... ebenso zuverlässig antwortet der knitze Amtsbote auf die Frage seines Bürgermeisters „Hannes, a Schnäpsle?“ immer in gestelztem Hochdeutsch mit: „Ich heere mich nicht ‚nein‘ sagen!“ Auf die Frage eines Journalisten, ob da denn wirklich Schnaps in der Glasflasche drin sei, stellte Hannes-Darsteller Albin Braig übrigens klar: „Waaaas? Hend Se mol mit'zählt? Noi, des goht jo garnet. I trink normalerweis gar koin Schnaps!“
Komede-Scheuer in der Mühle
Heiß begehrt sind die Karten für die Aufführungen der „Komede-Scheuer“ in der Mäulesmühle. Die Fangemeinde ist gigantisch und wenn der „Hannes“ am Dienstagabend im SWR-Fernsehen läuft, sind l ocker eine Million Zuschauer mit dabei.
Zweimal pro Woche, am Donnerstag und Freitag, wird die Bühne in der Mäulesmühle im Siebenmühlental bei Leinfelden- Echterdingen zur schwäbischen Amtsstube. Dann bieten sich Amtsbote Hannes und „sein“ Bürgermeister in mit Sprachwitz gewürzten Dialogen Paroli.
Die Schauspieler Albin Braig und Karlheinz Hartmann sind in ihren Charakterrollen zu Kultstars geworden und haben die „Komede-Scheuer“ weit über das Siebenmühlental hinaus berühmt gemacht.
Die Mäulesmühle als dritte der elf Mühlen im Tal beherbergt neben der „Komede- Scheuer“ noch ein Bio-Restaurant mit Biergarten und ein Mühlenmuseum.
Von der Burkhardtsmühle ins TV
1968 gründete der Volksschauspieler Otto Braig das Theaterensemble „Komede- Scheuer“ in der Burkhardtsmühle, der jüngsten Mühle im Tal. 1974 zogen die Theaterspieler in die Mäulesmühle um, die inzwischen zum Synonym für schwäbisches Volkstheater geworden ist. „Quantensprung“, „Bergkristall“ oder „Bei ons verklemmt nix“ lauten die Titel schwäbischer Komödien, in denen auch Volksschauspielergrößen wie Gertrud Umgelter oder Fernsehmoderatorin Ruth Mönch spielten.
Albin Braig hat das Talent von seinem Vater geerbt und stand schon als Fünfjähriger auf der Bühne: „1956 beim internationalen Frauentag in Stuttgart war mein erster großer Auftritt“, erinnert er sich. Er spielte in der Schule Theater, trug Gedichte vor und saß als Kind „unbemerkt von meim Vadder unterm Tisch, wenn er seine Sketch geschrieba hot“. Einen davon schrieb der „Komede-Scheuer“-Gründer 1985 für das bunte Programm „Kartoffelschnitz ond Spätzla“ als Zwiegespräch: „Hannes und der Bürgermeister“.
Es war der allererste Sketch für die beiden Figuren, schon damals spielte Albin Braig den Amtsboten, Karlheinz Hartmann schlüpfte in die Rolle des Bürgermeisters.
Zehn Jahre später ging das Duo auf Drängen des damaligen SDR-Redakteurs Dieter Bansberg in Serienproduktion. Bis heute sind sie ein Quotengarant im SWR-Fernsehen.
Vom Schriftsetzer zum Amtsboten
„Des muss en Zufall sei, dass zwei Charaktere sowohl privat wie ao em Gschäft, sprich uf dr Bühne, oifach hervorragend mitnander auskommet“, sagt Albin Braig über den Erfolg des Gespanns. Wer aber sind die beiden Schauspieler, die so mit ihren Rollen verschmelzen und zugleich den Nerv ihrer Zuschauer treffen? Zunächst einmal sind sie Freunde aus Kindertagen, beide kamen in Stuttgart auf die Welt, wuchsen in Weilimdorf auf und gingen am Fuß der Solitude zur Schule. Der ein Jahr jüngere Albin lernte ursprünglich Schriftsetzer: „I han mol ebbes gscheits glernt, ond des hot iberhaupt nix brocht.” Beide gründeten 1971, lange bevor die Berufung „Theater“ zum Beruf wurde, gemeinsam ein Elektronikunternehmen. Aber nach Feierabend rief das Hobby „Theater“.
