... und Medizingeschichte soll die Wirkung der Auserwählten gut belegt sein. Passionsblumenextrakte wirken beruhigend und angstlösend. Zusammen mit anderen Pflanzenauszügen lässt sich der beruhigende Effekt verstärken. In Kombination mit Baldrian und Hopfen oder Melisse findet die Passionsblume auch Anwendung als pflanzliches Schlafmittel.
Pflanzliche Arzneimittel brauchen ein, zwei oder mehr Wochen, bis ihre Wirkung einsetzt
Die Wirkung tritt nicht sofort ein. Es kann ein, zwei oder auch bis zu vier Wochen dauern, bis sich Einschlafzeit, Schlafqualität und damit auch das Gesamtbefinden bessern. Der fehlende Schnelleffekt ist typisch für viele Phytopharmaka. Auch Johanniskrautextrakte, angewendet zur Behandlung depressiver Verstimmungen, benötigen mindestens 14 Tage, bis sich das Befinden bessert.
Wer den verzögerten Wirkeintritt in Kauf nimmt und dafür beispielsweise auf Benzodiazepine zum Einschlafen oder harte Antidepressiva verzichtet, den belohnt das pflanzliche Arzneimittel mit einer im Allgemeinen besseren Verträglichkeit und weniger Nebenwirkungen. „Trotz langer medizinischer Erfahrungen etwa mit Baldrianwurzelzubereitungen gibt es bis heute keinerlei Hinweise auf eine Abhängigkeitsentwicklung der Patienten“, erklärt ÖKO-TEST-Berater Professor Manfred Schubert- Zsilavecz.
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Phytotherapie sei die naturwissenschaftliche Fortsetzung der Erfahrungsheilkunde früherer Zeiten, schreibt Professor Gustav Dobos in seinem Buch „Die Kräfte der Selbstheilung aktivieren“. Als ein Beispiel nennt er das Johanniskraut. Nach der Signaturenlehre – Formen und Farben deuten auf die Wirkweise – wurde das Kraut wegen seiner leuchtend gelben Blütenblätter als Symbol für die Sonne angesehen. Daraus hat sich die Vorstellung entwickelt, die Pflanze bringe Licht ins Dunkel. Tatsächlich werden Johanniskrautextrakte heute mit Erfolg bei der Behandlung leichter bis mittelschwerer Depressionen eingesetzt. Für dieses Anwendungsgebiet zählen sie auch zu den wenigen pflanzlichen Arzneimitteln, die noch erstattungsfähig sind. Und auch hier fehle ein Gewöhnungs- oder Abhängigkeitspotenzial, betont Professor Karin Kraft, Inhaberin eines Lehrstuhls für Naturheilkunde an der Universität Rostock.
Allerdings sind Phytopharmaka nicht nebenwirkungsfrei. Vorkommen können Magen-Darm-Beschwerden und allergische Reaktionen. Johanniskraut kann zudem die Lichtempfindlichkeit erhöhen, Patienten sollten daher intensive UV-Strahlung während der Behandlung vermeiden. Generell sollte man die langfristige Anwendung pflanzlicher Arzneimittel, auch wenn sie aus der Selbstmedikation stammen, immer mit dem Arzt absprechen. Die Ärzteschaft steht der Naturheilkunde jedenfalls durchaus aufgeschlossen gegenüber: Hatten 1993 erst 5.000 Mediziner die Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren erworben, waren es 2008 schon 15.296.
Johanniskrautpräparate aus Drogerien und Supermärkten sind mit Risiken behaftet
Vorsicht geboten ist bei freiverkäuflichen traditionellen Johanniskrautpräparaten. Nach einer aktuellen Untersuchung des Zentrallaboratori ums Deutscher Apothe ker geht von diesen „ein nicht kalkulierbares Risiko“ aus. Die Wissenschaftler wiesen in einigen der in Drogerien und Supermärkten erhältlichen Produkte – nicht aber apothekenpflichtigen – die Verwendung chinesischer Johanniskrautvarietäten zur Extraktherstellung nach, die weder pharmazeutisch noch toxikologisch umfassend charakterisiert sind.
Die Umsatzzahlen für pflanzliche Arzneimittel sind seit 2004 rückläufig (siehe Grafik). Seit der damaligen Gesundheitsreform werden die Präparate, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht mehr erstattet. Seitdem werden Patienten mit akutem Husten oder Atemwegsinfekten verstärkt Antibiotika verordnet. Zwar beweise dies nicht einen ursächlichen Zusammenhang, erklärt Professor Ferdinand Gerlach, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin an der Universität Frankfurt, wahrscheinlich sei er aber schon.
In Teil 2 des Tests Naturheilmittel hat ÖKOTEST 66 pflanzliche Arz neimittel aus vier verschiedenen Gruppen bewertet.
Serie Naturarzneimittel
Im vorangegangenen ÖKO-TEST-Magazin 5/2011 haben wir die Tests Pflanzliche Schlaf-, Abführ- und Schmerzmittel veröffentlicht. Jetzt folgen die Ergebnisse für Johanniskrautpräparate, Venen-, Prostata- und Hustenmittel.