... originalen Trabant 601 von 1976 gekauft und ihn seitdem grundlegend verändert. Der 32-Jährige lebt mit seiner vierjährigen Tochter in Dnipro etwa 300 Straßenkilometer nordwestlich von der Hafenstadt Mariupol. Bevor Putin seinen Angriffskrieg auf die Ukraine begonnen hatte, nutzte Evgeniy seine Freizeit und sein Erspartes r die Elektrifizierung und Restaurierung seines Trabbis. Heute spendet er sein Geld an die ukrainische Armee.
Als er den Trabbi kaufte, war der Lack bereits verblichen, und der Verbrennungsmotor hatte seinen Zenit überschritten. Jetzt erstrahlt der Wagen in glänzendem Rot und hrt vollelektrisch. Bisher hat Evgeniy etwa 10 000 Dollar in seinen Elektro-Trabbi investiert.
Als studierter Physiker und Mikroelektroniker kennt er sich fachlich mit der Materie aus, aber auch handwerklich ist er kompetent. Bis auf ein paar sehr spezielle Elektronikteile hat er alles selbst gemacht.
Er hätte sich kein besseres Fahrzeug r sein Projekt vorstellen können, schreibt er mir auf Instagram: „Der Trabant ist wie gemacht r einen elektrischen Antrieb, und er ist leichtgewichtig, retro und rot.“
Um Platz r den Akku zu schaffen, entfernte Evgeniy den Beifahrersitz und ersetzte ihn durch eine rot lackierte Box. Darin ist jetzt ein 10-kWh-Akku untergebracht. An der Armatur hat er einen Spannungsmesser und zusätzliche Schalter verbaut. Wie beim Original bleibt der Innenraum schlicht und rudimentär, nur die neuen braunen Lederpolster wirken edler. Auch außen hat Evgeniy den Trabbi etwas modifiziert und ihn mit verdunkelten Scheiben und Alufelgen von BBS ausgestattet. Beim Original musste er beim Tankvorgang die Motorhaube öffnen. Um den Akku des Elektro-Trabbis zu laden, muss er jetzt den Kofferraum öffnen. Über den Stecker-Typ-2 kann er seinen Elektro-Trabbi ans Stromnetz seiner Garage hängen. „Das Laden geht schnell und ist gar kein Problem“, sagt Evgeniy. Er kann mit seinem Elektro-Trabbi auch an öffentliche Ladestationen.
Nicht nur beim Laden sollte es schnell gehen. Nachdem ihn der erste verbaute Elektromotor nicht zufriedenstellte, entschied Evgeniy sich r die Technik aus einem Fahrzeug, das lange als das meistverkaufte Elektroauto weltweit galt. „Die Konstruktion war nicht zuverlässig genug, sodass ich 2021 beschloss, auf den ZE0-Motor des Nissan Leaf umzusteigen“, schreibt er.
Maximal leistet der Motor 100 Kilowatt, aufgrund des kleinen Akkus ist die Leistung aber auf 70 Kilowatt gedrosselt. Das reicht r eine Beschleunigung von null auf 100 in sieben Sekunden. Das ist mehr als doppelt so schnell wie das DDR-Original. Mit dem damaligen Dreizylinder-Reihenmotor brauchte der Trabant 601 ganze 20 Sekunden.
