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RISIKO IST ANSICHTSSACHE


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Sachwert Magazin - epaper ⋅ Ausgabe 4/2022 vom 01.09.2022
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Bildquelle: Sachwert Magazin, Ausgabe 4/2022

Ein etablierter Grundsatz lautet, dass jeder Anleger für höhere Erträge auch ein höheres Risiko in Kauf nehmen müsse. Leider ist dieser Grundsatz falsch. Denken Sie ans Roulette: Alle Chips auf eine Farbe zu setzen bedeutet die Chance auf das doppelte Kapital, jedoch mit dem Risiko des Totalverlustes. Es ist kein größeres Risiko vorstellbar und so würde auch niemand einem Anleger zu einem derartigen Vorgehen raten. Die Idee, dass ein höheres Risiko gleichzeitig höhere Erträge bedeutet, ist also falsch. Ebenso falsch ist der Grundsatz, dass Assets, die normalerweise als risikoarm beschrieben werden, auch risikoärmer sind.

Es ist eine weit verbreitete Ansicht, dass Bargeld auf einem Sparbuch auf der Bank risikofrei angelegt sei, gefolgt von Investitionen in Staatsanleihen. Beide Annahmen sind grundsätzlich falsch. Beginnen wir beim Sparbuch: Dabei geben wir der Bank ein Darlehen für das Versprechen, dafür Zinsen zu bekommen. Das gilt jedoch nur, wenn man das Glück auf seiner Seite hat. Derzeit bekommt man nämlich sehr wenig bis gar nichts für seine Bankguthaben.

DAHER STELLT SICH FÜR EINEN ANLEGER DIE FRAGE: BORGE ICH MEIN KAPITAL EINER BANK ODER EINEM STAAT VON ZWEIFELHAFTER REPUTATION ODER INVES-TIERE ICH ES NICHT LIEBER SELBST IN QUALITY-GROWTH-UNTERNEHMEN?

Aber warum sollen wir einer Bank vertrauen, warum sind wir sicher, das Geld auch zurückzubekommen? Unbesichert bedeutet ungesichert, es gibt nichts, was das Versprechen einer Bank, das Geld zurückzuzahlen, unterstützt. Im Krisenfall kann die Bank das Geld von ihren Kreditnehmern zurückverlangen, um ihre Darlehen auszuzahlen. Aber wie liquide sind die Kreditnehmer? Niemand kann das wirklich wissen. Denken Sie daran, als 2013 auf Zypern die Banken und die Regierung ihre politischen Interessen über ihre Verpflichtung stellten, Sparguthaben wieder auszuzahlen. Die Kunden wurden damals sogar gezwungen, auf Teile ihrer Forderungen zu verzichten.

Auch wenn wir solche Extrembeispiele für legalisierten Diebstahl ausblenden, können wir nie sicher sein, ob unser eingezahltes Geld weise oder verantwortungslos investiert wird. Immerhin haften die Banken in Deutschland bis zu einer Höhe von 100.000 Euro für Bankguthaben. In vielen anderen Ländern dagegen haften die Regierungen bis zu einem gewissen Betrag, was Manager dazu verleitet, noch mehr Risiko einzugehen. Dieser Umstand war einer der Gründe für die Kreditkrise 2007 bis 2009.

Auch Staatsanleihen sind nicht so risikoarm, wie die Theorie besagt. Derzeit bieten Schuldverschreibungen europäischer Staaten Negativzinsen, der Anleger zahlt also dafür, dass er sein Geld herleiht. Er bekommt daher kaum oder gar keine Zinsen und bezahlt die Garantie, nach einer bestimmten Zeit sein Kapital wieder bekommen, mit der Unsicherheit, ob das Kapital dann auch so viel wert ist wie zuvor. Inflation ist der größte Feind von Festzinsinvestitionen. Inflation bedeutet daher einen Verlust an Kaufkraft. Eine Anleihe ohne Zinsen oder mit Negativzinsen ist also kaum eine risikoarme Veranlagung. Das weltweite, starke Ansteigen der Inflationsraten in letzter Zeit hat diese Debatte neu entfacht.

Daher stellt sich für einen Anleger die Frage: Borge ich mein Kapital einer Bank oder einem Staat von zweifelhafter Reputation oder investiere ich es nicht lieber selbst in Quality-Growth-Unternehmen? Damit partizipiere ich am Erfolg der besten und renommiertesten Unternehmen, die über außergewöhnliches Wachstum und überzeugende Bilanzen verfügen und obendrein noch schuldenfrei sind. Betrachtet man die Dinge auf diese Weise, so wird klar: An dieser Investmentphilosophie führt kein Weg vorbei.

