„Viele Säuglinge bekommen Tag und Nacht nur dieses eine Fertiglebensmittel. Zum Glück sind die Mineralöl-Belastungen insgesamt gesunken.“
Meike Rix ÖKO-TEST-Redakteurin
Ausreißer von Milasan
In Sachen Mineralöl fällt die Milasan Anfangsmilch Pre negativ auf: In ihr hat das von uns beauftragte Labor die höchsten Gehalte an gesättigten Mineralölkohlenwasserstoffen (MOSH/MOSH-Analoge) festgestellt. MOSH sammeln sich im Körper in Organen wie der Leber an. Ob das auf Dauer der Gesundheit schadet, ist noch nicht durch Studien geklärt. In den von ÖKO-TEST eingekauften Produkten Bebivita Anfangsmilch Pre und Töpfer Lactana Bio Anfangsmilch Pre wurden MOAH analysiert. Diese Stoffgruppe gilt als bedenklicher als die MOSH, weil dazu auch krebserregende Verbindungen gehören können. Beide Anbieter legten Gegengutachten vor, denen zufolge in Rückstellproben der untersuchten Charge kein MOAH nachweisbar war.
Auch in neun weiteren Anfangsmilchen kritisieren wir MOSH-Werte, die aus unserer Sicht verbesserungsbedürftig sind. Denkbare Eintragsquellen für Mineralölbestandteile sind Verpackungsmaterialien und Schmierfette an Maschinen in der Produktion. Milasan-Hersteller Sunval teilte mit, die Produktion an einen eigenen Produktionsstandort verlagert zu haben, auch in Reaktion auf die Ergeb-nisse unseres Tests. Die Pre-Nahrung mit neuer Rezeptur solle noch im Frühjahr 2022 in den Handel kommen.
Fettschadstoff in einer Hipp-Nahrung
Fettschadstoffe, die während der Raffination der pflanzlichen Öle in Babynahrung entstehen, sind kaum noch ein Problem. Die getestete Hipp Bio Anfangsmilch Pre war jedoch mit Glycidyl-Fettsäureester belastet. Der Gehalt lag zwar unterhalb des gesetzlichen Grenzwerts. Aber diese Stoffe haben aus unserer Sicht in Babynahrung nichts verloren, weil sie im Körper Glycidol freisetzen, das die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) als wahrscheinlich krebserregend für den Menschen einstuft.
Neue Vorgaben
Muttermilch lässt sich in ihrer komplexen Zusammensetzung und Wirkung für das Immunsystem nicht nachbauen. Aber zum Glück gelingt die Annäherung bei der industriell hergestellten Säuglingsmilch so weit, dass nichtgestillte Babys damit gut versorgt sind. Für die Nährwerte gibt es klare gesetzliche Vorgaben. Seit 2020 gehört ein relativ hoher Mindestgehalt der Omega-3-Fettsäure Docosahexaensäure (DHA) dazu. Hersteller durften vorher schon freiwillig DHA über Fischöl zusetzen, aber nur in Kombination mit mindestens genauso viel von der Omega-6-Fettsäure Arachidonsäure (ARA). Muttermilch enthält in der Regel mehr ARA als DHA.
Einige, aber nicht alle Studien zeigten für den Zusatz der beiden Fettsäuren eine positive Wirkung auf die Reifung des Sehvermögens und die kognitive Entwicklung.
An der falschen Stelle gespart
Zahlreiche europäische Wissenschaftler protestierten gegen die Entscheidung, DHA ohne gleichzeitigen ARA-Zusatz vorzuschreiben. Die Sicherheit der Zusätze sei nur in der Kombination belegt, erklärte etwa die Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinderund Jugendmedizin 2020 in einer Stellungnahme. Dagegen hätten vergleichende Studien bei Affen und Säuglingen bei einem geringeren ARA-Anteil Nachteile für die neurologische Entwicklung und die Hirnzusammensetzung gezeigt.
Die Experten empfehlen deshalb dringend, dass die Säuglingsmilch mindestens ebenso viel ARA wie die vorgeschriebene DHA enthalten sollte. Das ist auch in der Babynahrungsbranche bekannt, wurde aber nicht immer umgesetzt. Das hat sich inzwischen aber geändert: Nun sind die Verhältnisse der Fettsäuren in 12 von 16 Produkten ausgeglichen. Nachbessern in dieser Hinsicht müssen nun nur noch die Hersteller der Marken Humana, Milasan, Babydream und Babylove.
Fett gedruckt sind Mängel.
Abkürzungen: DHA = Docosahexaensäure, ARA = Arachidonsäure, MOSH = gesättigte Mineralölkohlenwasserstoffe, MOAH = aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe.
