... bekannt geben. Wir haben die beiden vorab in ihrem Büro am Potsdamer Platz getroffen und über die Bedingungen des Festivals – in Zeiten gestiegener Preise und wegfallender Kinos – gesprochen.
Wir leben auch sonst in Krisenzeiten. Überall treiben die Energiepreise nach oben. Das wirkt sich auch aufs Festival aus. Haben Sie sich schon geeinigt, wie stark die Tickets in diesem Jahr erhöht werden müssen?
Rissenbeek: Das entscheiden wir bis Ende des Monats. Es ist schwierig, denn natürlich wollen wir den Zuschauern nicht zu viel zumuten. Aber seit der letzten normalen Berlinale 2020 sind die Preise um mehr als zehn Prozent gestiegen. Wir werden also um eine entsprechende Preisanhebung leider nicht herumkommen.
Das Cinemaxx wurde umgebaut und hat jetzt bequemere, aber auch weniger Sitze. Weshalb das Kino vor allem dem Filmmarkt und Pressevorführungen vorbehalten ist. Andere Vorführungen, die traditionell dort stattfanden, werden jetzt ins Cubix und in die Verti Music Hall ausgelagert. Wird das ein Festival der langen Wege?
Rissenbeek: Ja, stimmt. Panorama-Vorführungen sind jetzt im Cubix zu sehen. Und während man früher auch den zweiten Wettbewerb Encounters am Potsdamer Platz sehen konnte, muss man dafür nun in die Akademie der Künste. Der Gedanke, den es mal vor 23 Jahren gab, dass 90 Prozent des Festivals hier am Potsdamer Platz stattfinden kann, hatte leider keinen Bestand. Weil die Bedingungen sich geändert haben und schon die Cine-Star-Kinos weggefallen sind. Wir empfinden das aber als Stärke, dass man mehr in die Stadt hinausstrahlen kann. Was schon in früheren Jahren mit den Kiez-Kinos anfing, führen wir jetzt in größerem Stil fort.
Chatrian: Und das ist ja auch Berlin! Die Stadt hat zwar eine Mitte, aber kein Zentrum, sondern viele einzelne Kieze. Und es ist wichtig, das zu berücksichtigen. Ich bin sehr neugierig, wie die Verti Musical Hall angenommen wird. Vielleicht gewinnen wir an diesem Ort ja auch Menschen, die sonst nicht zur Berlinale, aber zu Konzerten und Sportveranstaltungen gehen.
Und klappt das dann auch schon wieder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln am Potsdamer Platz? Der S-Bahn-Tunnel soll ja bis 17. Februar wieder frei sein, aber die U2 fährt nach wie vor nur im Pendeltakt.
Rissenbeek: Das ist leider ein wunder Punkt. Ich wohne in Pankow und muss schon eine Weile Umwege fahren, weil die
S 2 gesperrt ist. Und zwischen Senefelder Platz und Klosterstraße pendelt die U2. Die S-Bahnen sollen zumindest wieder normal fahren. Und kürzlich hatte ich ein Treffen mit Abgeordneten aus dem Abgeordnetenhaus, die mich ermutigen, sie vor der nächsten Berlinale anzusprechen, damit sie Bau- und andere Behörden auf die Berlinale-Daten hinweisen können. Sie sehen, dass es ungünstig ist, wenn die zentralen Verbindungen nicht wie sonst verkehren.
Muss man sich überhaupt Gedanken machen, ob man sich langfristig vom Potsdamer Platz verabschiedet? Der Vertrag mit dem dortigen Theaterbau läuft ja 2027 aus.
Rissenbeek: Das Theater hat natürlich eine Größe, für die es kaum einen Ersatz gäbe. Schon gar nicht mit einem Hyatt Hotel daneben, das ein so großes Pressezentrum aufnimmt. Und dann noch mit dem Filmmarkt, den wir mit dem Gropius Bau ganz in der Nähe haben. Diese Konstellation ist schon sehr einzigartig und optimal, auch mit den vielen Hotels am Platz, wo man Jurys und Gäste unterbringt. Das wäre nicht leicht, einen adäquaten Ersatz zu finden.
Chatrian: Sollten die Betreiber des Theaters einmal die Berlinale nicht mehr wollen, wäre das natürlich eine andere Sache.
