Kleinste rinnsale
Der Makropode ist die Art des sumpfreichen Flachlandes in den gemäßigten und tropischen Zonen von China und Vietnam.
Aber: Wenn im Lebensgebiet des Makropoden keine Schwarzen Makropoden vorkommen, die sich hauptsächlich in Hügellandbächen aufhalten, dringt diese Art auch in Bäche des Hügellandes vor oder bevorzugt diese regelrecht.
Diese Bäche können selbst in regenreichen Zeiten kleinste Rinnsale sein, aber auch Bäche, die dann um das Fünf- bis Zehnfache anschwellen. Wahrscheinlich verhält sich M. opercularis so wie viele andere südostasiatische Fischarten und „wartet“ in ruhigeren Wasserbereichen die jeweilige Wettersituation ab. Das kann durchaus eine Sumpfwiese sein, die gerade überflutet wurde, und später wird wieder der Bach okkupiert.
Das „Märchen“ des Reisfeldes ist wahrscheinlich entstanden, weil die meisten Reisenden nur ein bis wenige Tage zur Beobachtung zur Verfügung haben. Zudem sind vielen Menschen die Wetterverhältnisse in Südostasien nicht bekannt und auch Einheimische haben nicht immer große Kenntnis der Fischfauna.
Das Wetter in Südostasien ist oft sehr wechselhaft. Dadurch werden manchmal in die Reisfelder abgedriftete Makropoden angetroffen. Hauptsächlich leben sie aber als Kulturfolger in den Gräben rund um die Reisfelder, die oft zur Bewässerung dienen. Wenn man Glück hat, findet man noch eine richtige Sumpfwiese, die Reste der ursprünglichen Landschaft aufzeigt.
Ein gewichtiger Grund zur Geschichte vom Labyrinthfisch in Reisfeldern liegt jedoch noch tiefer begründet. Ehemals fand der Reisanbau lange Zeit im Einklang mit der Natur statt. In den großflächigen Anbaugebieten der Sümpfe in den Flussebenen wurde sogenannter Tiefwasserreis mit langen Stängeln angebaut, der zwei bis drei Meter hoch wächst.
Wenn es keine Fluten gab, hatten die entwickelten Ähren Platz und gingen nicht gleich unter Wasser. Der Reisanbau hat in vielen Gebieten keinen regelmäßigen Zyklus. In solchen fast natürlich belassenen Reisfeldern konnten sich Makropoden (andere Labyrinther ebenfalls) freilich gut entwickeln.
Nie gleichzeitig
Anders ist es bei den heutzutage fast nur benutzten Flachwassersorten des Reises, die in Teichen mit maximal 50 cm Tiefe angebaut werden. Diese heizen sich im Sonnenschein durchgängig bis zum Bodengrund bis 40 °C auf, manchmal noch darüber. Selbst Reisfische der Gattung Oryzias schaffen solche Temperaturen nicht mehr.
In Lebensräumen von Macropodus spechti, in denen auch M. opercularis gefunden wird, kommen gewöhnlich nie beide Arten syntop an der gleichen Stelle im Mikrohabitat vor. Im gleichen Bachsystem schon, aber M. opercularis zum Meer hin, in den Deltas, und bachaufwärts im Hügelland lebt M. spechti.
Das ist extrem interessant: Als wäre eine Linie zwischen die Lebensbereiche gezogen worden, die wieder aufgehoben wird, wenn die andere Art nicht vorhanden ist. Denn auch Schwarze Makropoden leben tief im Flachland bis ans Meer, sogar in Brackwasserzonen fand ich nicht nur gewöhnliche, sondern auch Schwarze Makropoden.
Die Frage nach M. hongkongensis in Nordvietnam bleibt aus zweierlei Gründen unbeantwortet: Es ist mittlerweile unbestritten, dass M. hongkongensis eben nicht nur als Population rund um die Millionenmetropole Hongkong vorkommt. Solche Hügellandpopulationen schließen sich nordöstlich bis in die Bundesstaaten Jiangxi und Fujian und westlich bis Guangxi an.
1 Auffinden eines Schaumnestes. Die Stofffetzen im Busch zeigen die Wasserlinie bei Hochwasser an. 2 Das Schaumnest liegt in einem beruhigten Bereich eines temporär toten Armes. 3 Reis im Flachland mit sehr langen Stängeln bewährte sich früher, heute ist das Flachland dräniert und kurze und schnell wachsende Sorten werden bevorzugt. 4 Der Schwarze Makropode M. spechti lebt auch in Flüssen.
robuste Aquarienfische
Dabei sind sehr viele Abweichungen in Farbe und Flossenform von der beschriebenen Hongkong-Form zu beobachten und es ist somit völlig unklar, was wirklich „hongkongensis“ ist. Man sollte davon ausgehen, dass nur die Formen um Hongkong und eventuell einige in Guangdong wirklich der beschriebenen Art angehören.
Ich glaube, in Nordvietnam einige zu M. hongkongensis ähnliche Hügelland-Populationen gefunden zu haben. In manchen Bächen des Regierungsbezirkes Hoa Binh findet man recht farblose M. opercularis, wobei gerade die Weibchen uniform, ohne Querstreifenmuster, vorkommen. Interessanterweise zeigen auch einige Flachlandpopulationen solch eine „Farblosigkeit“.
Es bedarf noch viel wissenschaftlicher Arbeit an der Gruppe der Paradiesfische, der vor allem exakte und gründliche Feldarbeit zugrunde liegen sollte. Hiermit ist die junge Wissenschaftler-Elite der Heimatländer der Makropoden angesprochen, die ja tatsächlich nur mal mit dem Bus und einem guten Rahmenkescher rausfahren müsste.
Für Makropodenliebhaber zeigen sie sich als robuste Aquarienfische, die den ein oder anderen Fehler bei der Haltung verzeihen. Doch eine artgerechte Haltung, die auf den Erkenntnissen reisender Aquarianer im Lebensgebiet dieser Fische basiert, könnte die komplette Schönheit dieser Fischgruppe noch einmal steigern.
Text & Fotos: Jens Kühne
Jens Kühne hat schon früh Labyrinther und Makropoden gehalten. In Thailand betreibt er ein Reisebüro für Naturreisende in Südostasien. Zwei von ihm gesammelte Fischarten wurden nach ihm benannt
1 Hongkongensis-Population von Shangsi. 2 Guangxi-Populationen sollten nicht mehr wirklich zur Art M. hongkongensis gezählt werden. 3 Die Schraubenpalme ist ein Anzeiger von kleinen Wasserläufen, dort finden sich oft Labyrinther. 4 Ein typisches Hügellandbiotop von M. spechti mit Schaumnest im schmalen Bach.