... übertragen. Fast bedrohlich erscheint manch ein Szenario: „Frühzeitige Hautalterung“, „oxidativer Stress“, „schädliche Sonnenstrahlen“ und „freie Radikale“ heißen die Feinde der Haut, gegen die sie die Wundercremes verteidigen sollen. Es scheint, als hätten sämtliche Umwelteinflüsse zum Angriff gegen die menschliche Außenhülle geblasen. Ein ganzes Arsenal wird eingesetzt, um sie in Schach zu halten: An vorderster Front kämpft das „Phytocollagen“ neben den „Stammzellen der Schwarzwaldrose“, die Abwehrraketen des „Sensitivity Reducing Complex“-Systems erledigen den Rest. „Normale Produkte, ist die unterschwellige Message, reichen nicht aus. Es müssen ‚Spezialwaffen‘ her, um die Feinde zu besiegen. Dass solche Produkte ihren Preis haben, versteht sich von selbst. So wird auch der Begriff ‚erste Fältchen‘ zu einem Sesam- öffne-dich. Er schafft den Zugang zu den unter 30-Jährigen und garantiert lukrative Geschäfte“, schreibt Rita Stiens in ihrem Buch Schön um jeden Preis?. „Gekauft wird die ‚Message‘. Sie ist der Nährboden, auf dem die Marketingausgaben reichlich Früchte tragen.“
Das Verkaufsumfeld verleiht den Produkten eine Aura von Exklusivität
Gemeinsam mit dem Markt- und Konsumpsychologen Professor Georg Felser vom Fachbereich für Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule-Harz sind wir unserem Kaufverhalten auf den Grund gegangen:
Was sagt der Preis über die Qualität? Untersuchungen von ÖKO-TEST und verschiedene Marktstudien zeigen, dass ein hoher Preis bei Kosmetik nicht zwingend für gute Qualität steht. Verbreiteter als dass ein hoher Preis gute Qualität anzeige, ist die Annahme, billige Produkte seien schlechter, so Felser. Das setzt voraus, dass der Kunde den Preis überhaupt in Relation setzen kann, also die Preisspanne in dem Produktsegment kennt. Aber er betont: „Im großen Bereich Nahrungsmittel/Gesundheit/ Kosmetik findet sich in mir bekannten Studien kein nachweisbarer Zusammenhang zwischen Preis und Qualität.“
Wie wichtig ist die Kaufumgebung? Wo ein Produkt angeboten wird, ist maßgeblich dafür, wie wir es wahrnehmen. Sehen wir es in einer Parfümerie, kann das Verkaufsumfeld dafür sorgen, dass wir angesichts der Aura von Exklusivität bereit sind, mehr auszugeben als etwa in der Drogerie.
In der Regel steckt in einem hochwertig anmutenden Tiegel nicht mehr Qualität.
Foto: simarik/iStock
Welchen Einfluss hat Werbung? Werbung beeinflusst, was wir mit einem Produkt verbinden. Marktforscher Felser: „Werbung soll vorprägen, ein Image aufbauen. Sie soll beispielsweise ein Produkt in den Kontext bereits vorhandener Produkte stellen. Genau wie das Produktdesign soll Werbung sagen: ‚Dieses Produkt ist so wie alle anderen dieser Marke – was dir an den anderen gefallen hat, wird dir hier auch gefallen‘“.
Was kann ich selbst tun? Nichts überstürzen. Professor Felser rät, nicht impulsiv zu kaufen und Produkte und Preise zu vergleichen. Zwar halte sich bei relativ geringen Ausgaben wie für Kosmetik der anschließende Katzenjammer in Grenzen, doch der Konsumforscher ist überzeugt: „Ihre Nettofreude ist viel größer, wenn Sie noch einen Tag länger warten und sich darauf freuen.“
Wir haben untersuchen lassen, für welche der 23 Gesichtscremes im Test Sie ohne Gesundheitsbedenken etwas mehr zahlen können und die Hersteller um Belege für ihre Wirkversprechen gebeten.
Fett gedruckt sind Mängel.
Glossar: Erläuterungen zu den untersuchten Parametern finden Sie auf Seite 208.
