... wenn das Telefon klingelt und wir genau wissen, wer dran sein wird – selbst, wenn diese Person schon sehr lange nicht mehr präsent war (es also höchst unwahrscheinlich ist, dass genau diese Person nun wirklich anruft). Auch ein allererster Eindruck eines Menschen, Tieres, Ortes, Raumes, Hauses, Fotos etc. führt oft dazu, dass wir intuitiv eine Fülle an Informationen nicht greifbarer Ebenen aufnehmen und dazu ein Gefühl von Ja oder Nein, Zu-oder Abneigung, Anziehung oder Neutralität, Freude oder Sorge verspüren. Sei dies nun empathisch, durch große Einfühlungsgabe, durch die von Edmund Husserl genannte »Wesensschau« (direkter Zugang zur Kernstruktur eines Wesens) oder durch das Sortieren all der Eindrücke in einer Art Lichtgeschwindigkeit. Viele kennen von sich auch ein instinktives Wahrnehmen von herannahenden Wettergeschehnissen und wissen, dass Regen naht, selbst wenn kein Wölkchen am Himmel ist.
Die meisten von uns haben schon einmal ein schweres Gefühl auf dem Herzen oder im Bauch erlebt, wenn es etwas zu entscheiden galt – und dieses Gefühl zeigt ganz klar die innewohnende Körperintelligenz an: »Mach das nicht!«). Sagen wir zu dieser Sache dennoch »Ja«, da wir keine sinnvollen Begründungen dagegen finden (oder uns die anderen nicht für verrückt halten sollen), wird der Weg zumeist schwer oder lässt sich gar nicht gehen. Es wird zäh, verstrickt oder wir bereuen es im schlimmsten Fall (weil etwas schiefgeht). »Hätte ich doch nur auf meinen Bauch gehört!«, klingelt es innerlich in den Ohren und doch passiert so etwas wieder und wieder. Statt bei diesem ersten Wissen zu bleiben, diesem zu vertrauen und danach zu handeln, möchten wir diesen intuitiven Eindruck irgendwie verifizieren und beginnen mit dem Einschalten des Verstandes, analysieren intellektuell, befragen vielleicht andere nach ihrer Meinung, wägen all das ab und versuchen aus dieser Fülle (die bereits in Sekundenbruchteilen intuitiv durchleuchtet wurde) das klare Ergebnis zu ermitteln.
Warum folgen wir nicht sofort unserer Intuition?
Wäre es nicht das Einfachste auf der Welt, zeitsparend und effizient dazu, wenn wir ohne endlos langes Grübeln, Abwägen, Pro und Kontra Listen schreiben und ähnlichem, frei »aus dem Bauch heraus« entscheiden und einfach diesem inneren Ja folgen würden? Theoretisch ja.
»Der intuitive Geist ist ein heiliges Geschenk und der rationale Verstand ein treuer Diener. Wir haben eine Gesellschaft erschaffen, die den Diener ehrt und das Geschenk vergessen hat.«
Albert Einstein
Einer der Gründe für das Nicht-Befolgen unserer Intuition ist sicherlich die Gesellschaft, die sich von einer Verehrung des Numinosen, der Propheten, weisen Seherinnen und Völvas in der Kultur unserer Ahnen, denen Könige den Thron freimachten, wenn sie in die Stadt kamen und alle an ihren Lippen hingen, zu einer Verehrung des Messbaren, Benennbaren, besser noch Beweisbaren, entwickelt hat.
In naturverbundenen, schamanischen Kulturen, die einen Erfahrungsweg darstellen, würde man dagegen Erfahrungen machen und diese irgendwann auswerten. Im Sinne von: was hat mir Kraft gegeben, wodurch konnte ich gut (genährt) leben, was hat funktioniert? Selbst wenn dies weiterhin unbewiesen bliebe. Viele überlieferte Einsichten oder Wirkungen jahrtausendealter Handlungen können heute erst nachgewiesen werden, überlebten in ihren Durchführungen allerdings schon seit sehr langer Zeit – wurden also bereits angewendet, als es noch keine stichhaltigen »Beweise« gab.
Intuitive Einsichten kommen über Nacht
Albert Einstein sagte an anderer Stelle sogar, Intuition sei »das Einzige, was wirklich zählt« und zeigte damit, wie überaus wertvoll ihm diese war. Auch andere Wissenschaftler ließen trotz aller fundierter Forschung Raum für diesen wertvollen »Geistesblitz«, den Kanal des direkten Wissens, der Prophetie, und berichteten später auch durchaus davon, wie z. B. Friedrich August Kekulé von Stradonitz von seinem im Traum entdeckten Benzolring. Im Volksmund hält sich daher der Rat wacker, einfach mal eine Nacht lang über etwas zu schlafen.
