... Kaffeemenge für eine Tasse mit 200 ml benutzt (also einer durchschnittlichen Kaffeetasse in Deutschland), ergibt sich daraus eine Stärke (Feststoffanteil im Getränke-Gesamtvolumen) von 1 Prozent – nämlich 2 gaus 200 ml. Soweit die mathematische Betrachtung, aus der sich nur sehr bedingt Aussagen auf das Geschmacksbild oder -profil ableiten lassen.
Mineralienaufnahme
So weit so gut. Doch unterscheiden sich die Wässer nach ihrer Herkunft, Härte (Mineralisierungsgrad) und Aufbau (Mineralienkomposition). Je nachdem, woher das Wasser stammt, also ob es sich zum Beispiel um Regenwasser, Oberflächenwasser, Grundwasser oder Tiefenwasser handelt und welchen Weg das Wasser durch die Gesteinsschichten seit dem Abregnen genommen hat, ist eine unterschiedliche Beladung mit verschiedenen Mineralien erfolgt.
Je weiter der Weg des Wassers, desto mehr wird es sich mit Mineralien „beladen“. So ist Regenwasser ausgesprochen weich und enthält nur geringste Mengen an Mineralien. Es lädt sich auf seinem Weg in die Ozeane stetig weiter mit Mineralien auf und besitzt damit eine stetig zunehmende Härte. Somit nimmt das Wasser während des Durchlaufens des Wasserkreislaufs immer mehr an Härte zu. Aus Erfahrung wissen wir, wie weich das Wasser in Gebirgen ist, und wieviel länger es dauert, bis man mit sehr weichem Wasser Seife von den Händen abwaschen oder aus den Haaren ausspülen kann.
Die Wasserhärte wird aus den Reaktionsprodukten der Erdalkalimetalle (zum Beispiel Calcium, Magnesium, Strontium oder Barium) und Säuren aufgebaut. Abhängig von den reagierenden Säuren entstehen unterschiedliche Mineralien.
Die am häufigsten im Wasser vorkommende Mineraliengruppe sind die Carbonat-Verbindungen. Sie entstehen durch die im Wasser gebundene Kohlensäure (H 2CO 3), die sich zum Beispiel auf ihrem Weg durch Kalkschichten zu Carbonaten entwickelt. Wässer mit einem vorherrschenden Carbonat-Anteil werden als „Kalkwasser“ bezeichnet.
Weitere Härtebilder sind die aus Schwefelsäure (H 2SO 4) oder Phosphorsäure (H 3PO 4) entstandenen Sulfate und Phosphate. Wasser mit einem überwiegenden Sulfatanteil wird als „Gipswasser“ bezeichnet.
Je nachdem, ob die Härte eher aus einem Kalkwasser oder Gipswasser herrührt, müssen zur Enthärtung unterschiedliche Filter eingesetzt werden. Die beiden Wassertypen und die von ihnen gebildeten Rückstände haben unterschiedliche Eigenschaften. Während Kalkwasser im Abtrocknen feste, abkratzbare weiße „Kalkränder“ hinterlässt, sind die Ablagerungen aus dem Gipswasser eher „schmierig“ oder „seifig“, bilden also keine festen Rückstände. Geschmacklich reagieren die Gipswässer deutlich adstringierender und fördern erheblich die Bitterwahrnehmung im Kaffee. Gipswässer „puffern“ vermehrt Säuren ab und lassen Kaffees sehr schal und flach erscheinen.
Eine weitere Art der Wasserhärte kann durch Salze, insbesondere NaCl (Kochsalz) aufgebaut und gebildet werden.
Dieser Wassertyp findet sich bevorzugt in Küstennähe mit Brackwasser oder auch auf Schiffen mit Meerwasserentsalzungsanlagen.
Härtegrade
Zum Wasser und der Wasserhärte gibt es noch ein paar weitere Fachbegriffe und Einteilungsmodelle: Es wird zwischen der „Permanenten Härte“ und „Nicht-permanenten Härte“ unterschieden. Die Permanente Härte ist dabei die Härte, die nicht durch Ionenaustauscher (Härtefilter) entfernt werden kann. Dies stellt zumeist die Salzhärte dar. Die Nicht-permanente Härte wird von der aus dem Wasser entfernbaren Härte, also der Carbonat- und der Gipshärte ausgemacht.
So setzt sich also die Gesamthärte aus drei verschiedenen Gruppen zusammen:
Gesamthärte = Carbonathärte + Nichtcarbonathärte (Gipshärte und Salzhärte).