Weit über 30 Jahre zusammen auf der Bühne: Bürgermeister Karlheinz Hartmann und Albin Braig als Amtsbote Hannes sind das schwäbische Kultduo schlechthin.
„Hannes, a Schnäpsle?“ „Ich heere mich nicht ‚nein’ sagen!“
Mag auch der Bürgermeister eines kleinen, bescheidenen Städtchens irgendwo im Schwäbischen sich als würdige Amtsperson fühlen, ohne Amtsboten Hannes geht nix voran. Ob’s um das Feuerwehrfescht geht, Erste Hilfe-Kurse im Rathaus, Tourismusförderung oder die Gewerbesteuer – ohne den Hannes läuft gar nichts.
Karlheinz Hartmann wurde von seinem Freund Albin „entdeckt“, als ein Schauspieler krank wurde: „Do hot dr Albin gsagt, dass i jetzt mitspiela muss. Von do ab war’s klar, dass i auf d Bühne gang.“ Nach dem großen Erfolg der Sketchreihe zogen sie sich beide Anfang der 1990er-Jahre aus ihrer Firma zurück. Beide Schauspieler leben heute in Herrenberg. Und sind sie privat auch wie der Hannes und sein Bürgermeister? Albin Braig: „Privat semmer wie dr Karle ond dr Albin!“
Drei Generationen auf der Bühne
1997, nach dem Tod Otto Braigs, übernahm Albin Braig die Leitung des Volkstheaters, mittlerweile ist mit Bastian Braig die dritte Generation in der Mäulesmühle am Start. Mit elf Jahren war der Junior in einer humorvollen „Vadder-Sohn Szene“ zum Theater gekommen, heute liefert der Sohn des Hannes-Darstellers nicht nur Ideen, sondern steht auch als Schauspieler in Mundartstücken auf der Bühne und produziert seit 2001 mit seiner Firma „Braig- Productions“ die Sketchreihe „Hannes und der Bürgermeister“ für das Abendprogramm des SWR-Fernsehens.
„Wir sind ein Familienunternehmen“, sagt Schauspieler, Intendant und Autor Albin Braig und fügt nicht ohne Stolz hinzu: „Vielleicht sogar eine Dynastie.“ Neben dem „Hannes“ und bei Theaterstücken sind Karlheinz Hartmann und Albin Braig auch in der Reihe „Freunde in der Mäulesmühle“ zu erleben, wo sie als Albin und sein „Chef “ Karle befreundete Comedyund Kabarett-Stars am Tresen begrüßen. In einer Serie mit Höhepunkten der Produktionen schlüpfen sie zudem in die „Backstage-Rollen“ des Sanitäters Eberhard und des Feuerwehrmanns Heinz.
„Kleiner Mann“ und Obrigkeit
Das Erfolgsrezept des „Hannes“ besteht aus mehreren Komponenten. Mundart zählt mit Sicherheit dazu. „Mundart isch en dr ständig größer werdenda Welt a kloins bissle Heimat“, meint Albin Braig. Aber geliebt vom Publikum werden natürlich die beiden einzigartigen Charaktere und das Festhalten an Altbewährtem.
Und so klingelt immer noch das altmodisch-analoge, dunkelrote Telefon und die Stammkneipe vom Hannes bleibt unverändert der „Ochsen”. Sein liebstes Hobby ist neben der „Volkshochschual“ das „Klingelbutza“ beim Pfarrer und als Transportfahrzeug für den übernächtigten Bürgermeister dient noch immer der „Schubkarra“.
Die beiden Volksschauspieler mögen Charlie Chaplin sehr gerne und am meisten seine bekannten Filme wie „Der große Diktator“, „Ein König in New York“ oder „Rampenlicht“. Weil da Herz und Hirn drinsteckt, berührt das und spricht beide sehr an.
Der Bürgermeister nennt seine Gattin am Telefon „Schatzilein“ und ist selbst „dein Bärle“. Wie der Ort heißt, in dem die beiden „regieren“, ist nicht überliefert, ebenso der Name des Bürgermeisters. Dafür heißt der Nachbarflecken Schriedingen (den es im schönen Südwesten real übrigens nicht gibt) und der Vorname des dortigen „Schoofseggls“, Verzeihung, Bürgermeisters, lautet Fritz. Weitere Figuren tauchen ebenfalls nur mit Namen auf. Wie aber „d' Witwe Hutzler“, „d' Frau Kurrle vom Rechnungsprüfungsamt“ oder „dr Fingerle vom Fundamt“ aussehen, bleibt der Fantasie der Zuschauer überlassen.