Anmerkungen: 1) Weiterer Mangel: PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung. 2) Weiterer Mangel: Umkarton, der kein Glas schützt. 3) Citral deklariert, aber im Labor nicht nachgewiesen. 4) Enthält den bedenklichen UV-Filter Octocrylen. 5) Enthält den bedenklichen UV-Filter 4-Methylbenzylidencampher. 6) Weiterer Mangel: Fragwürdige Deklaration: „Silver“ und „Gold“ deklariert, aber im Labor nicht nachgewiesen. 7) Geraniol und Citronellol deklariert, aber im Labor nicht nachgewiesen.
Legende: Produkte mit gleichem Gesamturteil sind in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führen zur Abwertung um jeweils zwei Noten: a) PEG/PEG-Derivate; b) mehr als 10 mg/kg künstlicher Moschusduft; c) der bedenkliche UV-Filter 4-Methylbenzylidencampher; d) der Duftstoff Isoeugenol, der Allergien auslösen kann; e) halogenorganische Verbindungen. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) mehr als ein Prozent Paraffine/Erdölprodukte/Silikone; b) der bedenkliche UV-Filter Octocrylen; c) die Duftstoffe Hydroxycitronellal u./o. Cinnamyl Alkohol, wenn nicht bereits wegen des Duftstoffs Isoeugenol um zwei Noten abgewertet wurde; d) Propylparaben. Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um vier Noten: Keine vollständige Studie zum Produkt vorgelegt. Zur Abwertung um zwei Noten führt: die vorgelegte Studie belegt keinen Vorteil des Produkts gegenüber einer herkömmlichen Pflegecreme vor dem Hintergrund der ausgelobten Wirkversprechen. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung; b) Umkarton, der kein Glas schützt; c) fragwürdige Deklaration: „Silver“ u. „Gold“ deklariert, aber im Labor nicht nachgewiesen. Das Gesamturteil basiert auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das „befriedigend“ o. „ausreichend“ ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das „mangelhaft“ oder „ungenügend“ ist, verschlechtert das Gesamturteil um zwei Noten.
Testmethoden und Anbieterverzeichnis finden Sie unter www.oekotest.de Suchen ■ „N1705“ eingeben.
Bereits veröffentlicht: ÖKO-TEST-Magazin 11/2016 und 12/2016. Aktualisierung der Testergebnisse/ Angaben, sofern sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder ÖKO-TEST neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt hat.
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Das Testergebnis
■.Weniger ist mehr. Elf Produkte erhalten ein „sehr gutes“ Testergebnis Inhaltsstoffe. Beim Gesamturteil reicht es aber nur sechsmal zur Bestnote: Einige werden mit Wirkversprechen beworben, die die Hersteller nicht belegen konnten. Auch unbedenkliche Inhaltsstoffe vollbringen keine Wunder. Fünf der vermeintlich höherwertigen Cremes schneiden sogar „ungenügend“ ab, darunter das mit knapp 52 Euro teuerste Produkt im Test. Das beweist: Am Preis lässt sich die Qualität nicht ablesen.
■.Gleichgewichtsstörung. Zehn Cremes setzen auf künstliche Fette und Öle. Die sind für die Hersteller in der Anschaffung billiger, fügen sich aber bei Weitem nicht so gut ins Hautgleichgewicht ein wie natürliche Öle und Fette.
■.Schleuser. PEG/PEG-Derivate, die die Haut durchlässiger für Fremdstoffe machen können, stecken in acht Cremes. Das ist vor allem bedenklich, wenn weitere Problemstoffe wie das fortpflanzungsgefährdende Propylparaben und künstlicher Moschusduft, der sich im menschlichen Fettgewebe anreichert, enthalten sind. Kritisch sehen wir auch den Mix aus drei allergisierenden Duftstoffen in der Lancôme Nutrix Creme.
■.Bescheidenheit ist eine Tugend. Neun Produkte wollen mehr als Pflegecremes sein. Aber den Alterungsprozess aufhalten können Kosmetika nicht. Wir baten Hersteller, die besonders viel Wirkplus versprechen, dies zu belegen. Nur vier reichten vollständige, produktbezogene Studien ein. Allerdings belegen auch diese nicht schlüssig, dass die Cremes gegenüber einer einfachen Pflegecreme einen Vorteil bieten. Die sechs „sehr guten“ Cremes beweisen: Man kann richtig gute Kosmetik auch ohne große Worte verkaufen.