... Transistorgeräte. Die Firma war lange Jahre auch bei uns gut am Markt vertreten, bevor es ein wenig still um die Amerikaner wurde. Jetzt sind sie wieder da und es ergab sich die Gelegenheit, den ziemlich neuen Röhrenvollverstärker VK-80i unter die Lupe zu nehmen. Jener ist übrigens das erste Gerät dieser Art in der Firmenhistorie. Er trägt die Initialen seines Konstrukteurs und seine maximale Ausgangsleistung mit in der Typenbezeichnung. Jener Victor Khomenko war übrigens einer der Ersten, die seinerzeit die berühmte russische Doppeltriode 6H30 in den Westen holte und ihr zu ungebrochener Popularität verhalf – im VK-80i ist sie allerdings nicht vertreten.
Die 6C33C-B
Bei der Endröhre verhält es sich ähnlich: Die legendäre Power-Doppeltriode 6C33C-B verrichtete ihr Dasein ursprünglich als Regelröhre im Funksystem des russischen Kampfjets MIG-25. Die extrem robuste Röhre kommt mit niedrigen Betriebsspannungen und hohen Strömen bestens zurecht. Deshalb kann man sie mit Ausgangsübertragern mit niedrigem Übersetzungsverhältnis einsetzen, was Vorteile für die Linearität und das Verzerrungsverhalten hat. Andere Hersteller verwenden sie gar komplett ohne Ausgangsübertrager. In Sachen mögliche Leistung stößt die Röhre dabei in Regionen vor, die sonst praktisch ausschließlich Pentoden vorbehalten sind, die 6C33C-B nimmt als waschechte Triode hier eine echte Ausnahmestellung ein. Beim VK-80i mobilisieren zwei dieser außergewöhnlichen Röhren fast 80 Watt pro Kanal. Die Fertigung der 6C33C-B in Uljanowsk endete übrigens bereits um 1992. Bis zum heutigen Tag jedoch gibt es nennenswerte Vorräte dieser Röhre, so dass man sich einstweilen keine Nachschubsorgen machen muss.
Konzept und Bedienung
Der 12500 Euro teure VK-80i ist ein technisch und optisch sehr moderner Röhrenverstärker. Auffällig ist, dass es keinerlei Abdeckung für die acht oben aus dem Aluminiumchassis ragenden Röhren gibt, was in Anbetracht der hier produzierten Wärmemengen etwas erstaunt: Das Gerät verbraucht im Leerlauf fast 500 Watt Strom, im Betrieb können‘s auch noch ein paar mehr werden. Sie vermuten reichlich Ruhestrom und weitgehenden Class-A-Betrieb? Völlig zurecht.
Hinten auf dem Chassis finden sich die zwei Ausgangsübertrager in Ringkerntechnik, ganz hinten ein weit geschwungener Bügel, der bestens als Handgriff beim Transport des Gerätes taugt.
An den VK-80i lassen sich vier Quellgeräte anschließen. Drei davon via solide mit dem Gehäuse verschraubter Cinchbuchsen, eines per symmetrischer XLR-Verbinder. Bei den Lautsprecheranschlüssen gibt‘s pro Kanal vier Schraubterminals. Hier lassen sich Lautsprecher mit Nennimpedanzen zwischen vier und acht Ohm in drei Konfigurationen andocken. Der Hersteller rät ausdrücklich zum Ausprobieren aller Varianten, und das ist völlig richtig so: Der Klang lässt sich damit tendenziell von einem kernig-kräftigen bis hin zu offen-luftigem Charakter einstellen. Das Gerät verfügt über keinen harten Netzschalter. Beim Verbinden mit dem Netz passiert eine etwas ungewöhnliche Prozedur: Die Steuerung fährt das Gerät zunächst ganz kurz hoch und checkt die Ruheströme der Endröhren. Danach geht das Gerät in den Standby-Modus. Daraus lässt es sich per Taster an der Front oder per Fernbedienung erwecken. Nach einer Minute ist die Maschine betriebsbereit, aber noch nicht auf der Höhe ihrer Fähigkeiten. Das dauert in etwa eine halbe Stunde. Per Infrarot-Fernbedienung lässt sich zudem das blaue LED-Display für den gewählten Eingang und den Pegel in Sachen Helligkeit justieren oder ganz abschalten.
Technik
BAT hat schon in der Vergangenheit Verstärker in „Circlotron“-Technik gebaut und ich bin mir ziemlich sicher, dass das auch beim VK-80i der Fall ist. Diese Anordnung ist eine sehr elegante Möglichkeit, eine vollsymmetrische Topologie mit lediglich zwei Endröhren zu realisieren, erfordert aber Aufwand bei der Stromversorgung und in der Ansteuerung. Für letzteres sind beim VK-80i vier Doppeltrioden vom Typ 6SN7 zuständig, respektive ihr russisches Pendant 6H8C.