„ Dieses Auto habe ich sowohl r die Seele als auchr meine Arbeit gebaut. Viele verstehen dieses Auto hier nicht. Für mich ist es ein alltagstaugliches Showcar, um die Leute zum Lächeln zu bringen.“
Evgeniy Bidnogolovko
Oft sind es aber nicht die Leistungsdaten seines Fahrzeugs, sondern die Optik, auf die Evgeniy angesprochen wird. „Wenn ich damit an einer Ampel stehe, passiert es oft, dass mich Leute bitten, das Seitenfenster herunterzukurbeln. Dann fragen sie mich: Was r eine Automarke ist das? Ist das ein Moskwitsch oder ein Saporoshez?“, berichtet Evgeniy. Die beiden Markennamen kommen von sowjetischen Herstellern. Moskwitsch aus dem heutigen Russland und Saporoshez aus der Ukraine. Auch der Trabant war ein sowjetisches Auto, aber in der Ukraine sieht man es trotzdem selten, und das ist auch der Grund r Evgeniys Begeisterung. „Ich beschäftige mich mit der Reparatur und dem Tuning von Scheinwerfern, und es sind schon viele verschiedene Autos durch meine Hände gegangen. Ich wollte einfach mal ein ungewöhnliches Auto bauen.“
Bis heute gibt es in seiner Familie einen VW Golf 6 und einen Ford Transit, aber: „Der Traum war immer schon ein Elektroauto“, sagt Evgeniy. Einen elektrischen Neuwagen konnte er sich bisher nicht leisten, deshalb hat er selbst Hand angelegt. Für die Elektromobilität interessiert er sich vor allem aus ökonomischen Gründen: „Ein Elektroauto ist sehr rentabel. Wir zahlen derzeit über einen Dollar pro Liter Dieselkraftstoff.“ Im Vergleich zu den Preisen in Deutschland klingt das günstig, aber das durchschnittliche Monatsgehalt in der Ukraine liegt laut der Webseite bdex-de.com auch 2022 noch landesweit bei nur 558 Euro pro Person. Evgeniy ist selbstständiger Unternehmer im Bereich Reparatur und Tuning von Kfz-Optik und hat einen kleinen Onlineshop r Autolampen und Scheinwerferlinsen.
Seinen roten Elektro-Trabbi hrt er jeden Tag, denn er ist sein Aushängeschild und günstiger zu unterhalten als ein Verbrenner. Er kann ihn zu Hause in seiner Garage laden und kommt r deutlich weniger als einen Dollar etwa hundert Kilometer weit. Für seine täglichen Wege reicht das. Wenn er wieder etwas Geld zusammen hat, will er sein selbst gebautes Elektroauto weiter optimieren. In den nächsten zwei bis drei Jahren wollte er einen größeren Akku verbauen und den Innenraum neu gestalten, doch dann rollten Putins Panzer über die Grenze.
Ende April schreibt er mir, dass die Situation in Dnipro okay sei, aber der örtliche Flughafen sei gerade zerstört worden. Er selbst musste bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht zur Waffe greifen und hoffte, dass es so bleibt.
Wie gern würde er sich schöneren Dingen zuwenden und sich in seinem elektrischen Retro-Flitzer selbst verwirklichen. „Dieses Auto habe ich sowohl r die Seele als auch r meine Arbeit gebaut. Viele verstehen dieses Auto hier nicht. Für mich ist es ein alltagstaugliches Showcar, um die Leute zum Lächeln zu bringen.“
So unfassbar es scheint, dass sich selbst Grünenpolitiker:innen r die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine aussprechen, so fatal werden die Folgen sein, wenn Deutschland nichts tut. Es geht um die Zukunft von Menschen wie Evgeniy, die dem Angriffskrieg ausgeliefert sind. Auch niedrigere Tempolimits und der Ausbau von Radwegen wären wirksame politische Maßnahmen, um Putins finanzielle Mittel r diesen Angriffskrieg zu verknappen. Verkehrsminister Volker Wissing sucht trotzdem weiterhin nach Ausreden. Die Verantwortung gibt er damit wieder an uns als Einzelpersonen ab. Wir sollen eigenverantwortlich Energie sparen „das schont den Geldbeutel und ärgert Putin“, sagt Wirtschaftsminister Robert Habeck. Wir müssen uns die Frage stellen: Welche Einschränkungen würden wir persönlich in Kauf nehmen, um zukünftig wieder positivere Geschichten aus der Ukraine zu lesen? Geschichten, wie die von Evgeniy und seinem elektrischen Trabbi.