Vichy will mit seiner Pflege für die Haut ab 40 einen gezielten Liftingeffekt gegen Falten für straffere Haut erzielen. Die Firma Garnier verspricht mit der Ultra-Lift Pflege, dass selbst tiefe Furchen gemildert werden und tritt mit einem, dem Produkt beigelegten, persönlichen Faltenlineal den Beweis an. Die Kundin soll sich das Lineal vor der ersten Anwendung ans Auge halten und den Faltengrad notieren. Nach 28 Tagen soll sich die gemessene Hauttiefe um einen Faltengrad verbessert haben.
Wurden früher bestenfalls hochpreisige Kosmetika mit viel Brimborium angepriesen, so hängen sich heute auch die Hersteller ganz normaler Produkte in Sachen Werbung weit aus dem Fenster. Dabei übertrumpfen sie sich mit immer tolleren Versprechen. Doch ist das alles auch nachgewiesen?
Ja, behaupten die Firmen – und verweisen in ihren Hochglanz anzeigen und Internetseiten auf Studien, die die Wirksamkeit belegen sollen. So wird der Nutzen von Biotherm Aquasource mit der Aussage versehen: „Feuchtigkeitsversorgung bis in die Tiefe der Haut – bis zu 48 h lang“, weil ein Anwendungstest an 24 Frauen dieses Ergebnis gezeigt habe. Dieser Hinweis befindet sich im Kleingedruckten, markiert mit einem kleinen Sternchen. Die straffende Antifaltentagespflege Ultra-Lift von Garnier verspricht, dass die Haut ab der ersten Anwendung „entknittert und straffer ist“. Nach 15 Tagen würden Falten gemindert, nach „28 Tagen wirkt die Haut sichtbar verjüngt“. Die Aussagen basierten auf den Ergebnissen einer wissenschaftlichen Studie mit 40 Frauen über vier Wochen.
Seit 1998 darf bei Kosmetik gesetzlich nur das ausgelobt werden, was sich auch nachweisen lässt. Der Industrieverband Körperpflege und Waschmittel hat eigens die 20-seitigeBroschüre Leitlinien für die Bewertung der Wirksamkeit von kosmetischen Mitteln herausgegeben. Darin wird beschrieben, dass für den Nachweis ausschließlich seriöse Daten aus experimentellen Studien, Verbraucherbefragungen und allgemein anerkannte Daten zu Wirkstoffen herangezogen werden dürfen. „Die Vorschriften fordern einigen Aufwand von den Firmen“, bestätigt Thomas Meyer, Leiter Forschung und Entwicklung bei Sebamed. „Aber die Leitlinien beschreiben nicht, wie die Anforderungen konkret umgesetzt werden sollen. Weil also im Gesetzestext nicht explizit steht, welche Testmethoden angewandt werden müssen, entscheidet jedes Unternehmen selbst, mit welchem Aufwand es den Wirksamkeitsnachweis erbringt.“
Am einfachsten ist es, Dokumentationen zu den Wirkstoffen heranzuziehen. Steht also in der Literatur geschrieben, dass Aloe vera Feuchtigkeit spendet, reicht dies im Prinzip als Beleg für die Wirksamkeit der Feuchtigkeitscreme mit Aloe vera aus. Viele Firmen unterziehen ihre Produkte aber auch physikalischen Messungen, weil die Untersuchungsämter, die Kosmetika stichprobenar- tig kontrollieren, einfache Wirksamkeitsnachweise oftmals als nicht ausreichend ansehen. Mit den Messungen lässt sich zum Beispiel zeigen, dass eine Creme die Haut mit Feuchtigkeit versorgt oder sich das Hautbild insgesamt verbessert. Doch leider hat das, was im Labor gemessen wird, nicht unbedingt Aussagekraft.
Subjektive Bewertung
So wird von den Herstellern gern behauptet, Anti-Aging-Cremes könnten Falten reduzieren. Im Labor ist das tatsächlich nachweisbar. So lässt sich die Falte einer 40-jährigen Frau, die 1,5 Millimeter tief ist, in vier Wochen um etwa 30 Prozent wegcremen. „Der Unterschied von 0,5 Millimetern ist aber mit bloßem Auge gar nicht wahrnehmbar“, sagt Dr. Gerrit Schlippe vom Untersuchungslabor Dermatest in Münster.
Weil also Theorie und Praxis nicht allzu viel gemein haben, sind die Firmen dazu übergegangen, ihre Produkte auch noch an Probanden zu testen. Um zu einer seriösen Aussage zu kommen, müssen zwei Präparate verglichen werden: eins mit und eins ohne Wirkstoff. Die Cremeproben müssen nach dem Zufallsprinzip auf den Unterarm der Testpersonen aufgetragen werden, wobei weder die Testkandidaten noch die Mitarbeiter, die das Produkt auftragen, wissen, um welche Probe es sich gerade handelt. Idealerweise begutachten geschulte Fachleute das Ergebnis. Kommt dabei heraus, dass im Vergleich zum Placebo produkt die Creme mit Antifalten wirkstoff die Haut glatter und praller aussehen lässt, haben die Produkte bestanden. Doch solche gut durchgeführten Stu dien sind bisher die absolute Ausnahme.
Meist werden Probanden abschließend befragt, wie sie das getestete Präparat empfunden haben, wie sie damit klargekommen sind und ob sie das Gefühl hatten, dass es etwas gebracht hat. Auf diese subjektive Bewertung wirken sich auch Dinge aus, die mit der tatsächlichen Wirkung auf die Haut nichts zu tun haben. „Als wir einmal ein Präparat in Sachen Hautglättung und Feuchtigkeitsversorgung testeten, wurde einer Creme mit Parfümzusatz eine deutlich bessere Wirkung zugeschrieben als einer unparfümierten Variante, bei ansonsten völlig gleicher Zusammensetzung. Beurteilt andererseits eine Testperson den Duft als schlecht, ist sie vielfach auch mit der Wirkung unzufrieden“, weiß Dr. Michaela Arens-Corell, Leiterin der Abteilung medizinische Wissenschaft bei Sebamed.
Tatsächlich gibt es jede Menge Möglichkeiten, das Testergebnis zu beeinflussen. Um die Wirksamkeit einer Feuchtigkeitscreme zu überprüfen, kann man die Probandinnen vorab beispielsweise anweisen, ihre Haut ein paar Tage lang nicht zu pflegen. Man kann sie auch auffordern, vorher nichts zu trinken oder die Schlafdauer auf wenige Stunden zu beschränken – alles Maßnahmen, die die Haut „aushungern“. Anschließend nimmt sie natürlich begierig Feuchtigkeit auf, egal ob ihr ein feuchter Waschlappen angeboten wird oder eine Creme, und es lassen sich messtechnisch fantastische Effekte erzielen, erzählt ein Insider, der nicht genannt werden möchte.
„Gerade bei Tests für Feuchtigkeitscremes gibt es jede Menge Möglichkeiten zu schummeln“, bestätigt Martina Gebhardt von der gleichnamigen Naturkosmetikfirma. Hier lassen sich am einfachsten beeindruckende Vorher-Nachher-Effekte erzielen. Weil Martina Gebhardt genau weiß, wie sich Testergebnisse manipulieren lassen, lehnt ihr Unternehmen solche Tests generell ab.