Mit solchen Dingen wie der Arbeitspunkteinstellung der Endröhren hat der Anwender nichts zu tun, das erledigt das Gerät vollautomatisch. Benutzerfreundlichkeit war ohnehin ein wichtiger Aspekt bei der Konzeption des Gerätes und das hat ausgezeichnet funktioniert: Einschalten und Musik hören – um mehr muss man sich im täglichen Umgang mit dem VK-80i nicht kümmern.
Messtechnik-Kommentar
Der Frequenzgang des VK-80i reicht bis locker 70 Kilohertz, das ist in jedem Falle genug. Es gibt eine kleine Pegeldifferenz in der Gegend von 0,3 Dezibel zwischen den Kanälen, die in der Praxis aber nicht relevant sein sollte. Der A- bewertete Fremdspannungsabstand bei fünf Watt an einer Acht-Ohm-Last beträgt sehr gute 88 Dezibel(A), die Kanaltrennung 84 Dezibel. Der Klirrfaktor unter diesen Bedingungen beläuft sich auf 0,14 Prozent, die maximale Ausgangsleistung bei drei Prozent Klirr beträgt rund 74 Watt. Bei Vier-Ohm-Betrieb ändert sich das Bild praktisch nicht. Die Leerlaufstromaufnahme des Gerätes beträgt satte 467 Watt.
Das Gerät verfügt über eine clevere Schutzschaltung, auf diesem Wege konnte Khomenko sich sogar die sonst obligatorischen Sicherungen in den Betriebsspannungsleitungen sparen. Das Gerät überwacht seine Betriebstemperatur sowie den in jeder Endröhre fließenden Strom. Läuft ein Parameter aus dem Ruder, wird die Betriebsspannungszufuhr mittels leistungsfähiger MosFets unterbrochen. Einen Fall, den ich weder beim Messen noch beim Hören herbeizuführen in der Lage war.
Interna
Ein Blick ins Geräteinnere bringt einen leistungsfähigen Ringkerntrafo zum Vorschein, der dem Gerät die erheblichen geforderten Energiemengen bereitstellt. Für die Versorgung der Peripherie sind zwei kleine vergossene Schaltnetzteile zuständig. Die recht komplexe Elektronik ist auf mehreren Platinen aufgebaut. Obwohl reichlich Halbleiter vorhanden sind, ist der VK-80i ein echtes Röhrengerät, im Signalweg liegen ausschließlich Trioden. Die beiden Vorröhren pro Kanal sind als Differenzverstärker verschaltet; im Falle unsymmetrischer Ansteuerung übernimmt einer davon die Symmetrierung des Eingangssignals, danach geht‘s vollsymmetrisch weiter.
Klang
Der VK-80i lässt überhaupt keine Zweifel daran, dass es sich bei ihm um einen Verstärker mit Saft und Kraft handelt. An den „Dreiwegerichen“ bei mir zuhause erwies er sich als ausgesprochen durchzugsstark und kernig. Letztlich landete ich bei Verwendung der höchstmöglichen Lautsprecherabschlussimpedanz. So betrieben, stellte sich dann dieses Leuchten eines jeden Tons ein, dass für den reinen Triodenbetrieb so charakteristisch ist. In Sachen Durchzug musste sich der bewährte Thivan Labs 811 Anniversary dem Gegentakter klar geschlagen geben, ansonsten waren sich beide Gerät klanglich gar nicht unähnlich.
Bei aller Kontrolle klingt der VK-80i elegant und natürlich. Sehr überzeugend stellte das Liedermacherurgestein Hannes Wader unter Beweis, der sich mit Hilfe des Ami-Vollverstärkers extrem gut aufgelegt durch seine „7 Lieder“ arbeitete. Mit energischen Saitenanrissen geriet das Album zu einer extrem gut aufgelegten Angelegenheit, und „Langeweile“ versprühte das genau Gegenteil dessen, was der Titel verspricht. Sehr gute Differenzierung, ausgezeichnete Sprachverständlichkeit.
Ähnliches viel bei der „Music On Vinyl“-Wiederveröffentlichung von Nina Simones 1970er Live-Album „Black Gold“ auf. In Sachen Aufnahmetechnik sicherlich nicht am Limit des Machbaren erstaunt es doch, wie viel Atmosphäre und Intensität sich aus „Black Is The Color Of My True Love‘s Hair“ herausholen lässt, wenn der BAT am Ruder ist. Mit sehr ruhigem Hintergrund und viel Stabilität gerät die Performance zum echten Erlebnis. Mit insbesondere in der Tiefe sehr opulenter Raumdarstellung überzeugt auch die Bühnenabbildung vollends. Wenn noch Zweifel ob des dynamischen Liefervermögens des Gerätes bestanden hätten: Die schwedischen Rocker von Automatism hätten jene gründlich beseitigt. Ihr hervorragendes selbstbetiteltes 2020er Album hat via VK-80i Druck und Energie, dickt überhaupt nicht auf und stellt Timing und Rhythmus in der Vordergrund. Toller Verstärker.
Holger Barske