und Erholungsheim Hermann Duncker im Harz wurde 2016 abgerissen
RUINE
Kreispflegeheim Saalhausen: Angeblich soll es ab kommendem Jahr renoviert werden, doch das wurde bisher noch nicht bestätigt
BUCHREIHE
Im Jaron-Verlag erschien jetzt „Geisterstätten Sachsen-Anhalt“ (12,95 €). Es gibt auch Ausgaben u. a. über Berlin, Thüringen und Sachsen
VILLA KOLBE
66 Zimmer im Stil der Neorenaissance in Radebeul: Doch der Glanz früherer Tage ist verflogen, alles vergammelt
Die Villa in Alt-Radebeuls Zinzendorfstraße hat offensichtlich schon bessere Tage gesehen: Einst residierte hier Carl Kolbe (1855–1909) – Generaldirektor einer Chemischen Fabrik. Später beherbergten ihre 66 Zimmer eine Klinik, zuletzt eine Werkstatt für Behinderte. Seit 1995 ist das weitläufige Gebäude aber leer und inzwischen verwahrlost. Und das, obwohl der Bau im Stil eines Renaissance-Schlosses seit 1980 unter Denkmalschutz steht. „Das Haus ist eine der architektonisch qualitätsvollsten Villen Radebeuls“, urteilte der Kunsthistoriker Volker Helas. Doch was nützt es: Selbst solche Schmuckstücke verfallen bei uns – wo doch in unseren Städ-ten oft Wohnungsnot herrscht. Auch auf dem Land vergammeln die schönsten Villen. Und viele Wohneinheiten finden keine Mieter mehr. Warum nur hilft der Staat da nicht? Bestandswohnungen und alte Gebäude werden kaum saniert. Ist dafür etwa zu wenig Geld da?
Oft fehlt ein Plan
Eine Buchreihe hält dem Problem jetzt den Spiegel vor: Kürzlich erschien Teil 4 über die „Geisterstätten“ (Buchtipp s. r.) in Sachsen-Anhalt, wo es rund 12 Prozent Leerstand gibt. Die Villa Kolbe war einer der Hingucker in der Ausgabe über Sachsen. In jedem Band werden „Lost Places“ präsentiert – Bauwerke, die von Eigentümern aufgegeben werden, weil es nichts mehr zu retten gibt, weil Besucher oder Gäste fehlen, oder weil sich – wie bei der Radebeuler Villa – Besitzer und Bauamt nicht über eine geeignete Nutzung einigen können.
Dilemma. Die zoffen sich seit Jahren um An-, Um- und Ausbauten, die auch den einst hochherrschaftlichen Park betreffen. Hier sollte nach Plänen der Besitzer ein Neubau entstehen, doch die Stadt winkte ab und verwies auf den Denkmalschutz. Die strengen staatlichen Auflagen schrecken auch Investoren ab – und so müssen wir uns weiterhin Ruinen ansehen.
Kooperation. Dabei besteht vor allem in Städten die Chance, dass alte Schätze wieder aufle-ben: Wenn Investoren, Kommunen und Staat Geld in die Hand nehmen und Denkmalschützer auch mal kompromissbereit sind, erstrahlen sogar Häuser wie die Villa Bienert in Dresden neu, aus deren Giebeln bereits Birken wucherten (s. r.).
Langsamer Verfall
Beispiel. Auch an guten Tourismus-Konzepten fehlt es überall, etwa im Harz: Hier stand zum Beispiel die „Villa Waldpark“ zu lange leer. Zu FDGB- Zeiten hieß sie „Erholungsheim Hermann Duncker“, vorher diente das 1898 erbaute Haus als edles Sporthotel „Heinrich Heine“. Doch alle Pläne, Investoren für den einst noblen Wintersportort Schierke am Brocken zu begeistern, schlugen leider fehl. Also diente das weitläufige Anwesen zuletzt nur noch als malerisches Fotomotiv mit morbidem Charme.
Verlorene Investition
Aufgabe. Inzwischen ist der Kampf um die Bausubstanz verloren. Dabei investierte das Land Sachsen-Anhalt vor einigen Jahren 73.000 Euro, um den Verfall zu stoppen. Ein Witz, denn das reichte bei Weitem nicht – verschenktes Geld also. 2016 wurde das einstige Prachtgebäude dann abgerissen. An seiner Stelle stehen nun Ferienhütten, die vom Baumarkt stammen könnten. Schrecklich, wenn so unsere Landschaften verschandelt werden …
So geht’s auch: Villa Bienert in Dresden
AUSSERGEWÖHNLICH SCHÖN
Mit Fischgrätenparkett und Rundbögen: Die Bienertvilla erstrahlt in neuem Glanz
Elf schöne Wohnungen, fachmännisch saniert: Vor Jahren hätte das kaum jemand gedacht!
Rettung. Die historische Bienertvilla in Dresden-Plauen schien verloren. Doch dann fand das 1863 errichtete Wohnhaus des Mühlenbesitzers Gottlieb Traugott Bienert Investoren: 2016 startete die denkmalgerechte Sanierung, ab Frühjahr 2017 waren die Bauarbeiten abgeschlossen und die neuen Bewohner zogen ein. Insgesamt kostete die Sanierung 1,6 Millionen Euro – viel Geld, doch damit ist wenigstens ein historisches Schmuckstück vor dem Verfall gerettet.
VORHER – NACHHER
Die Bienertvilla in Dresden-Plauen stand schon kurz vor dem Verfall
Fotos: ddp images, imago images/Arkivi, palasax.de (2), Adrian Specht (4)/Jaron Verlag (1)