Dies könnte man auch spirituell oder poetisch betrachten. Die Intuition ist demnach eine innere Stimme, die immer in uns gegenwärtig ist, bereit uns verschwörerisch oder warnend zuzuflüstern, uns beizustehen, Rat zu geben oder uns auch ganz deutlich anzuschreien. Eine innere Weise, die in uns allen wohnt, ein Anker, der im Urgrund allen Seins eingesunken ist und uns von dort mit Urvertrauen verbindet. Ein blitzschnelles Bild, das in uns aufscheint und auf dem die Lösung oder die anstehende Handlung klar zu erkennen ist. »Intueri« – schauen wir uns dieses Bild ganz genau an, wagen wir es pur und unverstellt hinzusehen oder schaffen wir die Voraussetzungen, um dies tun zu können, so erhalten wir Zugang zu all diesem Wissen, all dieser Weisheit.
Rückverbindung zur Natur
Dieses ganz natürliche und naturverbundene Wissen ist wie der Name schon sagt aus meiner Sicht ganz eng mit der Natur allen Seins (unserer Erde und all ihren Rhythmen um Wachsen, Werden, Vergehen und jahreszeitlichen Veränderungen) und somit auch der uns allen innewohnenden Natur verbunden. Ein Zugang zum intuitiven Wissensschatz ist für mich daher mit einer Erinnerung an meine eigenen Rhythmen und Zyklen verbunden und wie sehr ich mir selbst erlaube, diese wahrhaft zu leben, ihnen Raum zu geben.
Als die Menschen begannen sich immer mehr zu organisieren, Zeit effektiver sowie produktiver nutzen zu wollen und dies im Sinne von mehr, weiter, höher, schneller bis heute voranzutreiben, vergaßen sie gleichsam die Zyklen, die ihnen über Jahrtausende dienlich waren und verbauten sich damit in großen Teilen auch den genauen Blick auf das ganzheitliche und vielfältige Bild, in dem alle Zusammenhänge komplex verwoben und gleichsam direkt einsehbar sind. Es geschah eine Art Verstopfung all dieser empfangenden Kanäle, und doch ist dieses Wissen bis heute da. Wir tappen also vermutlich immer wieder mal in die Falle hinein, weil unsere Kanäle (wieder) verstopft sind, was uns dann darauf hinweisen kann, dass eine seelisch-energetisch-psychische Hygiene dieser Kanäle ebenso sinnvoll ist, wie das tägliche Zähneputzen und daher ebenso unverhandelbar und selbstverständlich sein sollte.
Ich glaube zutiefst daran, dass wir uns nicht verändern sollten, also auch die Stimme unserer Intuition nicht zum Schweigen bringen sollten, um in eine (erkrankte) Gesellschaft zu passen, die »eben nun mal so ist« und dieses und jenes erfordert, denn dann gehen wir über unsere Grenzen und benötigen all unsere Energie, um das zu bewältigen, was gefordert wird – und dies ist nicht (immer) im Einklang mit den Träumen, die wir im Herzen tragen oder der klaren Vorausschau, mit der unsere Intuition uns versorgt. Auch unsere Familien und andere Beziehungen können im Kleinen wachsen und gedeihen, wenn wir unsere Bedürfnisse aussprechen, unsere Träume ins Leben weben und einander helfen, gemeinsam kreative Wege zu finden. Je inniger wir uns wieder mit unserer wahren Natur verbinden, desto lauter wird alles Unnatürliche wahrnehmbar und desto deutlicher auch die Stimme der Intuition hörbar.
Wir haben uns an die Verhältnisse angepasst, die sich zeigen, haben lebenserleichternde technische Errungenschaften und wundervolle Erkenntnisse dazugewonnen, uns dadurch jedoch auch manches sinnliche/sinnhafte Herangehen abgewöhnt, indem wir uns eher auf all das im Außen verlassen haben als auf das Urwissen in uns.
»Intelligenz, die voll erwacht ist, ist Intuition, und Intuition ist die einzig wahre Führung im LLeben.«
(Krishnamurti)
Wie finden wir den Weg zurück zu uns?