Glossar: Erläuterungen zu den untersuchten Parametern finden Sie auf Seite 128.
Anmerkungen: 1) Laut Anbietergutachten wurden in chargengleicher Ware niedrigere MOSH/POSH-Gehalte und kein MOAH analysiert. 2) Laut Anbieter wurde in der gleichen Charge kein nachweisbarer Übergang von MOSH/POSH analysiert. Ein Gutachten legte er nicht vor. Im zweiten Quartal 2022 soll das Produkt mit veränderter Rezeptur und Verpackung auf den Markt kommen. 3) Laut Anbieter gab es eine Produktionsverlagerung und dadurch kleine Rohstoffanpassungen und Veränderungen der Zutaten (erkennbar an Artikelnr. 2000-04 2000-04 und EAN-Code 4062300414310). 4) Laut Anbieter wird derzeit an einem optimalen Verhältnis von DHA und ARA gearbeitet. Die Umstellung werde voraussichtlich Mitte 2023 erfolgen. 5) Laut Anbieter wird das Produkt nicht mehr extern, sondern am eigenen Produktionsstandtort hergestellt. Die neuen Produkte mit überarbeiteter Rezeptur, anderen Rohwaren und Verpackungsmaterialien sollen circa ab März/April 2022 im Handel zu finden und anhand des neuen Verpackungsdesigns zu erkennen sein. 6) Laut Anbieter werden seit Januar der Gehalt der Arachidonsäure in der Nährwerttabelle und die Aufzählung der Kohlenhydrate angepasst (ab GTIN: 4066447002911). 7) Laut dreier Anbietergutachten war in chargengleicher Ware kein MOAH und niedrigere Gehalte an MOSH/MOSH-Analogen nachweisbar, die wir als „Spuren“ bis „erhöht“ bewerten würden. Laut zwei der Gutachten wurde das Produkt nicht in der Verkaufsverpackung, sondern in Aluminiumflaschen angeliefert.
Legende: Produkte mit dem gleichen Gesamturteil sind in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt. Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um vier Noten: ein gemessener Gehalt an gesättigten Mineralölkohlenwasserstoffen und Analogen (MOSH/POSH) der Kettenlänge C17 bis C35 von mehr als 4 mg/kg (in der Tabelle: Mineralölbestandteile „stark erhöht“). Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) der Nachweis von MOAH; b) ein gemessener Gehalt an gesättigten Mineralölkohlenwasserstoffen und Analogen (MOSH/POSH) der Kettenlänge C17 bis C35 von mehr als 2 bis 4 mg/kg (in der Tabelle: Mineralölbestandteile „erhöht“); c) ein gemessener Gehalt an Glycidyl-Fettsäureestern (berechnet als Glycidol), der zu einer Aufnahme von mehr als 1,4 μg pro Tag führt. Wir haben uns an einer Risikoabschätzung der Efsa von 2020 orientiert. Daraus ergibt sich, dass der Sicherheitsabstand (Margin of Exposure) bei einer maximalen Aufnahme von 0,4 μg Glycidol/kg Körpergewicht größer als 25.000 ist. Wir sind von einem Kind mit 3,5 kg Körpergewicht ausgegangen und haben mit den auf der Verpackung vorgeschlagenen Tagestrinkmengen für den ersten Monat mit drei Messlöffeln und sieben Mahlzeiten am Tag gerechnet. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) ein gemessener Gehalt an gesättigten Mineralölkohlenwasserstoffen und Analogen (MOSH/POSH) der Kettenlänge C17 bis C35 von mehr als 1 bis 2 mg/kg (in der Tabelle: Mineralölbestandteile „leicht erhöht“); b) ein nicht ausgeglichenes Verhältnis der Omega-Fettsäuren ARA zu DHA. Gemäß der VO (EU) 2016/127 müssen seit Februar 2020 alle Säuglings-und Folgenahrungen den Zusatz von DHA enthalten. Für einen gleichzeitigen Zusatz der ARA besteht dagegen keine Pflicht mehr.
Steht bei konkret benannten Analyseergebnissen „nein“, bedeutet das „unterhalb der Bestimmungsgrenze“ der jeweiligen Testmethode.
Das Gesamturteil beruht auf der Beurteilung des Inhalts.
Testmethoden und Anbieterverzeichnis finden Sie unter oekotest.de/T2204
Bereits veröffentlicht: ÖKO-TEST Magazin 6/2021 und ÖKO-TEST Jahrbuch Kinder und Familie für 2022. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben, sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder ÖKO-TEST neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt hat.
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