... zeichnet sich trotz des bislang rudimentären Forschungsstandes ab, dass der Umgang mit Uhren der in Rom üblichen Praxis entspricht.
Zeitmesser und Öffentlichkeit
Wenn in der Colonia Nemausus (Nîmes) ein gewisser Sextus Utullius Perseus testamentarisch die Weihung eines horologium (antiker Zeitmesser) und zweier silberner Kerzenleuchter an den Deus Nemausus verfügt, dann handelt es sich ebenso um die private Stiftung an eine lokale Gottheit wie am Martberg, wo Tychikos eine als vollständige Hohlkugel geformte Sonnenuhr an Lenus Mars nach überstandener Krankheit aufstellt. In dieselbe Richtung weist auch der mit einer Sonnenuhr kombinierte Viergötterstein aus Vogesenkalkstein, der außerhalb des gallo-römischen oppidum (befestigte Siedlung) von Bettwiller gefunden wurde. Weihungen von technischem Gerät in Heiligtümer umfassen nicht nur Sonnen-sondern auch Wasseruhren, wie die im Archäologischen Museum in Frankfurt am Main aufbewahrte Auslaufuhr des Mapilius Mapilianus, der diese als Subpräfektus Aquarus an Borvo stiftet.
Außer den Uhren in Heiligtümern waren offenbar überwiegend Wasseruhren auch in den transalpinen Provinzen auf Foren präsent, wenn im 1. Jh. n. Chr. in Boutae (Annency) der Legionssoldat Caius Blaesius Gratus, Sohn des Gratus aus der Tribus Voltinia, ein horologium cum suo aedificio et signis omnibus et clatris für die Summe von 10 000 Sesterzen errichtet und außerdem einen Sklaven zur Wartung des empfindlichen Geräts für weitere 4000 Sesterzen bereitstellt. Hier und auch im Fall des Petronius Athenodorus, der als Präfekt der Cohors Flavia ein defektes horologium zu Ehren des Kaisers Macrinus im Kastell Rigomagus (Remagen) im Jahr 218 n. Chr. in Stand setzt, sichern diese präzisen Instrumente jahreszeitenunabhängig ganztägig die Zeitanzeige. Wie weit zumindest der Anspruch auf zeitliche Normierung von Verwaltungsabläufen verbreitet war, könnte die Streuung der entsprechenden Zeugnisse andeuten, die sich in den Coloniae, in den Oppida, in Kastellen und in Vici finden, wie die aufwendige Stiftung aus dem Vicus Mayen zeigt, wo Marcius Iucundus (?) gemeinsam mit Frau und Sohn ein horologium und ein als aedes bezeichnetes Gebäude mit Schmuck und Statuen ausgestattet zu Ehren des Kaiserhauses errichten lässt.
Zeit in den Provinzen
In Wohnhäusern halten Sonnenuhren im Verlauf des 1. Jhs. n. Chr. Einzug: So wurde eine hemisphärische Sonnenuhr aus lokalem Bimsstein im Umkreis eines römischen Gutshofes im württembergischen Mäurach gefunden, an deren Außenrand eine umlaufende Inschrift möglicherweise den Namen des Besitzers (?) Licinius Tarentinus überliefert. Das handwerkliche Spektrum dieser Aufstellungen und somit ihre Ganggenauigkeit ist besonders weit gestreut und reicht von präzisen Zeitmessern wie dem in Mäurach oder der Sonnenuhr aus der villa rustica von Ensérune bis hin zu Stücken, die bestenfalls Näherungswerte liefern, wie die keramische Sonnenuhr aus dem Legionslager Vetera I (Xanten). Anstelle eines präzisen Messinstruments stellen auch in den romanisierten Gebieten Sonnenuhren vielmehr das dreidimensionale Bild vom technischen Gerät und den mit ihm konnotierten Inhalten dar, für die dann auch stellvertretend das Abbild einer Sonnenuhr u.a. auf Geschirr wie dem Silberbecher aus dem Hortfund von Neupotz (Abb. 3) oder auf Mosaiken in Häusern eingesetzt werden kann.
Uhren(bilder) im privaten Raum
Uhren unter Wolken bedienen in den transalpinen Provinzen also genauso wie in Rom das gesamte Spektrum der mit ihnen assoziierten Bedeutungsebenen, die vom präzisen Messinstrument in normierten Verwaltungsabläufen bis hin zum Bild vom Gerät als Anzeiger der technologischen Kenntnisse und der römischen Zivilisation reichen können. Je nach Aussageabsicht wird diese mit der Auswahl der Faktoren Standort, technologischer Typus, handwerklicher Qualität und konkreter Gestaltung präzisiert. Zeitmesser unter den Wolken sind auch Zeichen der Macht und ihr im gesamten Römischen Reich verbreiteter normativer Einsatz und ihre Akzeptanz zeigen die Sonnenuhren immer an – auch im Dunklen und bei Bewölkung.
Adresse der Autorin
Prof. dr. Eva Winter FriedrichSchillerUniversität Jena klassische Archäologie Fürstengraben 25 d07743 Jena
Bildnachweis
Abb. 1: Archäologisches Museum Frankfurt; 2: © landesmuseum Württemberg, Hendrik Zwietasch; 3: Peter Haagkirchner, Historisches Museum der Pfalz Speyer.
Literatur
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