... den überlieferten Heilrezepten?
Professor Dietrich Grönemeyer:
Für mich ist die Weltmedizin so etwas wie ein Schatz, den wir endlich heben sollten. Obwohl ich selbst von Haus aus Schulmediziner bin, hab ich immer gedacht, dass es da noch mehr geben muss, womit den Menschen zu helfen ist. Denken Sie nur an die Akupunktur oder die Kräuterheilkunde der Hildegard von Bingen. Und je mehr ich von alledem erfahren habe, desto mehr war zu erkennen, dass das alles auch irgendwie zusammenpasst, dass sich Heilmethoden und -verfahren ergänzen – weltweit. Deshalb hab ich schließlich den Begriff der Weltmedizin geprägt.
Was haben Sie ausprobiert und was wirkt für Sie am besten?
Bevor ich mich für die Medizin entschied, hab ich ein Studium der Sinologie begonnen. So bin ich schon früh auf die Traditionelle Chinesische Medizin gestoßen (TCM). Später habe ich dann in meinem Bochumer Institut selbst eine Akupunktur-Praxis eröffnet. Aber das ist nur ein Beispiel. Wadenwickel sind ein wirksames Mittel zur Fiebersenkung. Andere Stichworte wären Yoga oder Meditation und Ayurveda-Behandlungen. Selbst eine Tanztherapie kann hilfreich sein, zum Beispiel bei einem Burn-out.
Wo sehen Sie Grenzen der Naturheilkunde?
Natürlich kann eine Blind-darmentzündung oder ein Herzinfarkt nicht allein mit den Mitteln der Naturheilkunde behandelt werden. Mir geht es in meiner ärztlichen Praxis immer um das Prinzip „von leicht nach schwer“, „so wenig wie möglich, so viel wie nötig“. Wir müssen nicht immer gleich mit Kanonen auf Spatzen schießen. Deshalb hab ich in dem neuen Buch wieder einen um weltmedizinische Erfahrungen bereicherten Katalog alternativer Heilweisen zusammengestellt. Mit ihnen kann sich jeder selbst helfen, bei Husten, Schnupfen, Blasenentzündungen, Rückenschmerzen und anderem mehr. Außerdem: Je besser wir wissen, wann und wie wir uns selbst behandeln können, umso mehr wächst dann auch das Verständnis dafür, wann das nicht ausreicht und ein Besuch beim Arzt notwendig ist.
Welche Reiseerlebnisse sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Meine Begegnung mit dem Dalai Lama, auch ein Tanzritual in Südafrika. Ich bekam eine Ahnung davon, wie erlösend der bis zur Trance gesteigerte Tanz wirken kann, auch wenn ich nicht versunken war wie die rituell erfahrenen Afrikaner.
Was hat Sie überrascht?
Überraschend fand ich zum Beispiel, was mir ein Urwaldarzt in Brasilien erzählte. Statt des Exotischen, das ich erwartet hatte, berichtete er davon, dass Diabetes ein großes Problem bei Jugendlichen dort sei. Eine Folge der expansiven Vermarktung industriell produzierter Lebensmittel bis in die hintersten Winkel der Erde. Andererseits bin ich auf Hawaii noch einem „heiligen Mann“ begegnet, von dem es hieß, er würde durch Handauflegen heilen. Ich wollte das nicht glauben. Als er mich dann aber berührte, spürte ich einen Energiefluss, der zugleich beruhigend und belebend wirkte. Wie das möglich war, weiß ich nicht. Aber: Wer heilt, hat recht.
BUCH-TIPP
Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer „Weltmedizin – Auf dem Weg zu einer ganzheitlichen Heilkunst“, Verlag S. Fischer, 20 €.
Bewährte Heilanwendungen Heiße Bäder
■ Kurbeln den Stoffwechsel an, das Gewebe wird besser durchblutet. Bei rheumatischen Erkrankungen und Arthrose wie auch bei Erkältungen.
Moorbäder
■ Der Torf enthält entzündungshemmende Substanzen. Die Behandlung erhöht die Körpertemperatur, wirkt beruhigend und stimulierend. Bei Rheuma, Arthrose, Osteoporose und gynäkologischen Erkrankungen sowie in den Wechseljahren.
(Trockenes) Schröpfen
■ Aus der TCM. Durch Unterdruck in den auf der Haut festgesaugten Gläsern sollen Reflexzonen aktiviert werden, die in enger Beziehung zu inneren Organen stehen und sie stimulieren.
Tapen
■ Elastische Bänder werden auf die vorgedehnten Muskel- und Gelenkzonen geklebt. Da der Schmerz sofort nachlässt, werden Schonhaltungen und Folgeprobleme wie Verspannungen vermieden.
Wickel
■ Heiße Wickel fördern die Durchblutung und wirken krampflösend, kalte entziehen Wärme und senken z. B. Fieber. Beide bestehen aus einem Außen- und einem Innentuch aus Baumwolle oder Wolle. Synthetische Stoffe sind dafür ungeeignet.
Akupunktur
■ Aus der TCM. Die Grundannahme ist, dass die Lebensenergie „Qi“ auf definierten Leitbahnen, den Meridianen, im Körper zirkuliert. Störungen dieses Energieflusses sollen durch gezieltes Pieksen mit Nadeln aufgelöst werden können.
Fotos: 123RF, Gaby Gerster 2018 / S. Fischer Verlage (2), Katharina Hummel, istock (2)