... als natürlicher Bestandteil unserer Atemluft nicht per se giftig. Aber es ist eben auch eines der Treibhausgase, die in der Atmosphäre dafür sorgen, dass die Temperatur der Erdoberfläche immer weiter ansteigt.
Laut dem Umweltbundesamt (UBA) ist eine in Deutschland lebende Person im Schnitt für etwa 11,2 Tonnen CO₂-Äquivalente im Jahr verantwortlich. Rund 24 Prozent davon entfallen auf die Bereiche Wohnen und Strom, 19 Prozent auf Mobilität und 15 Prozent auf Ernährung. Dem UBA zufolge müsste jeder Deutsche seine Bilanz auf weniger als eine Tonne CO₂-Äquivalente im Jahr reduzieren, um die Klimaziele zu erreichen. Aber wie? Da scheinen Kennzeichnungen zur besseren Orientierung doch wie gerufen zu kommen.
Energie, Industrie und Landwirtschaft
Nur zu gern wollen wir im Alltag das Klima schützen – oder ihm zumindest nicht schaden. Unser Einkaufsverhalten kann dabei durchaus einen Effekt haben. Als Konsumentinnen und Konsumenten beeinflussen wir die Strategien der Industrie, die einen Löwenanteil der CO₂-Emissionen verursacht. Neben der Energiewirtschaft, die durch das Verbrennen von Öl und Gas alle anderen mit großem Abstand in den Schatten stellt, sind Industrieprozesse mit einem Anteil von rund 7,2 Prozent an den Gesamtemissionen und die Landwirtschaft mit 7,7 Prozent die nächstbedeutendsten Kategorien, so das UBA. Zwischen 1990 und 2021 konnte die Industrie ihre Emissionen um 41 Prozent senken, in der Landwirtschaft waren es lediglich 22 Prozent.
„Tierische Produkte als klimaneutral zu bewerben, ist Greenwashing.“
Jana Fischer Verbraucherzentrale Hamburg
Konsum und Klimaschutz: Was kann ich im Alltag tun?
• Pflanzen statt Tiere:Die Produktion tierischer Lebensmittel verursacht die meisten Emissionen. Bei einem Kilo Rindfleisch sind es 11 bis 30 Kilo Treibhausgasemissionen, bei Obst oder Gemüse hingegen weniger als ein Kilo. Ein Liter Hafermilch spart gegenüber Kuhmilch ein Kilogramm CO 2ein.
• Regional und saisonal: Werden Obst und Gemüse in beheizten Gewächshäusern gezüchtet oder in trockenen Regionen stark bewässert, ist das nicht gut fürs Klima. Auch lange Transportwege verschlechtern die Klimabilanz.
• Verschwendung vermeiden: Wer ständig Lebensmittel wegwirft, weil sie verdorben sind, bevor sie gegessen werden konnten, schadet dem Klima ebenfalls. Also: Nur das kaufen, was realistisch verbraucht werden kann.
CO2-Rechner
Ihre persönliche Klimabilanz können Sie mit dem CO₂-Rechner des Umweltbundesamts kalkulieren: uba.co2-rechner.de
Und damit zurück ins Supermarkt- und Drogerieregal. Wann ist ein Produkt also klimaneutral? Intuitiv ist die Erwartungshaltung der Verbraucherinnen und Verbraucher wohl, dass die konkreten, produktbe-zogenen Herstellungsprozesse und Lieferketten keinen CO₂-Ausstoß verursachen. Wenn es aber in mehr als 30 Jahren nicht gelungen ist, die Emissionen zumindest um die Hälfte zu senken, wie wollen Hersteller urplötzlich über Jahrzehnte eingefahrene globale Liefer- und Transportketten, Produktionsstandards und Herstellungsbedingungen so radikal umgestaltet haben, dass sie nun eine gänzlich ausgeglichene Klimabilanz haben? Die Antwort fällt ernüchternd aus und macht die Grenzen der Marktwirtschaft deutlich: Es ist ihnen nicht gelungen. Zwar bemühen sich einige Unternehmen, ihre Emissionen zu reduzieren – mal mehr, mal weniger ambitioniert. Darüber hinaus kaufen sie jedoch lediglich Zertifikate für CO₂-Ausgleichsprojekte und rechnen sich damit die Klimabilanz schön. Kompensation heißt das Zauberwort. Aber ist das wirklich die Lösung? Das Umweltbundesamt erklärt auf unsere Nachfrage, gegenwärtig kein Klimalabel empfehlen zu können: „Wichtige Voraussetzung für eine Empfehlung eines Umweltlabels durch uns ist, dass die Einhaltung der Siegelstandards durch unabhängige Prüfinstitutionen kontrolliert wird.“ Diese Voraussetzung aber erfüllen die bisherigen Klimalabel nicht.
