... brauchte. Deshalb arbeite ich, seit ich 16 bin. Als Verkäuferin und Kassiererin, später im Studium an der Theaterbar im Augsburger Opernhaus und danach im Gasthaus „Rose“ in der Küche, das war zu meinem Masterstudium in Tübingen. Geld verdienen konnte ich also – gereicht hat es dennoch nicht, denn ohne die Chanel-Lidschattenpalette konnte ich noch nie leben.
Ich hangelte mich von Dispo zu Dispo, von 1,95-Euro-Faber-Sekt zu Nudeln mit Ketchup. Mit der Miete war ich nie in Verzug und auch meine Rechnungen zahlte ich in der Regel rechtzeitig – dennoch flatterte die ein oder andere Mahnung rein, weil meine Handyabrechnung mal wieder nicht abgebucht werden konnte. Ich gab trotzdem fröhlich weiter – viel zu lange viel zu viel – Geld aus, lebte in roten Zahlen und ignorierte den Stapel ungeöffneter Briefe. Aus Angst, darin könnte (surprise!) eine Rechnung lauern.
9 % DER DEUTSCHEN WAREN 2021 MIT EINEM NEGATIV-EINTRAG BEI DER SCHUFA VERMERKT.
(QUELLE: SCHUFA)
Vor Ratenzahlungen und Null-Prozent-Finanzierungen bei nur kleinsten Anschaffungen hatte ich dagegen (leider) gar keinen Schiss. Und, zack, war ich in der Abwärtsspirale. Bis ich eines Tages doch mal auf den Stapel Post luscherte und mit Schrecken einen Brief der Schufa entdeckte: Weil mein Konto zu lange im Minus dahindümpelte, drohte mir nun ein Eintrag ins Schuldenregister. Was mein Konto endgültig sprengte, war übrigens ein Paar weiße Stiefel – ohne die ich natürlich auch nicht leben konnte … Und weil ich mich nicht traute, meinen Eltern den drohenden Schufa-Eintrag zu beichten, glichen die Eltern meines damaligen Freundesmein Konto aus. Das war der Moment, der mich wachrüttelte und mich zwang, mich auf den Hosenboden zu setzen, die Ärmel hochzukrempeln und der Finanzangst ins Auge zu sehen. Spoiler: Wenn man das (und diese paar Steps) erst mal macht, wird die Angst stetig kleiner.
74 % DER MILLENNIALS STELLEN EINEN HAUSHALTSPLAN AUF, UM IHRE AUSGABEN BESSER IM BLICK ZU BEHALTEN.
(QUELLE: DELOITTE)
Step 1: Kassensturz!
Zunächst musste ich mir mal einen Überblick über die Realität verschaffen. Und so mache ich es bis heute: Ich suche alles zusammen, was mit dem Thema Geld zu tun hat, bei dem ich welches einnehme oder ausgebe: Gehälter, Notgroschen, Mietvertrag und sonstige Verträge, Sparbücher, Kredite. Alles! Mein absoluter Tipp für den besten Überblick: Ich benutze oldschool Hängeregister, also eine Box gefüllt mit selbst beschrifteten Heften, in die ich lose Papiere einfach reinschmeiße und dabei trotzdem Ordnung halte. Perfekt für Faule wie mich, um ihre Zettelwirtschaft ganz ohne Lochen und Abheften in den Griff zu kriegen – und dabei ein haptisches Gefühl für die Situation zu bekommen.
9 % DER PRIVATPERSONEN IN DEUTSCHLAND SIND VERSCHULDET.
(QUELLE: CREDITREFORM)
VRENI FROST
Sobald alles geordnet ist, schaue ich mir zunächst das letzte Jahr an, denn ich will ja den Istzustand herausfinden. Was ich dabei nicht vergessen darf: die Verträge, die online abgeschlossen wurden, wie etwa Streamingdienste oder das Fitnessstudio, und auch die Beträge, die nur jährlich oder vierteljährlich abgebucht werden. Und dann wird sortiert und analysiert: Was sind meine monatlichen Netto-Einnahmen? Habe ich außer meinem Gehalt noch andere Einnahmequellen? Was ist die Summe, die ich zu Beginn eines Monats zur Verfügung habe? Wie verteilt sich mein Gehalt aktuell auf meine Ausgaben? Eine ehrliche Betrachtung kann erst mal ziemlich frustrierend sein, aber sobald ich erste kleine Sparerfolge feierte – etwa den Wechsel zu einem günstigeren Handyanbieter hin oder die Pause der Gym-Mitgliedschaft (na, wie oft gehen Sie tatsächlich?) –, kam auch die Motivation.
