... Tuch, uns schießt der Schweiß auf die Stirn, wir sagen ganz leise: „Donnerlüttchen!“
Zum Glück ist der Name schon gesetzt, Lamborghini Donnerlüttchen hört sich komisch an.
Ein neuer Countach, 50 Jahre nach seiner Erfindung! Dieser Keil ist 4,87 Meter lang und 1,14 flach, hinter den beiden Insassen arbeitet ein 6,5 Liter großer V12-Sauger mit 780 PS, an dessen Siebenstufenautomatik sie einen 48-Volt- Elektromotor mit 34 PS geflanscht haben, so gehen in der Spitze 814 PS an alle vier Räder. Eigentlich dürfte der Neue gar nicht LPI 800-4 heißen, sie haben die Zahl gerundet, aber wir wollen mal nicht päpstlicher sein als der Papst.
DIE LEGENDE VON 1971
Wir hatten ihn alle. Ja, wir hatten alle einen Lamborghini Countach zu Hause, die allermeisten von uns allerdings nur in der Matchbox-Version. Auf dem Genfer Salon stand im März 1971 erstmals ein Prototyp des Lamborghini Countach, Keilform, flach wie Holland, V12-Mittelmotor. Es war der Beginn einer automobilen Legende, die allerdings noch ein paar Jahre bis zur Serienreife benötigte. Das erste Kundenfahrzeug lieferte Lamborghini erst im April 1974 aus, längs eingebauter 3,9-Liter-V12, 375 PS, Hinterradantrieb, Fünfganggetriebe, 309 km/h Spitze. Von 1974 bis Produktionsende 1990 baute Lamborghini etwa 2000 Exemplare verteilt auf fünf verschiedene Serien, wobei sich die Karosserieform, ursprünglich ein Entwurf des Bertone- Designers Marcello Gandini, und die Motorleistung über die Jahre immer weiterentwickelten. Der „25 Anniversary“ brachte es auf 5,2 Liter und 455 PS, fuhr 295 km/h, bewältigte den Spurt auf 100 km/h in 4,9 Sekunden.
„Das Auto ist ein Game Changer für uns“, sagt Lamborghini- Chef Stephan Winkelmann (56), „der erste Hybrid-Supersportler, ein visionäres Auto der Gegenwart, genau wie sein Vorgänger.“ Ganz nebenbei soll der Neue den Ikonenstatus des Urmodells in die Zukunft tragen, mit seiner puristischen Linienführung revolutionärer Regelbrecher und „Stoff der Träume“ sein.
Der Mann, der den Super-Lambo geschaffen hat, ist 47, gebürtig aus Herzberg in Brandenburg und war schon 1993 als Schüler mit der Skizze eines Roadsters in AUTO BILD. Mitja Borkert verantwortet seit fünf Jahren das Design der Italo-Sportwagen aus dem VW- Konzern, schuf davor Porsche Macan, 718 Boxster, die Taycan- Studie namens Mission E. „Als mir Walter de Silva den Job angeboten hat, war das wie Weihnachten, Ostern und Geburtstag an einem Tag“, schwärmt er, „ich genieße jeden Tag bei Lamborghini, hier ist das Epizentrum des Autodesigns.“ Als er 2016 anfing, da war seine erste Amtshandlung, einen Countach ins Studio zu stellen, damit die Designer das Herz der Marke jeden Tag spüren. „Ich habe sofort Italienisch gelernt“, sagt Borkert, das sei Ehrensache. Natürlich lernte er die Sprache auch, um mit Gandini zu reden, dem genialen Countach-Erfinder, der am 26. August 83 wird. Borkert hat den Meister auf einem gelben 1:3-Modell unterschreiben lassen.
Dann erklärt er sein Auto: „Wir wollten keine Kopie des alten Countach bauen, wir wollten nichts machen, was retro ist.“ Und trotzdem ist der neue ganz der alte, was als Lob gedacht ist. Da wären: Die sechseckigen Radhäuser. Oder der lange, niedrige, rechteckige Kühlergrill. Die Lufthutzen haben sie fließend in die breiten Schultern integriert, auffällig sind die markanten Lamellen-Kiemen und die sechseckigen kleinen Fensterchen auf dem Rücken, die gleichzeitig Schaufenster für den Monster-V12 sind.
KUN-TASCH!
An dieser Stelle müssen wir zugeben: Wir haben den Startknopf noch nicht gedrückt, haben den Motor noch nicht brüllen gehört, sind noch keinen Meter gefahren. Aber beim Blick auf die vier fetten, mittigen Auspuffendrohre, beim Streichen über die breiten Gummis, vorn 255/30 ZR 20 und 355/25 ZR 21 hinten, da können wir uns vorstellen, wie sämtliche Härchen auf unseren Armen um einen Stehplatz flehen.