Was kannst du also tun, um diese Führung wieder zu hören und dann auch zuzulassen, dich ihr anzuvertrauen? Ohne nun zu den Lebensverhältnissen in der Steinzeit zurückgehen zu müssen, können wir im modernen Alltagsleben zu dieser intuitiven Weisheit zurückfinden, indem wir ihr sozusagen die sprichwörtliche Leitung freimachen, auf der wir stehen. Das bedeutet, nicht nur im Urlaub genug Mußezeit einzubauen, sondern uns jeden Tag ein wenig Raum geben, in dem wir uns mit uns selbst verbinden, uns selbst zuhören. Aus diesen tiefverbundenen Momenten den eigenen Zyklus leben, egal wie seltsam dies(er) anderen erscheinen mag. Sozusagen jeden Tag das Fenster zur Intuition öffnen und diese Frische in unseren Geist einatmen. Ganz tief einatmen, in dieser Zeit auch sprichwörtlich einfach durchatmen und davon getragen unsere Schritte im Leben gehen.
Wir alle sind Meister*innen, die üben (dürfen)
All die Menschen, die ich über die Jahre begleiten durfte und die in unterschiedlichsten Lebensumständen waren, haben mir gezeigt, dass in absolut jedem Leben die Lebenskraft und Lebensfreude daraus entsprungen sind, dass sie sich erlaubten, ihre Rhythmen zu leben und der Weisheit ihrer Intuition zu folgen. Es lohnt sich also sehr! Doch gerade weil wir oft in eingefahrenen Glaubenssätzen oder Verhaltensmustern, in bequemen oder geforderten Gewohnheiten und Selbst-/Fremdbildern feststecken, braucht es häufig eine Findungsphase, in der wir uns ohne Druck und mit viel Raum und Zeit entfalten können. In der wir wieder lernen, die Sprache der Intuition zu verstehen und sie für uns und das Handeln in unserem Leben zu übersetzen (und dies ohne ein Sezieren, Abwägen und Argumentieren). Das intuitive Wissen wird sich am besten in dir entfalten, wenn es jenseits von allem greifbaren Wissen in pure Hingabe münden darf.
Daher ermutige ich stets dazu, sich diese Zeit zu nehmen, zu gönnen und sich ggf. für einen rituellen Weg im Lauf des Jahreskreises zu entscheiden, in dem der ganze persönliche Erfahrungsschatz mit dem Wissen der Natur zusammenfließen und gewisse Ereignisse uns ganz natürlich zum Hinschauen einladen: intueri, genau hinschauen und die Botschaften empfangen.
Verbundenheit mit dem eigenen Körper
So viele Frauen setzen sich strikten Diäten aus und verfluchen sich innerlich, wenn sie einen Tag »gecheated« haben und dennoch folgt manchmal eine Welle von übermäßigem Essen und gleich darauf die von übermäßigem, unschönem inneren Selbstgespräch. So viele Männer ignorieren ihre Schmerzen oder gar Krankheiten, gehen über ihre Grenzen, leisten trotz allem, was sie können bzw. mehr als das. So viele Menschen ignorieren Tag für Tag ihre Müdigkeit oder Sehnsucht nach Ruhe und rödeln immer weiter – fast wie ein kleiner Krieg gegen die immer lauter schreienden Bedürfnisse.
Wann immer die Menschen sich die Zeit genommen haben, sich auf ihre eigene innere Spur zu begeben, sich wieder zuzuhören und auch nach und nach umzusetzen, was immer sich zeigte, fiel der Druck, irgendjemandem genügen zu müssen oder irgendetwas »zu sein« von ihnen ab und der Zugang zu ihrer Intuition wurde gleichsam wieder frei.
Dazu muss es nicht immer gleich ein ganzes Seminar sein – auch mit einem kurzen, innigen Ritual können wir uns umsorgen und uns täglich Zeit für uns nehmen. Rituale und Zeremonien bündeln seit jeher Energien und helfen den Menschen sich auszurichten und in Hingabe an das Numinose, Mysteriöse, Große Ganze im Leben gehalten zu sein.
Versuche es gerne einmal für eine gewisse Zeit mit meinem folgenden Alltagsritual – vielleicht bewährt es sich und du magst es beibehalten. Oder sag, was immer dir in dem Moment intuitiv/instinktiv kommt. Lass es DEINE Worte sein. Lass dich gern auch von ihnen überraschen! Es wird genau das kom-men, was du aus dir heraus und FÜR DICH erschaffen magst.