Erfunden hat Tchibo das Nonfoodsortiment als Ergänzung zum Lebensmittelverkauf. 1973 verbot der Bundesgerichtshof dem Händler, den Kunden beim Kauf von Tchibo-Kaffee andere Produkte wie Aromadosen oder Kochbücher zu schenken. Die verbliebenen Exemplare verkaufte Tchibo so erfolgreich, dass er seinen Kunden seither ein wöchentlich wechselndes Sortiment an Gebrauchsartikeln anbietet – von Strümpfen über Tischdecken bis zum Badezimmerzubehör.
Mitte der 90er-Jahre begannen auch die Discounter, diesen Bereich auszubauen. 1995 brachte Aldi seinen ersten PC auf den Markt und verkaufte im Nu 200.000 Stück davon. Doch seit 2004 geht das Geschäft mit der günstigen Aktionsware zurück. „Es hat in gewissen Sortimenten einen Sättigungseffekt gegeben. Wenn Sie drei Nagelsets im Keller haben, dann kaufen Sie kein viertes mehr“, erklärt Wolfgang Adlwarth vom Marktforscher GfK. Hinzugekommen sei, dass die Kunden bei manchen Gebrauchsartikeln, etwa Elektrokleingerä-ten, „auch die Erfahrung minderer Qualität gemacht und dann doch wieder lieber zu Markenartikeln gegriffen haben“. Inzwischen sei der Rückwärtstrend zumindest teilweise gestoppt. So habe Aldi bei Textilien zulegen können. Mit einem Umsatz von etwas über einer Milliarde Euro im Jahr 2009 ist der Discounter der achtgrößte Textilhändler Deutschlands.
Vom Bauchmuskeltrainer bis zur Matratze
Bei den Discountern hält sich vor allem Netto im Nonfoodbereich stark zurück. Der Markendiscounter stockt sein übliches Lebensmittelangebot jede Woche nur um wenige Artikel auf – meist sind es kleine Haushalts- oder Elektrogeräte, Accessoires oder Basistextilien. Das größte Angebot mit bis zu 60 Nonfoodartikeln pro Aktion hat Lidl, während Aldi auf 30 bis 40 und die anderen auf 20 bis 30 Produkte kommen. Das größte Geschäft dabei macht aber Aldi, sagt Marktkenner Adlwarth. „Der Umsatzanteil der Nonfoodaktionen ist dort zweistellig, bei den anderen Discountern einstellig.“ Die Schnäppchenjäger nehmen dann nicht nur den Grill, die Matratze oder die Laufschuhe mit, sondern decken sich auch anderweitig ein: „Montag und Donnerstag sind die Lebensmittelumsätze bei Aldi überproportional hoch.“
Wer auf www.discounterarchiv.de in den Aktionsangeboten der vergangenen zehn Jahre blättert, stößt schnell auf immer wiederkehrende Sortimente. Gleich nach Neujahr gibt es Sport- und Gymnastikgeräte. Der gute Vorsatz, den Weihnachtsspeck abzutrainieren, muss in die Tat umgesetzt werden. Dafür gab es 2011 zum Beispiel Bauchmuskeltrainer bei Aldi oder Softgymnastikbälle bei Lidl. Kurz darauf folgt etwas Heimwerkerbedarf, anscheinend für diejenigen, die sich vorgenommen haben, lange Geplantes endlich anzugehen.
Auch viele andere Angebote sind klar saisonbedingt. Bereits ab Anfang März bis weit in den April hinein werden die Hobbygärtner umworben. Es gibt Hochdruckreiniger für den Frühjahrsputz und allerlei Geräte und Pflanzen für Balkon und Beete. Auch kann man um diese Zeit die ganze Familie günstig mit Frühlings- und Sommerklamotten ausstatten oder bestens ausgerüstet losjoggen. Sobald es warm wird und rechtzeitig bevor der Urlaub naht, füllen Gartengrills, Taucherausrüstungen, Koffer oder Zelte die Läden. Auch der Heimwerker, der die beste Zeit des Jahres auf der Baustelle verbringen will, wird noch einmal bedient.