Als sie im März 1971 auf dem Genfer Salon die Studie zeigten, da verliebte sich die Welt in einen 4,14 Meter kurzen und 1,07 Meter flachen Keil. Mit 4,87 Metern ist der neue Countach fast schon auf VW-Bus-Format angewachsen, aber mit 1,14 Meter immer noch nur hüfthoch.
Und noch was hat er sich bewahrt, und das ist genau so eine Show wie damals, nur dass es jetzt elektrisch geht. Die Scherentüren sind mit einem Scharnier an der A-Säule angeschlagen und öffnen nach schräg oben, welch Schauspiel! Hast du dich erst mal reingeschält, wandert das Auge auf eine digitale Cockpit-Landschaft à la PlayStation. Borkert erklärt: „Wir bekommen die beste Multimedia aus dem Konzern, Spracherkennung etwa von Audi. Aber wir programmieren die Oberflächen so um, dass sich der Fahrer fühlt, als wäre er Pilot.“
Wenn dem Piloten zu warm wird, macht er per Knopfdruck aus dem transparenten Dach ein blickdichtes, wenn er Frischluft braucht, dreht er an den Lüftungsdüsen, das sind zwei ineinandergehende Komponenten, die es als Teile aus dem 3D-Drucker in die Serie geschafft haben. Und auch hier wieder die Sechseck-Form, man achte auf die Details. Übrigens auch bei den Rädern, die im „Telefon“-Stil der 80er-Jahre gehalten sind.
Ja, der Countach ist größer geworden, natürlich auch schwerer. Damals mussten 375 PS mit 1065 Kilogramm klarkommen, heute katapultieren 814 Pferdchen 1595 kg nach vorn. Und das ist nicht ohne für den arglosen Beifahrer. In 2,8 Sekunden soll der Spurt auf 100 km/h geschafft sein, in 8,6 Sekunden zeigt der Tacho 200 an und hört erst bei Tempo 355 auf, dann, wenn der elektrische Heckflügel längst hochgefahren ist, um die Fuhre an die Straße zu pressen. Monocoque-Chassis und Karosserieteile aus Kohlefaser sollen den Wagen nicht nur leicht machen, sie sollen auch für die nötige Steifigkeit sorgen. Sichtbar wird der Leichtbau etwa an den Außenspiegeln, den Lufteinlässen entlang der Motorhaubenabdeckung, am Schweller. All das macht den Countach zu einem Auto aus einem Guss, zu einem Gesamtkunstwerk. Borkert vergleicht Lambo-Design mit einem Pasta-Rezept: „Da reichen drei Zutaten, mehr muss nicht.“ Zurzeit köchelt er übrigens an einem reinen E-Auto, einem 2+2-Sitzer, der in ein paar Jahren kommen soll, wenn sich die Batterietechnik weiterentwickelt hat und der Saft für längere Strecken reicht als jetzt. „Es wird ein krasses Auto, etwas, das es noch nicht gibt, etwas Unerwartetes.“
LAMBORGHINI COUNTACH LPI 800-4
Motor
Zwölfzylinder, hinten längs
Hubraum 6498 cm 3
Leistung
574 kW (780 PS) bei 8500/min, 34-PS-E-Motor; 814 PS gesamt
max. Drehmoment
720 Nm bei 6750/min
Antrieb
Allradantrieb/ Siebenstufenaut.
L/B/H
4870/2099– 2265*/1139 mm
Leergewicht
1595 kg
Kofferraum 63 Liter
0–100 km/h 2,8 s
0–200 km/h 8,6 s
Höchstgeschw. 355 km/h
Verbrauch noch nicht homologiert
Preis 2 010 000 Euro
* Breite mit Außenspiegeln
Aber jetzt ist 2021, jetzt bauen sie erst mal 112 Countach, die Serie ist streng limitiert, Wertzuwachs garantiert. Und an dieser Stelle müssen wir über Geld reden, der Verkauf ist nämlich lange vor der Weltpremiere angelaufen, der Lamborghini-Chef höchstpersönlich hat die besten Stammkunden beraten, Farbmuster und Leder in einem riesigen Koffer präsentiert. 2 010 000 Euro kostet der Countach, oder anders: zwei Millionen und 10 000 Euro. Für letztere Zahl gäbe es einen neuen Mitsubishi Space Star. Oder einen gebrauchten Skoda Favorit aus den 90ern. Warum wir den hier reinholen? Auch einer von Bertone, wie der Ur-Countach. Über beide erfahren Sie noch mehr in der aktuellen AUTO BILD KLASSIK. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.