... sieben Murmeltier-Kinder und -Babys. Bei Wasser und Körndlfutter erzählte Muriel nun ihre Geschichte.
Auf dem Berg, dort, wo die Murmeltiere lebten, war es schon lange sehr gefährlich. Die Nagetiere mussten sich nicht nur vor Steinadlern in Acht nehmen – auch Menschen machten Jagd auf sie. Muriel und die anderen warnten sich gegenseitig. Wenn ein Murmeltier laut pfiff, versteckten sie sich alle in den unterirdischen Gängen ihres Baus. Aber das nützte jetzt nichts mehr. Die Menschen waren einfach zu weit gegangen.
Seit ein paar Wochen gruben sie mit Baggern den Berghang um. Dabei zerstörten sie nach und nach den Murmeltierbau. Muriel und ihr Cousin Muru hatten die jüngsten Murmeltiere und das älteste in Sicherheit bringen wollen. Darum waren sie jetzt bei den Ratten im Tal. Dreizehn andere Murmeltiere waren auf dem Berg geblieben. Dort versuchten sie, ihr Territorium zu verteidigen. Ihr Plan war, noch viel mehr unterirdische Gänge zu bauen. Sie hofften, dass die Bagger im Boden einbrechen und dort stecken bleiben.
Muriel machte sich Sorgen um die Murmeltiere auf dem Berg. Hatten sie gegen die Menschen eine Chance? Muriel dachte ja. Karli dachte nein. Als Ratte kannte er die Menschen gut. Er hatte davon gehört, dass sie in den Bergen moderne Häuser bauen. Die verkaufen sie dann. Wenn es um Geld geht, vergessen manche Menschen alles andere. Auch die Murmeltiere.
So kam es, dass Murmeltiere im Rattenbau einzogen. Bereits 221 Ratten lebten hier. Es gab nur noch wenige leere Schlafplätze für die Murmeltiere. Manche Ratten verschenkten Stroh. Damit konnten sich die Bergbewohner einrichten. Andere Ratten brachten Essensreste der Menschen: Brot, Eier, Gemüse, Wurst. Die Gäste sollten nicht Hunger leiden. Die Gastfreundschaft der Ratten sprach sich im Tierreich herum. In den darauffolgenden Wochen zogen auch zwanzig weiße Mäuse im Rattenbau ein. Sie waren aus einem Versuchslabor geflüchtet.
Manche Ratten störte das. „Der Bau ist voll“, quiekte zum Beispiel Franzi Fraß. Er ärgerte sich auch über die Murmeltiere. Sie schliefen viel. Sie blieben immer im Bau. Sie suchten keine Nahrung. Die musste ihnen von den Ratten gebracht werden. Da beschwerten sich die Murmeltiere, weil es ihnen nicht schmeckte. Franzi Fraß schimpfte: „Sie passen sich nicht an uns Ratten an!“ Karli K. Ratte verteidigte die Murmeltiere. „Sie müssen sich an uns gewöhnen“, quiekte er. „Außerdem können sie nichts dafür, dass sie ihren Bau verlassen mussten. Die Menschen sind schuld.“ Darauf erwiderte Franzi: „Menschen sind toll! Ohne ihren Abfall würden wir nicht im Überfluss leben!“ So ging das hin und her.
Es wurde viel gestritten im Rattenbau. Manche Ratten fanden, Nagetiere sollten einander helfen. Andere gaben den Bergbewohnern an allem die Schuld. Sogar daran, dass die weißen Labormäuse Unfug machten. Muriel und ihre Familie bekamen das mit. Sie gingen den Ratten und den Labormäusen aus dem Weg.
Wochen vergingen. Es wurde Sommer und jeden Tag heißer. So heiß wie noch nie zuvor. Die Murmeltiere schliefen mehr. Das ärgerte manche Ratten. „Sie sollen dort hingehen, wo sie herkommen sind“, schimpfte Franzi Fraß. Doch das ging nicht. Auf dem Berg zerstörten die Menschen das Zuhause der Murmeltiere. Ganz selten brach ein Bagger im Boden ein. Es konnte lange dauern, bis die Murmeltiere die Menschen vertrieben hatten. Vielleicht würden sie es nie schaffen.
Das Wetter schlug um. Es regnete, regnete und regnete. Im Rattenbau wurde es feucht. Bald tropfte das Wasser von den Decken der Gänge. Es bildeten sich Wasserlacken. Die Ratten versuchten, die Stellen trockenzulegen. Aber dann brach ein Teil des Rattenbaus ein, Wasser ergoss sich in viele Gänge gleichzeitig. Panik brach aus.
Im Rattenkindergarten stieg das Wasser. Erwachsene Ratten können schwimmen, die nackigen Babyratten aber nicht. Die Kleinen mussten hinaus ins Freie gebracht werden. Doch viele erwachsene Ratten waren verschüttet worden. Sie mussten sich erst selbst befreien. Die anderen Ratten liefen wild durcheinander. Es war ein einziges Chaos. Das Wasser kam von allen Seiten. Karli schnappte sich drei Rattenbabys gleichzeitig.
Er kämpfte sich durch die gefluteten Gänge, dann setzte er die Kleinen draußen vor dem Rattenbau ab. Er sauste zurück, um die Nächsten zu holen. Andere Ratten machten es ihm zwar nach, doch das ging viel zu langsam! Karli wusste: So würden sie es nicht schaffen, alle Babys zu retten. Die quiekten vor Angst.
Plötzlich hörte das Wasser auf zu steigen. Es wurde sogar weniger, obwohl es weiterhin regnete. Wie war das möglich? Karli K. Ratte hatte keine Zeit, sich zu wundern – er musste Babys retten. Er machte so lange weiter, bis alle 221 Ratten vor dem Bau saßen. Auch die Labormäuse waren da. Nur von den Murmeltieren fehlte jede Spur. Karli musste nach Muriel und den anderen suchen. Er wanderte durch die Gänge. Er lugte in jeden Winkel. Nichts! Dann fand er eine Abzweigung. Die kannte er nicht. Er wanderte weiter. Hier war er noch nie gewesen. Karli gelangte zu einem ganz neuen Ausgang des Rattenbaus. Davor floss der Bach. Hier musste das Wasser abgelaufen sein. Aber die Murmeltiere waren nicht da.
Karli K. Ratte fand sie schließlich in einer neuen Schlafhöhle. Alle waren sie patschnass und von Kopf bis Fuß voll Erde. Alle schnarchten. Hatten sie die neuen Gänge angelegt? So musste es wohl gewesen sein. Schließlich können Murmeltiere nichts besser, als zu graben.
Am nächsten Tag bedankten sich die Ratten bei den Murmeltieren. Endlich sprachen alle miteinander. Muriel erklärte, weshalb die Murmeltiere nie auf Nahrungssuche gingen. „Wir leben weit oben in den Bergen, weil es dort kühl ist. Wärme ist gefährlich für uns. Da bleiben wir lieber unter der Erde“, piepste sie. Außerdem könnten sie nicht alles fressen, was den Ratten schmeckt. „Veganer wie wir fressen nur Pflanzen.“
Auch Franzi Fraß kam zu Wort. „Ihr könnt trotzdem nicht auf der faulen Nagetierhaut liegen“, quiekte er. Da boten die Murmeltiere ihre Hilfe an. Sie wollten den kaputten Rattenbau neu graben helfen. Darüber freuten sich alle Ratten. Und die Labormäuse? Die hatten ihr ganzes Leben in Käfigen verbracht. Sie konnten nichts gut. „Die füttern wir auch noch durch“, sagte Karli. „Die Menschen machen genug Abfall für alle.“