Die Apple-Watch: Wer hat an der Uhr gedreht?
Demnächst kommt sie also endlich auf den Markt: die Apple-Watch. Und die New York Times, der Guardian und der Economist werden vom Start weg mit Apps auf dem neuen High-Tech-Spielzeug vertreten sein. Warum eigentlich diese Eile?
Es gibt in der digitalen Welt so viel zu erkunden und auszuprobieren.
Verdient die Vision eines Zusatz-Minicomputers am Handgelenk, der eine Ergänzung (manche sagen: bloß eine Fernsteuerung) des zuletzt wieder etwas gewachsenen Minicomputers in der Hosen-, Jacken- oder Handtasche ist, wirklich diese Priorität?
Wie ein journalistisches Medium auf einer Armbanduhr aussehen kann, das liegt nun wirklich nicht auf der Hand. Selbst die größten Kosten/Nutzen-Optimierer werden es nicht wagen, ein klassisches epaper für den 1,5-Zoll-Bildschirm anzubieten. Neben der Programmierarbeit ist also zunächst einmal konzeptionelles Denken gefordert. Beides wäre besser in neue Angebote für Smartphones, Tablets und stationäre PCs investiert.
Ein sicheres Learning aus rund 20 Jahren kommerzieller Internet-Angebote
ist: wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Aber wer spät kommt, der war oft pünktlich. Es wird niemand eine Geschäftschance verpassen, der sich zunächst im tatsächlichen Umgang und Alltag ein eigenes Bild von den Eigenschaften dieses Technikwunders macht, bevor er darüber nachdenkt, wie eine Zeitung oder eine Zeitschrift darauf stattfinden könnte.
Der einzige Profiteur der Pionier-Arbeit ist Apple. Die millionenfache Kreativität der App-Programmierer ist ein, wenn nicht der, Hauptfaktor für den gigantischen Erfolg von iPhone, iPad und deren Klonen. Auch die Apple-Watch wird nur dann zu einem Erfolg, wenn es attraktive Apps gibt, die neben die Zeitanzeige treten und dem teuren Gerät einen wirklichen und einzigartigen Nutzen verschaffen.
Aber die Zeit, in der Verlage dem US-Konzern täglich für die Rettung ihres Geschäftes danken, ist passé. Der Vorsprung von iTunes über andere Vertriebsplattformen schrumpft merklich. Und die Retter-Rolle war früher schon deutlich überhöht. Seit langem lässt Apple die Verlage mit seinem augenfälligen Desinteresse am iTunes-Zeitungskiosk hängen. Es wäre kein Wunder, wenn er demnächst komplett offline ginge. Es gibt keinen Grund, die Zusammenarbeit mit Apple noch so hoch aufzuhängen. Stattdessen wäre vielleicht sogar eine Neu-Bewertung von Google angesagt. Denn dieses Unternehmen bemüht sich doch recht augenfällig um das Wohlwollen der Verlage.
Und auf keinen Fall darf die Konzeption von Angeboten für die Smartwatch zu Lasten dringlicherer Projekte gehen. Dem ersten Verlag, der eine App dafür anbietet ohne die Android-Welt komplett versorgt zu haben, reservieren wir den Titel „Flop-des-Monats“.
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