Projekte im globalen Süden
Auch Verbraucherschutzorganisationen sind kritisch. Die Nachhaltigkeitswissenschaftlerin Jana Fischer ist Referentin für Lebensmittel und Ernährung bei der Verbraucherzentrale Hamburg und hat 2021 einen Marktcheck mit Fokus auf Klimalabel durchgeführt. Sie sagt: „Es wird eine Spende geleistet für Projekte wie Baumpflanzung, Aufforstung, erneuerbare Energien, insbesondere im globalen Süden. Damit kann Klimaneutralität rechnerisch erreicht werden, aber wie sich das tatsächlich aufs Klima auswirkt, ist häufig unklar.“ Ihr Rat:
Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher darauf achten, möglichst pflanzlich und klimaschonend zu konsumieren, können sie Klimalabel beim Einkauf ignorieren. Bei Fleisch und Milchprodukten hingegen läuten bei ihr alle Alarmglocken. „Tierische Produkte als klimaneutral zu bewerben, ist Greenwashing. Sie haben in der Regel eine schlechtere bis deutlich schlechtere Klimabilanz als pflanzliche Produkte.“
Manuel Wiemann von Foodwatch wird noch deutlicher: „Wir lehnen den Begriff klimaneutral und alles, was gleichbedeutend ist, ab.“ Er beruft sich auf eine Untersuchung des Öko-Instituts, aus der hervorgeht, dass nur zwei Prozent der untersuchten Kompensationsprojekte sehr wahrscheinlich halten, was sie versprechen. „Das ist eine Bankrotterklärung für jede Klimawerbung, die auf Kompensation beruht. Und deswegen sagen wir: Das kann nicht funktionieren. Für den Klimaschutz brauchen wir eine Reduktion der Emissionen. Jetzt und dringend. Darüber täuschen solche Klimalabel hinweg, denn es wird vor allem auf CO₂-Kompensation gesetzt, aber nicht ausreichend viel zur Reduktion von Emissionen getan.“
Wird den Menschen suggeriert, sie könnten sich beim Einkauf blind auf ein Label verlassen, erscheint das angeblich klimaneutrale Hähnchenfilet aus konventioneller Geflügelzucht im Vergleich zu einem ungelabelten Seitanschnitzel aus regional angebautem Weizen plötzlich als die klügere Kaufentscheidung. Obwohl die katastrophale Klimabilanz der industriellen Fleischproduktion mit etwas gesundem Menschenverstand nicht zu übersehen ist.
„Das ist moderner Ablasshandel. Aldi tut nichts Ernsthaftes, um Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen, und kauft sich dann einfach frei.“
Manuel Wiemann Foodwatch
Klimalabel
In zahllosen Varianten prangen Klimalabel auf den Produkten im Handel. Bieten sie wirklich Orientierung oder sind sie nur Greenwashing?
Die Anbieter der Klimalabel sind Unternehmen, die ihren Kunden Rundum-sorglos-Pakete für das Werben mit Klimaneutralität versprechen. Sie organisieren den Kauf von Kompensationszertifikaten vermeintlicher Klimaschutzprojekte, meist im globalen Süden.
Aus Sicht von Verbraucherschutz- und Umweltorganisationen, aber auch der Wettbewerbszentrale stellen die derzeit am Markt zu findenden Klimasiegel keine verlässliche Orientierung dar. Die Kritik lautet vor allem, dass Verbraucherinnen und Verbraucher allein anhand des Labels nicht erkennen können, dass es sich lediglich um einen Ausgleich in Form von Kompensationszahlungen handelt und nicht um konkrete Bemühungen des Unternehmens, Emissionen zu reduzieren.