Wesentlich ist dies aufgrund der unterschiedlichen Effekte auf den Kaffee und der verschiedenen Möglichkeiten der Entfernung dieser Härten. Nur durch eine „Vollentsalzung“ (VE), also die Entfernung aller Ionen, kann auch die Permanente Härte aus dem Wasser entfernt werden. Später werden diesen sogenannten VE-Wässern wieder Ionen zugegeben, um eine übermäßige Reaktivität des Wassers und eine zu starke Extraktion zu vermeiden.
Versuchen wir uns daher einmal modellhaft Wasser wie einen Bus vorzustellen. Je weicher das Wasser ist, desto weniger Sitze im Bus sind besetzt, also desto weniger Mineralien werden bereits im Wasser transportiert. Dieses (weiche) Wasser kann also erheblich mehr Kaffeeanteile extrahieren und aufnehmen, als hartes, bereits stark mit Mineralien versetztes Wasser. Die geschmacklich und aromatisch wirksamen Substanzen können also „mitgenommen“ oder vom Wasser aufgenommen und aus dem Kaffeepulver aufgenommen werden.
Folge der unterschiedlichen Härte ist daher eine stärkere oder tiefere Extraktion, die immer in einem niedrig-mittleren Bereich liegen sollte, um keinen zu großen Anteil aus dem Kaffee herauszulösen. Aber auch, um nicht zu wenig Aromenund Geschmacksträger zu extrahieren. Im ersten Falle wäre der Kaffee übermäßig sauer und intensiv, im zweiten Falle, flach, wässrig und bitter.
Doch wieviel Extraktion ist gut und richtig? Gilt es wirklich so viel Ausbeute wie möglich aus dem Kaffee zu erzielen?
Ein Blick in andere Lebensmittel, wie Olivenöl oder Grappa, lässt da ganz andere Gedanken aufkommen. „Extra Vergine“ ist ausschließlich Olivenöl, das kalt gepresst oder extrahiert wurde und dabei höchstens 0,8 g Säure auf 100 g Öl besitzt.
Beim Kaffee, genauer gesagt beim Espresso, gibt es dieses Prinzip auch – nämlich bei einer relativen Überdosierung, eine qualitätsverbessernde „Unterextraktion“ durchzuführen.
Das beschriebene Getränk heißt dann „Espresso ristretto“,
was man mit „eingeschränkter Espresso“ (also mit einer verminderten Wassermenge hergestellter Espresso) übersetzen könnte.
Ich mache das persönlich auch gerne mit meinem Filterkaffee, den ich mir mit dem RS16 Filter zubereite und dort meist auch nur 150 ml anstatt 200 ml auf 16 g Kaffeemehl verwende. Der entstehende Geschmack und der daraus resultierende Genuss ist einzigartig.
Weniger ist also auch beim Kaffee eben mehr. Gier frisst also nicht nur das Hirn, sondern auch den guten Geschmack.
Echte Regionalität
Ein letztes und äußerst anschauliches Beispiel für den Einfluss von Wasser auf den Geschmack des Kaffees, durch die chemisch bedingten unterschiedlichen Extraktionseigenschaften und Geschmacksbildungseinflüsse ist der Golf von Neapel. Der Vesuv hat dort in seinen unterschiedlichen Arealen diverse Wassertypen und -kompositionen geschaffen, die vom Norden her in Pozzuoli, Neapel, Torre Annunziata und Sorrent völlig unterschiedliche Verhältnisse für die Kaffeezubereitung schaffen. In Konsequenz sind rund um den Golf die unterschiedlichsten Kaffeemischungs- und Röststile entstanden, die jeweils das zur Verfügung stehende Wasser aufgreifen und den Kaffee in seiner Zusammensetzung und Röstung auf das vorhandene Wasser anpassen.
Wenn nun Espressobohnen aus einem dieser Gebiete in ein anderes gebracht werden, „entgleist“ das Geschmacksprofil in eine völlig andere, meist unangenehme Richtung.
Ohne es zu wissen, oder sich dies jeweils bewusst gemacht zu haben, haben sich also die Röstereien auf das an ihrem Ort vorhandene Wasser angepasst – und damit tatsächlich eine echte „Regionalität“ in der Adaptation auf das Wasser geschaffen. Irgendwie „kochen alle nur mit Wasser“ – aber eben mit ganz verschiedenen. Dr. Steffen Schwarz