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Von Patres und Fratres


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Kunst und Auktionen - epaper ⋅ Ausgabe 11/2019 vom 28.06.2019

Die Sommerauktion von Richter & Kafitz im Bamberger Karmeliterkloster


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Bildquelle: Kunst und Auktionen, Ausgabe 11/2019

LIMIT 500 € Süddeutscher Maler (wohl), „Mariä Verkündigung“, Öl / Holz, 17. Jh., 21 x 28 cm


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LIMIT 450 € Evangelist Johannes, Holz, geschnitzt, farbig und gold gefasst, um 1700, H. 80 cm


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Bildquelle: Kunst und Auktionen, Ausgabe 11/2019

LIMIT 450 € Heiliger Paulus, Holz, geschnitzt, farbig und gold gefasst, um 1700, H. 81 cm


Nicht nur der ungewöhnliche Schauplatz weckt Erwartungen, auch die moderaten Schätzpreise versprechen eine spannende Sommerauktion bei Richter & Kafitz in Bamberg. Es werden nämlich 230 Lose aus den ehemaligen Refugien klösterlicher Gemäuer, speziell aus den Karmeliterklöstern in Straubing und Bamberg, aufgerufen – und dies im ehrwürdigen Kreuzgang des Bamberger Karmeliterklosters. Angesichts dieser Provenienzen versteht sich ihre sakrale Bedeutung von selbst, wenn man von der Sparte „Mobiliar und Einrichtung“ absieht.

Obwohl sie derselben Epoche angehören und sich gleichermaßen auf das Lukasevangelium 1, 26 – 38 berufen müssen, haben zwei Maler die „Verkündigung an Maria“ sehr unterschiedlich, ja geradezu gegensätzlich interpretiert: auf einer sehr kleinen Holztafel stiller und inniglicher Anmutung einerseits (Abb., Limit 500 Euro) und auf einer großen Leinwand mit bewegten, „surrealistischen“ Effekten andererseits (Limit 750 Euro). Das Tafelbild wird zwar in das 17., das barocke Jahrhundert schlechthin, datiert und einer süddeutschen Werkstatt zugewiesen. Die Rede ist dann aber von stilistischer Nähe zu dem Nürnberger Maler Hans Pleydenwurff (1420 – 1472). Er war um 1460 Mitglied der Straubinger Priesterbruderschaft und stand der altniederländischen Kunst um Rogier van der Weyden nahe. Doch so ganz hat der Maler der kleinen – tatsächlich anachronistischen – Tafel seine Vorbilder, denen es besonders auf die Kunst der Perspektive ankam, nicht verstanden. Das aber schmälert den Reiz dieses eher volkstümlich wirkenden Andachtsbilds nicht. Es ist reich an narrativen Details und folgt mit der Komposition und den Attributen der ikonografischen Tradition, zu der die Taube des Heiligen Geistes und die Lilie als Symbol der Reinheit Mariens gehören.

Der ebenfalls anonyme Maler des nun zweifelsfrei auch stilistisch barocken Gemäldes einer „Verkündigung“, Öl auf Leinwand, hat eine dramatische Inszenierung bevorzugt. Er lässt den Verkündigungsengel Gabriel mit weit gespannten Flügeln hernieder fliegen und – von rechts aus einem verklärten Himmel kommend – auf die Jungfrau Maria treffen, die erschrocken ihr Gebet abbricht. Zwei Engelsköpfchen sind Zeugen des unerwarteten Geschehens.

Die hochmittelalterliche Frömmigkeit hat den Bildtypus der „Beweinung Christi“ durch seine Mutter Maria hervorgebracht; dieser Szene liegt allerdings keine biblische Erwähnung zugrunde. Im Ablauf der Passion nimmt sie ihren Platz zwischen der Kreuzabnahme und der Grablegung Christi ein. Anfangs vollzog sich die „Beweinung“ im Beisein anderer Figuren der Leidensgeschichte, ehe sie auf Maria und ihren toten Sohn reduziert wurde. Auf der um 1680 datierten zweifigurigen und dem Typus der „Pietà“ verwandten „Beweinung“ aus dem Karmeliterkloster Straubing (Limit 500 Euro) liegt Christus leichenblass auf einem vielfach gefalteten weißen Leinentuch. Allein seine Wundmale heben sich rötlich ab. Maria, traditionell im roten Kleid und mit blauem Manteltuch, schmiegt ihr Gesicht trauernd an sein Antlitz, das noch von Todesqualen gezeichnet ist. Über Marias Haupt schwebt ein Nimbus. Der wiederum unbekannte Maler hat die eindringliche Szene in eine felsige, unwirklich beleuchtete Fantasielandschaft mit rosigem Himmel versetzt. Zwei weiße Tauben halten ein Schriftband in ihren Schnäbeln: „Ab Fili“ und „Mater“.

Eine aus Buchsbaum geschnitzte, ikonografisch doppeldeutige „Thronende Madonna“ (Taxe 1200 Euro), deren Herkunft aus Italien vermutet wird, führt in den Bereich der Kleinskulptur. Offenbar wirken Elemente der Renaissance noch im 16. Jahrhundert nach. Die Inschrift auf dem Sockel ihres ungewöhnlich prächtigen Throns „AVE SPONSA DEI“ lässt Maria nicht nur als Mutter, die betend ihr Kind betrachtet, sondern auch als Braut Christi (Gottes) erscheinen.

Die Straubinger Figuren des jugendlichen Johannes (Abb. oben), Christi Lieblingsjünger und Evangelist, und des Apostelfürsten Paulus (Abb. links) bieten sich – bedenkt man ihr beinahe antithetisches Bewegungsmotiv und das gleichartige Kolorit ihrer farbigen Fassung – als Pendants an. Beide sind rundansichtig geschnitzt. Ihre Datierung um 1700 entspricht ihrer hochbarocken Erscheinungsform.


Die Figuren von Johannes und Paulus bieten sich als Pendants an


Paulus, erkennbar an seiner dunklen Haartracht mit hoher Stirn und langem Bart, scheint zu einer Rede anzuheben. Dabei schreitet er so lebhaft daher, dass sein prächtiges Gewand mitschwingt. In seiner rechten Hand hält er ein Schwert, das Werkzeug seines Martyriums; in der linken trägt er das Buch, das ihn als Autor der Paulus-Briefe ausweist. Johannes wird, obwohl er ein hohes Alter erreicht haben soll, stets jugendlich dargestellt. Das von dunklen Locken gerahmte Gesicht des Jüngers ist mit rosigen Wangen beinahe mädchenhaft. Er steht – wie Paulus barfuß – im Schrittstand auf einer runden Plinthe. Auch Johannes trägt ein Buch mit sich. Denn er wird in dieser Skulptur als Verfasser des vierten Evangeliums und der Apokalypse verehrt. Triumphierend und mit großer Geste seiner linken Hand demonstriert er einen goldenen Kelch, aus dem sich eine Schlange empor windet. Legenden erzählen, er habe ein Martyrium, den erzwungenen Trank aus einem Giftbecher, überlebt. Erwartet werden für die beiden Statuetten je 450 Euro.

Übrigens betont das Auktionshaus ausdrücklich, dass alle angebotenen Artefakte nicht zu den unter Denkmalschutz stehenden Objekten der beiden Klöster zählen.

RICHTER & KAFITZ
Bamberg, Auktion 6. Juli, Besichtigung 29. Juni bis 3. Juli www.richter-kafitz.de


Abb.: Richter & Kafitz, Bamberg

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