... wie Henry die erste Nacht im mobilen Zuhause übersteht. „Wollt ihr in die Sahara?“, ruft uns ein Bulli-Fahrer auf dem Campingplatz Elbepark Bunthaus frech zu.
Ganz klar: Zwischen all den Hymer und Concorde ist der offroadtaugliche La Strada ein Sonderling. Darum kriegen wir wohl auch einen Stellplatz direkt am Fluss zugewiesen, der hier regelmäßig die Wiese überspült. Fachleute sprechen von Gezeiten, der Laie kriegt nasse Füße und einen Wasserschaden im motorisierten Wohnraum.
Egal, mit 4x4-Antrieb, hochgelegtem Aufbau und Stollenreifen kein Problem. Die Flut soll ruhig kommen. „Endlich mal was anderes als nur Joghurtbecher“, kommentiert der VW-Mann. Henry strahlt über das Lob. Dabei hatte er den silbernen Benz beim ersten Anblick als „das ist doch kein Wohnmobil“ abqualifiziert. Für ihn muss so ein Gefährt weiß sein, Überbreite und einen Alkoven haben. Ein Plastikbecher eben, wie unser T6-Freund sie nennt.
Als es dunkel wird, blickt Henry verträumt durchs Heckfenster auf die gurgelnde Elbe. „Viel schöner als zu Hause“, seufzt er und schläft ein. Durch die geöffneten Dachluken leuchtet ein spektakulärer Vollmond in unser Doppelbett. Mich überkommt ein Gefühl tiefster Zufriedenheit. Mein ältester Sohn und ich und ein Reisemobil mit vollem 93-Liter-Tank – kann es was Besseres geben? Nein!
Oder doch? Denn der nächste Tag beginnt erst mal mit dem Zählen von Mückenstichen. Ich habe vergessen, die Fliegenschutzgitter vor die Fenster zu schieben. Und das in einer schwülen Sommernacht am Wasser … Nicht nur Henry ist Reisemobil-Anfänger. Ich offenbar auch.
Aufräumen, einpacken und los: Immerhin wollen wir es heute 300 Kilometer bis Billund in Dänemark schaffen. Henry sitzt hinten. Nur dort bietet der La Strada eine Iso- fix-Aufnahme für Kindersitze. Das ist zwar sicherer als vorn, aber dennoch irgendwie Mist, findet nicht nur Henry. Wenn der Vater mit dem Sohne …, dann wollen sich beide ja auch unterhalten und anschauen können. So aber geht jedes Gespräch im lauten Sound- Mix aus V6-Diesel, Windgeräuschen und dem Wummern der groben Reifenstollen unter.
BILLUND
In Flensburg platziere ich Henry vorn neben mir. Sein Sitz wird nicht nur mit dem Sicherheits-, sondern auch mit einem Profi-Zurrgurt fest fixiert. Die großen Fenster und die sehr hohe Sitzposition begeistern ihn: „Endlich, jetzt bin ich ein richtiger Beifahrer“, freut er sich und macht sich am Navigerät zu schaffen.
„Noch 130 Kilometer“, sagt er. Stimmt. Erstaunlich, was so ein kleiner Mann schon alles weiß.
" Mein Reise- Tagebuch füllt sich so schnell wie bei keinem Urlaub zuvor.
Jörg Maltzan (58)
RØMØ
GROßEN- KNETEN
Zwei Stunden später stehen wir vorm Legoland Holiday Village – ein Campingplatz mit Grillstellen, Trampolin, Minigolf, Gokarts, Ziegen und vielen Attraktionen für Kinder. Dabei braucht es die gar nicht. Kaum eingeparkt, schließt Henry Freundschaft mit Willy und Matze aus Berlin. Die sind gleich alt, wohnen nebenan in einem Joghurtbecher und haben einen Ball. Merke: Einer der besten Plätze auf der Welt für kleine Jungs sind Campingplätze, die zu Fußballplätzen werden!
Und wenn die Kinder sich verstehen, tun es meist auch die Eltern. „Viertonner, wa?“, nickt mir Matzes Papa zu und spielt aufs erhöhte Gesamtgewicht des La Strada an. Ganz klar, ein Fachmann, der mit seinem Dethleffs sogar schon am Nordkap war. Nordkap! Vor meinem geistigen Auge tun sich schon zukünf tige Abenteuerreisen auf.
Statt Polarkreis erkunden Henry und ich aber erst mal das Legoland: überall kleine Schiffe, Autos, Städte, Bohrinseln, Flughäfen, Burgen, Windmühlen, Eisenbahnen. Dazu Achter- und Wildwasserbahnen, Kinos und Karussells. Ein absolutes Kinderparadies. Zwei Tage sind Pflicht. Mindestens. Auch im Winter. Denn gleich nebenan lockt das Lalandia, ein Indoor-Vergnügungspark mit Erlebnisbad, Tobearena und Bowlingbahnen.
LENNE- STADT
WINTER- BERG
Doch wir haben ja Hochsommer und 35 Grad. Eine Erfrischung wäre gut. Und die wartet 100 Kilometer weiter an der dänischen Westküste. Nach rund zwei Stunden erreichen wir die Insel Rømø.