Rissenbeek: Aber der Vertrag läuft ja erst mal bis Mitte 2027. Sollte es Zeichen geben, dass es danach nicht mehr weitergehen sollte, hätte man noch genug Zeit, sich anders zu orientieren.
Ist für Sie der Potsdamer Platz noch immer „the Place to be“ – wo jetzt mit „The Playce“ die Arkaden zumindest teilweise wieder offen sind? Die letzten Berlinalen fanden ja an einem recht öden, verwaisten Platz statt.
Rissenbeek: Ich denke, es gibt eine gute Chance, dass „The Playce“ funktioniert und angenommen wird. Die Zeit, wo hier gar nichts war, war schon sehr mühsam. Aber erstmals gibt es hier keinen Ticket Counter mehr. Die Karten sind nur noch online zu erhalten, das macht es für viele komfortabler bei der Buchung, das lange Anstehen entfällt. Es wird am Platz aber Terminals geben, wo man sich Tickets ausdrucken kann.
Chatrian: Und dann gibt es einen großen Food Court. Man muss sich nicht mehr überlegen, wo man hier was zu essen bekommt.
Trotzdem stehen noch etliche Flächen in „The Playce“ leer. Gibt es womöglich Überlegungen, sie fürs Festival zu nutzen?
Rissenbeek: Ja, wir sind im Gespräch, ob man dort ein paar Talkformate durchführen kann. Wir müssen aber abwarten, wie das räumlich aussieht, wenn es hoffentlich in ein paar Tagen eröffnet wird.
Sie mussten auch neue Hauptsponsoren gewinnen. Einer davon ist Uber, der künftig die Stars vor den roten Teppich fahren wird. Bringt man damit die Taxifahrer der Stadt gegen sich auf?
Rissenbeek: Es gibt da eine gewisse Konkurrenz, das kann man nicht leugnen. Aber für uns war es wichtig, einen Partner zu finden, mit dem wir die Gäste vom Flughafen abholen und von A nach B bringen können. Und Uber wollte mitmachen. Es ist wichtig, eine Option zu haben und nicht ohne Partner dazustehen.
Ist es durch die Pandemie noch schwieriger geworden, Sponsoren zu gewinnen?
Rissenbeek: Ja, ich bin im Austausch mit anderen Festivals, Museen und Veranstaltungsorten. Und alle sagen dasselbe: Es war schon in den letzten Jahren immer schwieriger, Sponsoren zu finden. Aber nach zwei Jahren Pandemie hat sich das noch mal stark verändert. Alle müssen sparen. Und früher ging das pauschaler, Sponsoren fanden es spannend, auf einem Festival vertreten zu sein. Heute reicht das nicht mehr. Es gibt sehr genaue Vorstellungen, was Sponsoren mit ihrem Engagement erreichen wollen, und es muss genau zu deren Marketing-Kampagnen passen.
Es ist noch eine Weile hin. Aber Ihre Verträge laufen nach Ihrer fünften Berlinale Ende März 2024 aus. Werden Sie verlängern?
Rissenbeek: Ich blende das im Moment noch aus. Ich konzentriere mich ganz auf die kommenden Wochen, ich möchte erst mal wieder eine normale Berlinale erleben. Und mache mir dann danach in Ruhe Gedanken darüber.
Chatrian: Wir leiten das Festival zusammen. Das ist unser Job, aber auch unsere Freude. Wegen der zwei Pandemiejahre hatten wir kaum Zeit, um prinzipiell darüber nachzudenken, wohin es mit dem Festival gehen könnte. Auch nicht, um miteinander oder mit dem BKM über die Zukunft zu sprechen. Wir mussten uns ja ständig Sonderformate überlegen, wie die Berlinale überhaupt stattfinden kann. Nach dem Festival ist sicherlich der richtigere Zeitpunkt für solche Entscheidungen.
Sie waren von Ihrer ersten Berlinale an wirklich im Dauerkrisenmodus. Fragt man sich da insgeheim schon, was wohl als Nächstes kommt?
Rissenbeek: Ich weiß noch, meine damalige Assistentin meinte nach dem ersten Jahr: Schlimmer kann es nicht werden. So war es leider nicht. Man kann sich nie sicher sein. Wir leben in einer Zeit, in der sich sehr viel extrem verändert. Das gab es in den Jahren davor nicht in diesem Maße.
Chatrian: Aber es gibt ja den schönen Spruch: Was uns nicht umbringt, macht uns stärker.