Es gibt natürlich auch andere Faktoren, die der Ertragssteigerung abträglich sind und meistens auch nicht vom Anleger beeinflusst werden können. Glück etwa ist ein Faktor, der außerhalb unserer Einflusssphäre liegt, denn ob bei Beginn einer Investition gerade ein positiver oder ein negativer Trend beginnt, können wir meist nicht wissen. Nichts hat einen Anleger an der russischen Börse vor einem Totalverlust bewahrt, als die Bolschewisten 1917 die Macht ergriffen.

Investoren in den USA und im Vereinigten Königreich, die Anfang der 1980er-Jahre mit ihrer Veranlagung begannen, hatten das große Glück, am Beginn des lukrativsten Jahrzehnts für Börseninvestments im 20. Jahrhundert zu stehen. Bis auf eine Korrektur 1987 und eine Rezession ein paar Jahre später konnte man beinahe nichts falsch machen. Auch japanische Investoren konnten sich über hohe Kursgewinne freuen. Anleger, die in den 1990er-Jahren begannen, mussten jedoch fast 20 Jahre mit schwachen Erträgen leben.

Diese Entwicklungen waren ein Spiegelbild der Erfahrungen aus den 1970er-Jahren, als die meisten Anleger starke Verluste akzeptieren mussten. Gründe dafür waren die beiden Ölkrisen, Inflation und eine globale Rezession. Japan entwickelte sich damals viel besser, weil die Börsen die großen Nachkriegserfolge des Wirtschaftswunders Nippons zu dem Zeitpunkt erst einpreisten. Denken Sie dabei beispielsweise an Unternehmen wie Sony und Toshiba.

Einen der positivsten Faktoren der vergangenen 30 Jahre stellt die Entwicklung der Telekommunikation dar. Sie hat tatsächlich globale Märkte für Aktien, Anleihen und Währungen geschaffen. Damit wurde es für Investoren sehr einfach, in Unternehmen und Wirtschaftszweige weltweit zu investieren. Der freie Kapitalverkehr, unabhängige Zentralbanken und die Globalisierung von Produktion und Handel vervielfachten die Investmentmöglichkeiten und erleichterten den Zugang zu ihnen.

Manche Experten behaupten, dass einige Investmentbereiche, darunter auch viele mit einem Bezug zu Aktien, nicht mündelsicher sind. Diese Ansicht ist irreführend. Fundierte, verlässliche Investments bleiben das, was sie sind, gleichgültig, wer sie hält. Die Kursentwicklung wird nicht vom Alter und Status des Investors beeinflusst. Ein Sprichwort sagt: Die Aktie weiß nicht, wer sie hält. Es gibt keinen Grund, warum irgendwer davon abgehalten werden sollte, in die Asset-Klasse der Quality-Growth-Aktien zu investieren, wenn sie doch die sichersten und lukrativsten Investments repräsentieren.

In den zurückliegenden Jahren gab es sehr viele Kursstürze und einen hohen Anstieg der Volatilität. Aber diese Volatilität macht Investments nicht risikoreicher, sondern sorgt für sehr gute Möglichkeiten, Anteile sehr guter Unternehmen zu einem sehr guten Preis zu kaufen. Investoren, die mit einem klaren Kopf entscheiden, profitieren daher von der Volatilität, ohne Risiken einzugehen.

FUNDIERTE, VERLÄSSLICHE INVESTMENTS BLEIBEN DAS, WAS SIE SIND, GLEICHGÜLTIG, WER SIE HÄLT.

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Bildquelle: Sachwert Magazin, Ausgabe 4/2022

»Die besten Aktien der Welt – 3. Ausgabe« von Peter Seilern 304 Seiten

Erschienen: Mai 2022 Finanzbuch Verlag

ISBN: 978-3-95972-622-1

Quality-Growth-Aktien bieten daher eine sehr gute Kombination von überdurchschnittlichen Erträgen mit unterdurchschnittlichem Risiko. Sie werden in guten Zeiten starke Kursanstiege verzeichnen und Rezessionen trotzen. Ein geduldiger und emotional sicherer Investor wird sich durch das konsequente Halten seiner Quality-Growth-Aktien-Positionen erhebliche Transaktionskosten ersparen. Statt hektisch zu traden, kann er die Zeit dazu nutzen, sein Wissen über die Unternehmen und Wirtschaftszweige, in die er investiert ist, zu vermehren. Denn es gibt keine Garantie, nur eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass diese Unternehmen auch weiterhin jenes Wachstum erzielen, das sie ursprünglich in den Fokus der Aufmerksamkeit rückte.