Step 2: Notizen machen
Ich weiß, langweilig, hilft aber echt: Ein Haushaltsbuch zu führen hat mein finanzielles Leben verändert. Ich schreibe bis heute jeden einzelnen Tag rein. Eine Riesenhilfe ist die App Money-Control, in die ich alles on the go eintrage – auch die Breze beim Bäcker und die fünf monatlichen Euro für die App selbst (jaaa, das Geld ist wirklich gut investiert). Seitdem gab’s kaum einen Monat, in dem ich mein festgelegtes Budget überzogen habe. On top habe ich viel über meine Geldgewohnheiten gelernt – und, Überraschung, einiges verbessern können. Nutze ich etwas nicht wirklich (äh, das Fitnessstudio?) streiche ich den Posten.
Step 3: Planen
Und was war jetzt mit den Schulden? Tja, die sind natürlich nicht einfach so weg. Ich berechne dafür, wie hoch der Betrag ist, den ich ausgleichen muss, um aus dem Dispo zu klettern. Dann schmiede ich einen Plan, wie viel ich jeden Monat abzahlen kann. Hier hilft mein neuer Freund, das Haushaltsbuch, dabei, Einsparpotenziale zu entdecken. Das A und O bei Schulden ist aber tatsächlich: Disziplin. Sparen und Verdienen – und zwar so lange, bis das verdammte Konto endlich schwarze Zahlen schreibt. Früher halfen mir auch kurzfristige Jobs sehr beim Konto-Ausgleichen, etwa Wochenendpromotions auf der Straße. Da verdient man schnelles Geld und hat rasche Erfolgsmomente. Mit speziellen Kreditrechnern kann man sich außerdem jeweilige Zinsen für den Kontostand ausrechnen. Und ich habe gelernt, dass normalerweise einmal pro Quartal Dispozinsen abgezogen werden – manchmal lohnt sich also auch der Wechsel zu einer Bank mit günstigeren Dispo-Konditionen.
Mein nächster persönlicher Tipp – sobald alles im grünen Bereich ist: Refinanzierung! Für alles, was man ausgibt, muss auch etwas reinkommen. Letztens habe ich (shame on me!) viel zu teure rosa Prada-Schuhe geshoppt. Dafür muss ich dann ältere Teile bei Ebay für denselben Wert verkaufen. Da überlegt man sich jede Shoppingtour dreimal!
Step 4: Managen
Als ich nicht mehr in den Miesen war, habe ich mir erst mal auf die Schulter geklopft … dann aber gleich die Dispo-Funktion bei der Bank deaktiviert. So stelle ich sicher, dass ich meinen Kontostand halte; dadurch bin ich gezwungen, immer genügend Geld auf dem Konto zu haben und auch noch nicht abgebuchte Beträge im Blick zu behalten, damit diese überhaupt eingezogen werden können. Und natürlich kontrolliere ich brav weiter meine Einnahmen und Ausgaben mit dem Haushaltsbuch! Und jetzt kommt der Fun: Ich habe mir einen „Fuck-it-Fund“ aufgebaut (eine kleine Reserve, auf die ich einfach so zugreifen kann, etwa, wenn ich am Mädelsabend beim Italiener tiefer ins Glas und in die Teller als ins Portemonnaie geguckt habe). Zudem habe ich mir drei unterschiedliche Konten eingerichtet: eines für den Lebensunterhalt, eines um langfristig zu sparen, eines für meine Wünsche (Urlaub, neuer Laptop etc.). Und siehe da: Schon habe ich völlig schmerzfrei den Money-Advanced-Status erreicht!
43 % DER DEUTSCHEN NUTZEN EIN SPARBUCH ALS GELDANLAGE – OBWOHL DIE WENIGSTEN GLAUBEN, DASS SICH DAS NOCH LOHNT.
(QUELLE: VERBAND DER PRIVATEN BAUSPARKASSEN)
Step 5: Motivation hochhalten
Um wirklich am Ball zu bleiben, ist es wichtig, sich finanziell erst mal richtig kennenzulernen: Welcher Finanztyp bin ich? Und wie kann ich realistisch Ziele umsetzen? Nur wenn ich weiß, wer ich bin, kann ich die für mich richtigen Entscheidungen treffen. Und dann belohne ich mich: Das beste Feeling ist, mir etwas zu gönnen, auf das ich hlange hingespart habe.
Mein Lieblingstipp aber: einen Finanzclub gründen! Beim monat- lichen Treffen mit Freund*innen (und Vino!) lernt man gemeinsam Dinge über Geld, tauscht sich über Anlagemöglichkeiten aus und motiviert sich gegenseitig. Und vielleicht richtet man dann irgendwann sogar zusammen ein Depot ein, beobachtet die Kurse eine Weile und schließt vielleicht sogar einen ETF-Sparplan ab? Jede von uns kann Investorin sein – Learning by Doing. Aber bitte erst, wenn der „Fuck-it-Fund“ gefüllt ist!
18 % DER FRAUEN IN DEUTSCHLAND HABEN BEREITS INVESTMENT-ERFAHRUNG.
(QUELLE: J.P. MORGAN ASSET MANAGEMENT)