Schon Mitte Juli denken Aldi & Co.an das neue Schuljahr, einen Monat später kommt die Ausstattung für die Wandersaison in die Läden, wo sie kurz darauf von den Kinderklamotten für den Herbst abgelöst werden. Sich vor Schmuddelwetter schützen, Auto, Haus und Garten winterfest machen, sich auf die Skisaison vorbereiten, das sind die üblichen Themen im Herbst. Bereits ab Mitte November bieten die Discounter Krawatten, Akkuschrauber, Kindergitarren, Notebooks, Armbanduhren und tausend andere mögliche Weihnachtsgeschenke an. Fürs Festessen kann man sich völlig neu mit Gläsern, Besteck und Porzellan eindecken. Und nach Weihnachten lassen es dann alle Läden krachen: Böller und Raketen gibt es dann in allen möglichen Variationen.
Jede Woche neue Angebote: Mit Kleidung, Sportausrüstungen oder Elektrogeräten locken die Discounter Kunden an.
Foto: Aldi Süd
Die saisonalen Angebote werden aufgefüllt mit Artikeln des täglichen Gebrauchs: Socken, Bettwäsche, Computerzubehör, Pfannen oder Putzzeug. Immer häufiger in den letzten Jahren stehen Lebensmittel im Vordergrund der Aktionsangebote: Besondere Leckereien vor den Festtagen oder italienische und griechische Wochen als Reiseerinnerung Ende August.
Neues ausprobieren: Reisen, Blumen, Fotos
Um dem Umsatzrückgang im Nonfoodbereich entgegenzuwirken, haben sich die Discounter einige neue Geschäftsfelder erschlossen, die inzwischen deutlich zum Umsatz beitragen. In den Läden und online gibt es von allen Discountern eigene Handytarife. Norma, Netto und Kaufland arbeiten dabei mit der Firma Blau Mobilfunk zusammen, die der Eplus-Muttergesellschaft KPN gehört. Aldi kooperiert mit seinem Elektronikpartner Medion und Eplus. Lidl bietet seinen Tarif über die Firma Fonic an, die zur spanischen Telefonica-Gruppe gehört. Fonic nutzt ebenso das O2-Netz wie der Penny-Partner Simply.
Bei jedem Discounter kann man auch online Reisen buchen. Dabei treten die Lebensmittelhändler lediglich als Vermittler auf. Verantwortliche Veranstalter sind etablierte Reiseunternehmen. Bei Aldi ist es die TUI-Tochter Berge und Meere. Bei Norma sind neben anderen die TUI-Tochter Travelland im Boot sowie die Reisefalke GmbH, ein Joint Venture der TUI Austria und der Falkensteiner Touristik Group. Netto-Kunden können mit Reisefalke verreisen. Penny-Kunden buchen beim Reiseanbieter clevertours.com, der zur Rewegruppe gehört. Bei Lidl bündelt eine eigene E-Commerce-Tochter die Angebote von insgesamt 16 Reiseveranstaltern.
Relativ neu ist auch der Blumenversand via Discounter. Diesen Service bieten Netto, Lidl und Aldi an. Netto arbeitet dafür mit dem Blumenhandelfilialisten Blume 2000 zusammen. Lidl kooperiert mit dem Onlineblumenversender Valentins und Aldi verschickt die Sträuße über die Fleurfrisch GmbH. Sie ist eine Tochter der Firma Landgard, bei der der Discounter Obst und Gemüse einkauft. Lidl und Netto bieten über ihre Webseiten zudem Zugang zu Onlineapotheken. Netto kooperiert dabei mit der Volksversand Apotheke, einem tschechischen Anbieter. Lidls Partner ist der Webshop Apo-Discounter, den eine Leipziger Apotheke betreibt.
Wohin mit dem Rest?
Manchmal verkalkulieren sich die Einkäufer der Nonfoodaktionen und die Discounter bleiben auf Restposten sitzen. Oft werden diese dann an ausländische Töchter weitergereicht oder über spezialisierte Resteverwerter verscherbelt. Versuche mit eigenen Resterampen haben die Discounter schnell wieder aufgegeben. Sie waren zu aufwendig. Gelegentlich stellt man übrige Ware auch einfach ins Lager und holt sie später wieder raus. So hat Aldi Süd sein Anfang August 2010 vorgestelltes neues Notebook noch einmal 40 Euro billiger als Weihnachtsschnäppchen angeboten.