Professor Ullrich, Professor Schieren: Rudolf Steiner, der Gründer der Waldorfschule, hat ein umfangreiches Werk voller Widersprüche hinterlassen. Kann man daraus überhaupt eine Pädagogik ableiten, wie Waldorfschulen es tun?
Heiner Ullrich: Man muss Rudolf Steiner in doppelter Hinsicht sehen: Der frühe Rudolf Steiner war hauptsächlich ein idealistischer Philosoph, der sich zum Beispiel mit Goethes naturwissenschaftlichen Schriften beschäftigt hat. Später ist er eingetreten in den Kosmos der Theosophie – zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine internationale weltanschauliche Bewegung. Dadurch ist er vom wissenschaftlichen Denken immer weiter weggerückt in meditative Erkenntnisformen, für die er aber wissenschaftlichen Geltungsanspruch behauptet hat. Dieser spätere, theosophische Steiner ist in der letzten Dekade seines Lebens zum Gründer lebensreformerischer Initiativen geworden. Als ihm ein Gönner ...