Grundsätzlich klimaschädliche Produkte wie Fleisch als klimafreundlich zu labeln, führt den Gedanken der Klimaneutralität also bereits ad absurdum. Wenn das unterstützte Kompensationsprojekt zudem nicht einmal einen nennenswert klimaschützenden Effekt hat, wird es richtig dreist. Dafür hat Rewe von Foodwatch im vergangenen Jahr den Negativpreis „Goldener Windbeutel“ für Werbelügen erhalten. Die Organisation fand heraus, dass das Projekt zum Waldschutz in Peru, mit dessen Zertifikaten sich Rewe über den Anbieter Climate Partner freikaufen wollte, nicht einmal die grundlegenden Anforderungen an Kompensationsprojekte erfüllte. Immerhin: Rewe hat die Zusammenarbeit mit dem Projekt zumindest für Geflügelprodukte eingestellt. Nachforschungen von Foodwatch zeigen jedoch, dass das Projekt damit längst nicht aus dem Zertifikategeschäft verschwunden ist. Andere nutzen es offenbar weiterhin.
Gemeinsam mit dem ZDF hat Foodwatch jüngst herausgefunden, dass auch Aldi für eine vermeintlich klimaneutrale Milch ein äußerst fragwürdiges Kompensationsprojekt in Uruguay bemüht. Die Bäume, die dort den CO₂-Ausstoß von Aldis Milch kompensieren sollen, gehören nicht zu einem Waldschutzprojekt für mehr Klimaschutz, sondern wachsen in einem industriell bewirtschafteten Forst. Noch dazu ist die mit Glyphosat gespritzte Monokultur von Eukalyptusbäumen alles andere als umweltfreundlich. „Das ist moderner Ablasshandel. Aldi tut im Prinzip nichts Ernsthaftes, um Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen, und kauft sich dann einfach frei. Und benutzt dafür auch noch Zertifikate, die hoch fragwürdig sind“, kritisiert Wiemann.
Das sind nur zwei Beispiele, die aufgedeckt wurden. Doch wie viele schwarze Schafe versuchen weiterhin unentdeckt, aus dem Handel mit den Klimazertifikaten Profit zu schlagen?
Klimalabel vor allem fürs Image
Darüber hinaus hat sich Aldi Süd eine Unterlassungsklage der Wettbewerbszentrale eingehandelt, indem sich der Konzern als „erster klimaneutraler Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland“ bezeichnete. Die Wettbewerbshüter begründen die Abmahnung damit, es würde „der Eindruck erweckt, dass die Klimaneutralität zu 100 Prozent durch emissionsvermeidende beziehungsweise emissionsreduzierende Maßnahmen erreicht wird, die das werbende Unternehmen selbst und seine Produkte betreffen“. Dass der angeblichen Klimaneutralität jedoch nur ein Zertifikatehandel zugrunde liegt, werde in der Werbung verschwiegen. Das hält die Wettbewerbszentrale für „irreführend“.
Mit ähnlichen Argumenten geht auch die Deutsche Umwelthilfe derzeit rechtlich unter anderem gegen Dm, Rossmann und Beiersdorf vor. Sie ist der Ansicht, „dass der Begriff ‚klimaneutral‘ nicht für Produkte passt, für deren Herstellung zunächst CO₂-Emissionen anfallen, auch wenn diese später angeblich durch Projekte kompensiert werden sollen“. Deutliche Worte, die vor allem einen Schluss nahelegen: Bei der Klimaneutralität handelt es sich zumeist mehr um Marketing als um ehrliche Bemühungen für mehr Klimaschutz. Tür und Tor öffnet den Anbietern der Umstand, dass es bislang keine gesetzlichen Anforderungen für klimaneutrale Produkte gibt, wie es zum Beispiel bei der Bio-Auslobung der Fall ist.