Schnäpsle für den Bürgermeister
Ein weiteres ungeschriebenes Gesetz der Serie verlangt, dass „dr Hannes“ am Ende der Episoden stets als Gewinner dasteht und die Lacher auf seiner Seite hat. „Dr Hannes isch oiner aus em Volk. Knitz ond hälenga schlau“, charakterisiert ihn sein Darsteller Albin Braig. Die Verliererrolle hat die Obrigkeit, doch Verlieren tut nie weh und ein Schnäpsle fällt meistens auch für den Bürgermeister ab.
Genau dieses Vertraute, diese Verlässlichkeit lieben die Zuschauer an „ihrem“ Hannes. Und natürlich die Bauernschläue, mit der er Lebensweisheiten wie „Wenn nix gschafft wird, muss nix korrigiert werda!“ präsentiert, oder seinem Chef Ratschläge, zum Beispiel beim Umgang mit dem PC gibt: „Do brauchet Se sich bloß d Krawatt azünda ond dann Löscha eigeba!“
Die skrupellose Hauskapelle
In der freien Zeit schreibt Albin Braig Theaterstücke oder Texte für den Hannes, wobei auch Co-Autoren zuliefern. Wichtig ist ihm, dass in den Stücken aktuelle Themen anklingen, wie in den Szenen „Ich-AG“ oder „Chancengleichheit“. Keine „Ochsentour“ sind die Tourneen, bei denen die beiden Publikumslieblinge in zahlreichen Orten – übrigens nicht nur in Baden- Württemberg! – Gastspiele geben. Startpunkt ist jeweils gegen Jahresende in der Stadthalle Leonberg, wo die Sketche vor Publikum aufgezeichnet werden. Damit gehen die beiden Bühnen-Helden ein Jahr lang auf Tournee, um im darauf folgenden Herbst zum festen Sendeplatz am Dienstagabend um 22 Uhr im SWR Fernsehen gesendet zu werden. Auf der Tour und im Fernsehen werden Albin Braig und Karlheinz Hartmann seit 1994 von „Herrn Stumpfes Zieh & Zupf Kapelle“ begleitet.
„Des steckt in uns drin!“
Im Mai 2017 bekamen Karlheinz Hartmann und Albin Braig von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann den „Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg“ für die besonderen Verdienste um den Erhalt der schwäbischen Mundart verliehen. Amtsmüdigkeit gibt es bei diesem Bürgermeister auch nach 35 Jahren nicht, und sein Amtsbote zieht das Schnäpsle der Rente vor.
„Oifach gut glaufe und Glick ghet!” Die beiden Vollblutschauspieler (im Foto oben mit ihren musikalischen Begleitern von „Herrn Stumpfes Zieh & Zupf Kapelle“) sehen ihren Erfolg nicht als selbstverständlich an. Jeder einzelne Sketch will hart erarbeitet werden.
Weshalb die beiden Schulfreunde nie den Spaß an ihren Rollen verloren haben, erklärt Albin Braig ganz einfach: „Mr derf sich selber net so ernschd nemma.“ In einem Interview mit einer Zeitung in Rheinland- Pfalz bringt Karlheinz Hartmann diesen Erfolg mit zwei Worten auf den Punkt: „Glick ghet!“ und Albin Braig ergänzt: „Oifach gut glaufa!“ Den beiden Schwaben sind ihre Rollen auf den Leib geschrieben und wenn es nach ihnen geht, gibt es den Hannes und seinen Bürgermeister auch noch, wenn die Protagonisten selbst mal 90 sind: „Solang ons d Leit seha wellet, spielet mir“, sagt Karlheinz Hartmann. Und Albin Braig meinte auf dem roten Sofa der Landesschau auf die Frage, ob er denn privat auch so „lustig“ sei: „Des steckt in uns drin! Mir müsset luschtig sei, sonsch däd jo rauskomma, wer mir sen!“ Eine Antwort, wie vom Hannes: „Knitz ond hälenga schlau…”