Schon die Anfahrt über den Damm durch die Nordsee ist atemberaubend, dann folgt mit dem breitesten Autostrand Europas unser erstes Stellplatz-Highlight. Denn selbst tiefer Sand kann uns dank Allradantrieb nicht aufhalten. Direkt neben den anrollenden Wellen stellen wir den La Strada ab. Henry wirft sein T-Shirt in den Sand und stürmt ins Wasser. Und kommt gleich geschockt wieder raus: „Papa, Papa, ein riesiger Krebs“, ruft er aufgeregt. Stimmt. Im knöcheltiefen Meer schnappt ein Schalentier aggressiv mit seinen Zangen nach allem, was ihm zu nahe kommt.
„So ein herrliches Leben. Viel schöner als bei uns zu Hause.“
Henry Maltzan (5)
Reisemobil-Touren mit Kindern: Abwechslung und Spielzeug
Lange Autofahrten mit Kindern können stressig werden. Das gilt natürlich auch im Reisemobil.
Angeschnallt im Kindersitz wird ihnen nämlich schnell langweilig. Zum Glück gibt es Gegenmittel. Bauen Sie viel Abwechslung in Ihre Tour.
Nutzen Sie Fähren statt Brücken und Tunnel. Machen Sie dort Pausen, wo interessante Spielplätze locken. Danach schlafen kleine Kinder meist ein, und Sie können Strecke machen. Kinder sollten ihre Lieblingsspielzeuge einpacken, dazu Bücher und Spiele. Gut überbrücken Such- und Zählwettbewerbe wie „Wer das erste rote Auto sieht, hat gewonnen“ oder „Wie viele Autos stehen auf dem Transporter?“
Nörgelphasen. Und wenn gar nichts mehr geht, lassen Sie Kinder einen Film auf Handy oder Tablet gucken …
Erst vier Tage sind wir unterwegs, aber mein Reisetagebuch füllt schon viele DIN-A4-Seiten. Kein Zweifel: Diese Erlebnisdichte schafft kein Hotel-, Club- oder Kreuzfahrturlaub.
Nächster Stopp: Großenkneten, ein Kaff im niedersächsischen Nirgendwo. Schuld daran ist die Internetseite „Popupcamps“. Geboren in der Pandemie, listet sie spektakuläre Stellplätze für Reisemobilisten auf, und in Großenkneten ist das ein idyllischer Pfadfinderplatz. Was für ein Glücksfall: Henry und ich dürfen ein Lagerfeuer entzünden, über den Flammen Würstchen grillen und haben einen riesigen Wald nur für uns. Herrlich!
Andere Gäste? Fehlanzeige. Das war mal anders. 1982 wurde nicht nur die Band Trio mit ihrem Song „Da-Da-Da“ weltberühmt, sondern Großenkneten zum Pil- gerort für NDW-Fans. Ausgerechnet hier hatten die Musiker um Stephan Remmler ihre kreativste Phase und komponierten große Songerfolge. Mein Tagebuch kriegt weitere vier Seiten. Reisen bildet. Auch in der tiefsten Provinz.
BRAUN- LAGE
BROCKEN
„Popupcamps“ führt uns auch nach Herscheid im Hochsauerland. Hier stehen wir am Rande eines Bauernhofs auf rund 500 Meter Höhe, blicken in eine wellige Tallandschaft und werden am nächsten Morgen von der Bäuerin zu einem selbst gemachten Kräuter-Smoothie eingeladen. Den brauche ich auch, denn anschließend gilt es, zwei 50-Meter-Kabeltrommeln einzurollen und alles für die Weiterfahrt einzupacken.
Henry spielt derweil auf der Wiese und spricht leise mit sich selbst: „So ein herrliches Leben.“ Spätestens jetzt weiß ich, dieser Trip hat sich nicht nur gelohnt, sondern das war ein Urlaub fürs Leben. Vor der Rückfahrt gönnen wir uns noch einen Abstecher in den Harz, erkunden per Dampflock den Brocken und machen mit unseren Geländefahrrädern den Bikepark Braunlage unsicher.
„Kindheitserinnerungen hängen extrem davon ab, wie stark uns Erlebnisse berührt haben. Sie fördern die Ausschüttung von Glückshormonen, sodass Erlebtes noch intensiver wahrgenommen wird“, heißt es in der Wissenschaftstheorie. Das kann ich ganz praktisch bestätigen, und zwar nicht nur für Kinder, sondern auch für Väter.
Dieser Trip hat sich nicht nur gelohnt, das war ein Urlaub fürs Leben.
Jörg Maltzan (58), Redakteur
Fazit
Gelungenes Experiment: 10 Tage im Reisemobil ins Legoland, ans Meer und durch zwei Mittelgebirge. Für Groß und Klein war das eine perfekte Reise mit ganz viel Abenteuerfaktor. So schön, dass ich diese Tour wiederholen werd e. Mit Sohn Nummer zwo. Der ist 4 Jahre alt.
Jörg Maltzan