Silberstreif am Horizont
Abhilfe kann wohl nur der Gesetzgeber mit klaren Vorgaben schaffen. Manuel Wiemann fordert „ein Verbot dieser Klimalügen – ganz konkret ein Verbot der Begriffe klimaneutral, klimapositiv, CO₂-neutral und so weiter.“ Ein Silberstreif leuchtet hier immerhin inzwischen am Horizont: Das Bundesumwelt- und Verbraucherschutzministerium (BMUV) bestätigte auf unsere Nachfrage, dass die EU-Kommission voraussichtlich noch im Oktober dieses Jahres die sogenannte „Green Claims Initiative“ vorstellen werde. Mit dieser soll es „verbindliche methodische Anforderungen für die Verwendung von werblichen Aussagen mit Umweltbezug“ geben. Wiemann sieht Potenzial für Verbesserungen, bleibt aber skeptisch: „Der Entwurf geht in die richtige Richtung, indem zum Beispiel selbst kreierte Label wie Rewe Pro Planet verboten werden sollen. Denn das ist nichts, worauf Verlass ist. Gleichzeitig bleiben aber große Schlupflöcher.“
Darüber hinaus werde laut dem BMUV derzeit an einer ISO-Norm gearbeitet, die regelt, welche Anforderungen Produkte und Dienstleistungen erfüllen müssen, um als klimaneutral zu gelten. Und auch das Umweltzeichen der Bundesregierung, der Blaue Engel, solle so erweitert werden, dass Verbraucherinnen und Verbraucher perspektivisch glaubwürdige Angaben zur Klimaneutralität von zertifizierten Produkten erhalten. Bleibt zu hoffen, dass es sich dabei nicht um reine Papiertiger handeln wird und die Werbung mit der vermeintlichen Klima-neutralität in sinnvolle Bahnen gelenkt werden kann.
„Sich hinter werbewirksamen Scheinmaßnahmen wie Klimalabeln zu verstecken, reicht nicht.“
Marieke Mariani ÖKO-TEST-Redakteurin
Bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern nimmt das Vertrauen in Klimalabel indes offenbar ab: In einer Umfrage des Umweltportals Utopia gaben im Jahr 2021 noch 84 Prozent der Befragten an, dass sie für ein „klimaneutral“ ausgelobtes Produkt höhere Preise zahlen würden. In der im April veröffentlichten Utopia-Studie 2022 waren nur noch drei Viertel der Befragten bereit, für angeblich klimaneutrale Produkte mehr Geld auszugeben. Nicht einmal eine eindeutige Tendenz, ob Klimalabel eine hilfreiche Orientierung beim Einkauf bieten, ließ sich feststellen: 53 Prozent sagen Ja, 44 Prozent Nein.
Pflanzlich, regional und saisonal
Wer sich weder auf das Spiel mit dem Zertifikatehandel einlassen noch auf eine politische Regulierung warten will, kann den Blick zurück vor die eigene Haustür lenken. Tatsächlich ist es nicht so schwer, den eigenen ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Wichtige Stellschrauben lassen sich in den Bereichen Mobilität und Wohnen drehen. Aber auch bei der Ernährung: Statt zu Fleisch und Milchprodukten öfter zur pflanzlichen Alternative zu greifen, hilft dem Klima mehr als jede kompensierte Tonne CO₂. Regionales und saisonales Obst und Gemüse brauchen kein Label für eine bessere Klimabilanz – es liegt auf der Hand, dass sie weniger Emissionen verursachen als Produkte vom anderen Ende der Welt, bei denen allein der Transport immens zu Buche schlägt. Für Produkte aus der Drogerie gilt: Weniger ist mehr. Häufig verwenden wir ganz unbedacht deutlich mehr Produkte und von diesen deutlich größere Mengen als tatsächlich nötig.
Doch bei allem guten Willen der Verbraucherinnen und Verbraucher – ihnen die Verantwortung in die Schuhe zu schieben, ist der falsche Ansatz. Die großen Räder drehen Industrie und Politik. Sie sind in der Pflicht, Maßnahmen zu erarbeiten, mit denen sich CO₂-Emissionen wirksam und deutlich reduzieren lassen. Angesichts der Klimakrise dürfen dafür keine Jahrzehnte mehr verstreichen. Es braucht zügiges und entschlossenes Handeln. Sich hinter werbewirksamen Scheinmaßnahmen wie Klimalabeln zu verstecken, reicht nicht.