ERFOLG BEDARF LAUFENDER KONTROLLE

Der Quality-Growth-Investor muss daher alle Anzeichen, die eine Verschlechterung der Wettbewerbssituation bedeuten könnten, genau beobachten und verfolgen. Denn wenn ein Investment sein Potenzial, Ertrag zu bringen, verloren hat, braucht es viel Mut, die eigene Meinung zu ändern, um gegebenenfalls zu verkau- fen, und das im ungünstigsten Fall auch mit Verlust. Ständiges Beobachten und Messen der Performance hat also immer höchste Priorität. Dann hat ein Quality-Growth-Investor auch in schlechten Zeiten die Sicherheit, dass sich der Wert seines Portfolios in besseren Zeiten ebenso rasch wieder erholen wird. Es wird unter allen Umständen gut performen. Im Laufe der Zeit wird ein Investor feststellen, dass sich ein durchschnittliches Nettowachstum von 12 bis 15 Prozent auch in einem gleich hohen Ertrag niederschlagen wird.

DENKMUSTER EINES INVESTORS

Das Wissen und das Temperament eines Investors sind von entscheidender Bedeutung. Manche Anleger denken, Investieren sei eine aufregende und abenteuerliche Angelegenheit oder zumindest das Gegenteil von ruhigem und akribischem Arbeiten. Doch jeder, der den Aktienmarkt – sei es im Guten oder im Bösen – mit einem Casino gleichsetzt, irrt gewaltig. Gute Investitionen brauchen Bescheidenheit, Durchhaltevermögen und einen langen Zeithorizont. Der diesem Leitsatz verpflichtete Investor verzichtet auf Emotionen, lässt das Modernistische und Trendige außen vor und ignoriert alle Stimmen, die nach täglichem Handeln rufen.

Es gibt Investoren, die aus Prinzip jedes Risiko meiden, auch wenn häufig das Risiko nur in der eigenen Vorstellung existiert. Sie tolerieren nicht einmal Verluste auf dem Papier. Sie leiden permanent unter Verlustängsten; doch wenn das zugrunde liegende Unternehmen gesund ist, wird sich der Kurs immer wieder bald erholen. Aktien sollten für einen Investor so etwas wie das eigene Haus sein: befindet es sich in bester Lage, so wird es im Wert steigen, und es ergibt keinen Sinn, täglich den Immobilienmakler anzurufen und den Wert der Immobilien immer wieder neu bestimmen zu lassen. Natürlich sollen Investitionen beobachtet werden, so wie der Hausbesitzer immer wieder sein Dach inspiziert, aber es ist sinnlos, dauernd daran herumzuwerkeln.

ES GIBT INVESTOREN, DIE AUS PRINZIP JEDES RISIKO MEIDEN, AUCH WENN HÄUFIG DAS RISIKO NUR IN DER EIGENEN VORSTELLUNG EXISTIERT.

Investoren, die den Ratschlägen in diesem Buch folgen, werden in der Lage sein, ein Portfolio von Quality-Growth-Aktien aufzubauen, das auch Börsenkrisen gut übersteht und danach gleich wieder Fahrt aufnimmt und die neuen guten Unternehmenszahlen entsprechend in guten Erträgen widerspiegelt. In diesem Spiel wird also die aus Äsops Fabel bekannte »konsequente« Schildkröte immer wieder den »ablenkbaren« Hasen schlagen.

Am wesentlichsten ist aber, dass das eingesetzte Kapital alle Krisen, die die Politik, die Wirtschaft und/oder der Markt an sich hervorrufen, überdauert und dabei noch wächst. Auch wenn diese Wechselfälle meistens speziell sind, kann der Investor doch stets darauf vertrauen, dass genau jene Quality-Growth-Unternehmen am Ende zählen, die sich schon in vielen Krisen behauptet haben.

Das Augenmerk auf die Qualität von Unternehmen zu richten wird sich immer auszahlen und den Investor auch nach Krisenzeiten reich, ja sogar im Überfluss, beschenken.

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Bildquelle: Sachwert Magazin, Ausgabe 4/2022

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